Real Ax Band – Just Vibrations – Live At Quartier Latin Berlin
Sireena / Broken Silence (2018)

(7 Stücke, 65:25 Minuten Spielzeit)

Seit 1976 tourten Bassist Toffi Mache und Schlagzeuger Marlon Klein mit den verschiedensten Jazz-, Rock- und Soulbesetzungen durch deutsche Clubs und Hallen und sorgten bei großen Festivals (z.B. Vlotho „Umsonst & Draussen“) dafür, dass Publikum und Veranstalter die Ohren spitzten. Richtig los ging es dann, als Dieter Miekautsch (Piano) und Sängerin Maria Archer, beide früher bei der Gruppe Embryo, nach einjährigem Afrikaaufenthalt zur Real Ax Band kamen. 


Mit dem Gitarristen Otto Gwiasda war die Band komplett. Die fünf entwickelten zusammen eine Los-geh-Musik, bei der kompakte Arrangements von langgezogenen Grooves abgelöst werden; zwischendurch gibt es Easy tunes, Heavy Funk zum Tanzen/Mitmachen und ein Samba/Salsa-Feeling, für das die Afrikareise der beiden neuen Mitglieder bestimmt nicht unentscheidend war.

„Nicht stehenbleiben/Move Your Ass In Time“ heißt 1977 das bei Schneeball erschienene Real Ax Band-Album, abseits von aktuellen Modeströmungen hatte die Gruppe einen Stil entwickelt, den Jazzrock-und Konzertfreunde umgehend als Real Ax Sound benannten. Die beste Reklame für ein neues Album waren damals wie heute Konzerte, viele Konzerte. Die Real Ax Band war dazu bereit und in den folgenden Monaten ununterbrochen unterwegs. Dabei trotzten sie dem damals populären New Wave/Punk-Zeitgeist und zogen ihr Ding durch. Harte Zeiten für Musikindividualisten. Spätestens als Marlon Klein 1980 zu den Gründungsmitgliedern der auch international hochgehandelten Dissidenten zählte, war es aber vorbei mit der Real Ax Band. Zu einem weiteren Studioalbum kam es nicht mehr.

Im April 1978 trat die Real Ax Band im legendären Berliner Quartier Latin (das heute wieder wie in den 20er Jahren Wintergarten heißt) auf. In dieser Berliner Location traten viel Künstler aus den Bereichen Jazz, Rock, Fusion und Blues auf. Hier machte zum Beispiel auch die Hagener Rockband Grobschnitt oft Station. Sireena Records veröffentlicht am 15.06.2018 nun einen Mitschnitt der Real Ax Band, die am 19. und 20.04.1978 in der Besetzung Maria Archer (Gesang), Dieter Miekautsch (Rhodes Piano, Backgroundgesang), Otto Gwiasda (Gitarre, Gesang), Toffi Mache (Bass, Backgroundgesang) und Marlon Klein (Schlagzeug, Perkussion) auftraten. Die Stücke sind bisher unveröffentlicht.

Geboten werden auf der CD fünf Stücke mit Laufzeiten von gut neun Minuten und mehr (darunter allein drei Stücke mit mehr als gut 13 Minuten Spielzeit), was den ausufernden Jamfaktor der Band deutlich macht. Das mit 1:11 Minuten kurze Titelstück, das das Album beschließt ist dann aber nur noch ein Outro, das ausgefaded wird. Den Track hätte man auch gut etwas länger laufen lassen können.

Die Stücke durchziehen lange Soli und ein stilistischer Mix aus Rock, Jazz, Funk und Blues, der in einer sehr ansprechenden rhythmischen Melange mündet. Das zeigt sich schon im eröffnenden, 10:44minütigen „You Really Shouldn’t Act Like That“. Man kann förmlich hören, wie viel Spaß es damals Band und Besuchern gemacht hat, die Gigs zu verfolgen. Das macht es umso bedauerlicher, dass die Real Ax Band nicht die Resonanz bekam, die sie verdient hatte.

Rhythmisch und melodisch geht das Quintett bei seinem Auftritt vor und würzt die Stücke mit herrlichen, ausufernden Instrumentalparts und Soli. Das sie auch eine gehörige Portion Humor an den Tag legten zeigt ein Songtitel wie „Dreitag der Freizehnte“.

Das Digipack enthält ein 16seitiges Booklet in dem sich neben zahlreichen Fotos der Band auch ein Artikel von Thomas Müller befindet, der in der Mai-Ausgabe des Musikexpress im Jahr 1978 erschienen ist und die Geschichte der Band umreißt. Dieser ist sowohl in deutscher wie auch in englischer Sprache abgedruckt. Klangtechnisch ist die Aufnahme sehr gelungen produziert, klingt sie doch teilweise recht fett und transparent.

Der Livemittschnitt „Just Vibrations“ von der deutschen Jazzrockformation Real Ax Band ist ein wahres Zeitdokument. Leider hat es die Formation damals nicht geschafft den Durchbruch zu erreichen und so ist sie an vielen Musikfreunden vorbeigegangen. Anno 2018 kann man sich – dank Sireena Records - aber von der Qualität dieser Band überzeugen. Ein klasse Album, das ich sehr empfehlen kann.

Stephan Schelle, Juni 2018

   

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