Roger Stein – Lieder ohne mich

Roger Stein – Lieder ohne mich
Sturm & Klang / AL!VE (2013)
(15 Stücke, 63:03 Minuten Spielzeit)

Ja, es gibt sie noch - die Singer-Songwriter, die alles selber machen und sich nicht dreinreden lassen. Roger (franz. ausgesprochen) Stein schreibt nicht nur Texte und Musik selbst, sondern macht auch die Arrangements und Aufnahmen seiner Lieder im eigenen Studio. „Alles Roger“, wie er schmunzelnd sagt. Bereits vier Alben hat er mit seinem Projekt Wortfront veröffentlicht, das er mit Sandra Kreisler 2006 gegründet und mit dem er schon über 200 Konzerte gespielt hat. Nun präsentiert er mit „Lieder ohne mich“ sein erstes Solo-Album. Dass er dies auf Konstantin Weckers Label Sturm und Klang veröffentlicht, freut ihn ganz besonders: „Wecker ist und war immer ein Fixstern für mich, sowohl künstlerisch, als auch menschlich“ so Stein.


Roger Stein ist Sänger, Songwriter, Pianist und Erzähler zugleich - aber vor allem ist er Poet, schafft er es doch Schmerz und Melancholie in Wärme und Leichtigkeit zu hüllen und damit der Tragik die Kälte zu nehmen. Wie? Indem er der Wirklichkeit mit Humor entgegentritt. „Humor ist das letzte Mittel“, so Stein, „mit dem man gegenüber dem Schmerz Würde bewahren kann.“

Und humorvoll bisweilen zynisch sind seine Texte auf „Lieder ohne mich“, das am 27.09.2013 erscheinen wird, allemal. Schon das eröffnende „Klassentreffen“ hat es faustdick hinter den Ohren. Er lässt sich über den „Verfall einer verflossenen Jugendliebe“ ziemlich deutlich aus. In dem er beispielsweise in seinem Refrain davon singt wie sich die Wahnsinnsbraut von früher so verändert hat, dass sie heute nur noch ein Reihenhausgesicht ziert. „Du siehst irgendwie so Aldi aus, so viel zu jung ergraut, und wenn ich dich so anseh, denke ich an Sauerkraut“.

Melancholie blitzt dann in „Heimweh nach woanders“ auf. Hier klingt Roger dann nach Reinhard Mey. Gesanglich macht Roger dann in „1890 (Berner Oberland)“ einen Sprung, denn dieser Song klingt wie eine Nummer von den fantastischen Vier. Der siebenminütige Song handelt über eine Familiengeschichte, die über mehrere Generationen geht. Über zwei Jahrhunderte und zwei Weltkriege wird die Geschichte ausgebreitet und zeigt am Ende, dass der kleine Junge, der verständnislos in die Welt blickt, Roger selbst ist. Ein sehr unkonventioneller Song, der die Bandbreite von Roger Stein aufzeigt.

Konstantin Wecker und Künstler wie Georg Danzer blitzen dann im melancholischen „Regen im August“ auf, das von Keyboardsounds getragen wird. Ein sehr einfühlsamer Song. Wie eine bayrische Folksweise wirkt der Song „Alfred“. Der Song, der noch recht harmlos beginnt, zeigt sich dann aber nach einigen Strophen von einer ganz anderen Seite, denn die heile Welt von Alfred und seiner Familie wird dadurch durchbrochen, dass er sich in einen Mann verliebt. Musikalisch setzt Roger der Thematik von Homosexualität - vor allem in der dörflichen Idylle - eine recht fröhliche/folkloristische Melodie entgegen.

Stilistisch breitet Roger eine große Vielfalt über Tango bzw. Salsa artige Rhythmen, Folk, Pianoballaden, Hip-Hop, Acapella, akustische Songs und weiteres mehr auf seinen Stücken aus. Neben den sozialkritischen Texten die sehr poetisch aber durchaus auch zynisch rüberkommen, sind es die Melodien und musikalischen Stilarten, die Roger ihnen entgegensetzt, und die das Album ausmachen. „Lieder ohne mich“ ist ein sehr schönes Album geworden.

Stephan Schelle, August 2013

   

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