Rigoni/Schoenherz - Victor

Rigoni/Schoenherz - Victor
mig / made in germany music (1975 / 2011)
(4 Stücke, 75:45 Minuten Spielzeit)

In den 70’er Jahren kamen einige Rock-Opern auf den Markt. Die meisten werden sich beispielsweise noch an Jeff Wayne’s Meisterwerk „War Of The Worlds“ erinnern. Aber auch „The King Of Elflands Daughter“, „Tell“, „The Eye Of Wendor” oder die „Intergalactic Touring Band“ gehörten ebenfalls in diese Sparte. Ein weiteres viel beachtetes Werk aus dem Jahr 1975 stammte aus Österreich und trug den Titel „Victor“. Die Macher hinter diesem sehr ambitionierten Werk waren Richard Schoenherz und Manuel Rigoni.


Das Album erschien 1975 als Doppel-LP und hatte ein 20seitiges Booklet in dem aufklappbaren Cover, das herrlich atmosphärische Zeichnungen und Texte, die die Story unterstrichen, zeigte. mig veröffentlichen am 29.04.20111 dieses tolle Werk, das den Untertitel „A Symphonic Poem“ trägt, nun erstmals auf CD. Dabei wurde Wert darauf gelegt, das wirklich anspruchsvolle Artwork beizubehalten und so sind alle Texte und Zeichnungen in dem beigefügten 24seitigen Booklet enthalten.

Die neun Stücke, die auf vier LP-Seiten verteilt waren, wurden für die CD-Version in vier Tracks (auf den Labeln der Vinylscheiben waren ebenfalls vier Parts aufgedruckt) zusammengefasst, so dass jeder der Tracks nun eine LP-Seite umfasst, obwohl die Angabe auf dem Cover der CD neun Stücke aufweist.

Richard Schoenherz singt und bedient die Keyboards und Manuel Rigoni ist am Schlagzeug und den Perkussion zu hören. Daneben gibt es noch Gastmusiker wie Kurt Hauenstein am Bass und Gesang bei „Song Of Life“ (er ist bekannt geworden durch sein Projekt Supermax), Harry Stojka an Gitarre, Achim Buchstab Gesang bei „Who Is Victor“ und „Where Is Victor“, Johan Daansen an Gitarre und Peter Wolf ARP bei „The Invitation“. Dazu wirkt noch das Royal Philharmonic Orchestra sowie der Wiener Akademie Kammerchor mit.

Recht elektronisch geht es im ersten Track los. Hier erinnern die Keyboards streckenweise an den Schweden Bo Hansson. Schnell gesellen sich Schlagzeug, Perkussion und Streicher hinzu. Effekte wie eine Trillerpfeife, Zirkusmusik, marschierende Personen und eine weitere Zirkusatmosphäre führen dann in den ersten gesungenen Teil über. Hier wird Rockmusik geboten, die unter anderem an Novalis erinnert, aber wesentlich rockiger ausgelegt ist. Sobald der Gesang beendet ist, kommt das Philharmonie Orchester zum Einsatz und bietet einen bombastischen symphonischen Part. Dieser pendelt zwischen reiner Klassik und Soundtrack-Musik.

Der zweite Song im ersten Part ist rockig und klingt wie eine Mixtur aus den Beatles, The Who und anderen 60’er Bands. Diese rockigen Parts wechseln sich abrupt mit den klassischen Teilen ab, so dass man hier wirklich von einer Rockoper sprechen kann.

Part 2 ist etwas eingängiger, da die klassischen Elemente nicht so dominant wie im ersten Part sind. Nun ergänzen auch weitere Stilelemente wie etwa Jazz oder funkige Rhythmen den Sound. Die ersten zehn Minuten dieses Tracks gehören klar dem Rock, während das letzte Drittel mit einem Paukenschlag in einen klassischen Part wechselt, der nur kurz durch einen atmosphärischen Teil unterbrochen wird, der durch seine Orgel an Bands zum Beispiel Moody Blues erinnert.

Part 3 ist fast ausschließlich dem Rock gewidmet. Hier finden sich auch Jazzrockelemente wieder, während Part 4 in den ersten fünf Minuten Klassik bietet und danach mit herrlichen Keyboards und einer sanften Gitarrenlinie proggig wird. Aber in diesem Stück wechseln wieder Klassik und Rock mehrfach die Seiten. Bei den Rockpassagen hat man das Gefühl, als wenn Rigoni und Schoenherz sämtliche Stile der auslaufenden 60’er und frühen 70’er Jahre auf eine Platte gebannt hätten.

Durch seinen Soundtrackcharakter in den klassischen Passagen wirkt das Werk wie Kopfkino, das als Thema die Kraft der Jugend und ein Plädoyer gegen Obrigkeitshörigkeit, Krieg und Grausamkeit darstellt. Ein tolles Werk, das aber durch die Mixtur aus Klassik und Rock nicht einfach zu konsumieren ist. Hier treffen mindestens zwei musikalische Welten aufeinander. Eigentlich ist es schade, dass man die einzelnen Stücke nicht anwählen kann. Auf der anderen Seite sind die Komponenten aber so miteinander verbunden, dass man sie zerreißen würde, könnte man sie einzeln anwählen. „Victor“ ist ein ambitioniertes Werk, das aber sehr stimmig ist und auch heute noch gut klingt. Sehr empfehlenswert.

Stephan Schelle, April 2011

   

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