![]() |
Sarah
Lesch – Gute Nachrichten Endlich mal wieder „Gute Nachrichten“ lese ich beim ersten Blick auf das Presse-Material des neuen Albums von Sarah Lesch, die können wir und eigentlich die gesamte Erdbevölkerung gut gebrauchen. Das bleibt zuerst einmal hängen bei mir, mit der Hoffnung das es tatsächlich auch unser Leben auf dieser gefährdeten blauen Kugel betreffen könnte, denn die Hoffnung stirbt zuletzt sagt man. |
|||
Sarah wurde bereits mit
17 Mutter von Sohn Belay (zu sehen im aktuellen Video: „Was Soll Ich
Sagen?“), nun erst mal Hausfrau begann sie in ihrer Küche erste Lieder
aufzunehmen. Relativ schnell folgten Auftritte und 2012 folgerichtig das
Debüt „Lieder Aus Der Schmutzigen Küche“ komplett in Eigenregie
unter dem Pseudonym Chansonedde. Sie spricht Klartext, das kann man auf
ihren inzwischen sieben Alben deutlich hören. Der Kult-Rocker Udo
Lindenberg nannte sie 2016 in seiner Laudatio zum Panik-Preis: „Eine
Klartextsprecherin, von denen unsere Bunte Republik Deutschland mehr
braucht. Unterhaltung mit Haltung, yeah, das ist Sarah Lesch.“ Nach dem kontrovers
diskutierten Titel „Testament“ von „Von Musen & Matrosen“
(2015) und ihrem, wie sie selbst sagt „vulnerablen Moment“ mit dem
2021-Album „Triggerwarnung“ ist Sarah Lesch nun im neuen Gewand, aber
wie gewohnt aktuell und kritisch, mit ihren „Gute Nachrichten“ voller
Lebensfreude; Kraftvoll, Stimmgewaltig und mit gewohnt nachdenklichen
deutschsprachigen Botschaften zurück. Sie erzählt in Rock-Musik
gewandete Geschichten, poetisch, sehr authentisch und ultra-zeitgemäß,
trotz auch mal minimaler Instrumentierung und ruhiger Rhythmik mitunter
sogar episch, selten Refrains oder wiederholende Floskeln, eben eine
moderne Klartextsprecherin mit Gitarre, Ukulele und viel Haltung. Yeah,
Udo-Panoptiker. Und dass Sarah Lesch
ihre Mission kompromisslos weiterverfolgt, zeigt schon der Blick auf das
neue Cover. Wie sie selbst sagt, krempelt sie als Lieder-Erzählerin ihr
Image konsequent um, läutet mit zeitgemäßen, modernen Kompositionen von
„Gute Nachrichten“ einen starken Neuanfang ein. Das merkt man sofort
beim Einblenden ins Album mit Effekten und Nachrichten-Sprecherin Marietta
Slomka im Hintergrund. Und dazu passt auch der Wechsel des Labels (Meadow
Lake Music) und Vertrieb (Rough Trade), wobei neu nur dafür passend ist.
Für die Musik, Texte, Arrangements gibt es genau, dass was man von der
selbstbewussten Sarah gewohnt ist. Immer am Puls der Zeit, es wird keine
Kompromisse bei Themen oder musikalische Umsetzung gemacht. Wortgewand
immer gerade nach vorne raus, rockiger, wilder, direkter, scharfkantiger
als je zuvor, genauso wie sich Sarah auf dem Cover-Bild präsentiert. Sie
knüpft damit auch an die emanzipierten Frontfrauen der Neuen Deutschen
Welle der 80er an. Sarah Lesch hat mit diesem konsequenten Neuanfang und
mehr Distanz zum bisherigen Umfeld zwar ein Kapitel der Karriere hinter
sich, aber damit auch mehr Autonomie zurück und startet einen Aufbruch zu
neuen Ufern. Und wenn ich mir das alles so anhöre und ansehe ist ihr das
wirklich gut gelungen. Neues Team, Musiker,
Label, Tour (startete am 18. April in Nürnberg), diese musikalischen
Schwerpunkte klingen für mich nach noch weniger reinreden lassen, sind
echt gut für Sarah und ihre „Gute Nachrichten“. Die Band ist hochkarätig
besetzt und passt hauteng zu ihrer selbstbewussten Frontfrau; Norman
Dassler (Felix Meyer), Dominique „GAGA“ Ehlert (Schwarzkaffee, Dark
Suns, MAARP), Sascha Stiehler (Max Prosa) und Bassist Sebastian Gleck,
hier haben sich die richtigen gefunden. Schon beim ersten durchhören der
12 lautstarken Lieder merkt man, hier musiziert eine phantastische Truppe,
der Begriff Begleitmusiker ist hier meines Erachtens unangemessen, die
durch eine charismatische ultradirekte Frontfrau Sarah eine Menge zu sagen
hat über Befreiung, Liebe, Respekt, Diversität und vieles mehr.
Instrumentierung, Solos, Chorgesang, Effekte dienen dosiert eingesetzt
immer der Geschichte die erzählt werden soll, also jederzeit
Lieddienlich. Dabei verliert die Lied-Poetin und „Sonderfall“ Sarah
Lesch nicht ihren musikalischen Werdegang aus den Augen, im Gegenteil sie
bleibt klartextlich, deutlich, freizügig, bisweilen bissig. Und all das
nimmt man den „Gute Nachrichten“ absolut ab !! Ich habe dieses Quintett
vor Augen auf den Bühnen der Republik, wie sie bei leisen Liedern wie
„Wenn Er Nicht Trinkt“ und „Dopamin“ oder lauten Rockern wie
„Mein Manager“ (kriegt Schwitzdurchfall im Overall 4-mal im Quartal),
„Kapitalismus“ und „Dey“ verschmelzen, alle gemeinsam singen und
feiern, sich anstecken lassen von dem Energiestrom der wie bei einem Virus
überspringt zum Publikum. Warum, weil sie genau darüber authentisch
singend erzählen was auch viele Menschen vor der Bühne erleben, bewegt,
umtreibt, beschäftigt. Auch der Ablauf des Albums ist mit fünf
dynamischen Stücken zu Beginn in Reihe und der Erholungspause im
mittleren Teil gut und ausgewogen. Bereits im letzten
Dezember ist die erste Single „Nie Wieder“ erschienen, 2016
geschrieben, 2024 aktueller denn je und in beiden Versionen ein
Hinseher/-hörer erster Klasse. Nicht überraschend wohl ihr persönlichstes
Lied auf dem Album und damit nicht grundlos an das Ende des Albums
platziert, gleichzeitig eine starke Stellungnahme und deutliche
Abrechnung. „Nie wieder“ kann aber auch deutlich als Neuanfang
assoziieren, und den hat Sarah Lesch mit ihrer Truppe und ihren guten
Nachrichten geschafft. Passgenau in diesen aufgeregten Zeiten erscheint
mit „Gute Nachrichten“ Sarah’s erfrischender Befreiungsschlag, der
durchaus einer für viele andere werden könnte. Wer sich für die Premium
Edition als Hardcover Buch entscheidet, bekommt noch „Lass Es Los“
(Studio-Demo), „Nie Wieder“ (Akustik Duo-Version), „Was Soll Ich
Sagen?“ (Backstage-Version) sowie die Akkorde der Songs, alle Songtexte,
weitere Gedichte und Essays obendrauf. Ja, es ist schon wieder
passiert, ich als am selben Tag wie Sarah Lesch geborener, schreibe erneut
nach Melanie Age aus Dresden und Carola Thieme aus Würzburg einen Beitrag
über ein bärenstarkes Album einer modernen, selbstbewussten
Liedermacherin, ein Kind von Ost und West. Und ich mache es sehr gerne und
freue mich das ich durch das Schicksal wieder mal auserwählt wurde.
Vielleicht doch nicht so zufällig, denn ich selbst (und immer an meiner
Seite Feierbiest Christa) habe bereits schon in den 80ern ähnlich starke
Ladies und ihre musizierenden Mannschaften erlebt, beispielsweise punkig
Ina Deter, poppig Helen Schneider, bluesig Inga Rumpf, episch Ulla
Meinecke. Und nun bespielt von Mitte April bis in den Juni Sarah Lesch
nonstop die deutschen Bühnen, bringt ihre „Gute Nachrichten“ unter
das Volk, knüpft damit nahtlos an die genannten aussagestarken Frauen an.
Ich wünsche allen vor und auf der Bühne, bitte feiert dass sich die
Balken biegen!! Roland Koch, Mai 2024 |
||||