Polytoxicomane Philharmonie – Go Ape

Polytoxicomane Philharmonie – Go Ape
Nasoni Records (2010)
(8 Stücke, 92:49 Minuten Spielzeit)

Als ich im Februar Post vom Nasoni Records-Label bzw. der Band bekam, dachte ich zunächst, es handele sich um einen Werbeprospekt, denn dem DIN-A 4-Umschlag entnahm ich ein längliches (fast DIN A-4 großes) zehnseitiges Hochglanz-Heft. Mit den Affen und dem braunen Balken, den ich zunächst für eine Cola-Flasche hielt, machte das Deckblatt ebenfalls einen sehr werbemäßigen Eindruck. In dieser tollen, ungewöhnlichen Verpackung befanden sich aber zwei CDs der unaussprechlichen und fast unschreibbaren Band Polytoxicomane Philharmonie.

Bei dieser Band, deren aktuelles Doppelalbum „Go Ape“ heißt, handelt es sich um ein Quintett aus Frankfurt am Main. Die fünf Musiker bieten auf ihrem dritten Longplayer psychedelischen Rock, der mit jazzartigen Elementen verfeinert wurde. Vor allem das Saxophon bringt diesen jazzigen Touch in die Musik von Polytoxicomane Philharmonie. Label und Band bezeichnen die Musik als Freakout Krautjazz.


Dieser Ausdruck klingt recht verschroben und schräg, so ist die Musik aber bei weitem nicht, denn trotz aller Jazzelemente und zappaesken Momente, geht die Band, deren Mitglieder sich alle Pseudonyme vergeben haben, die meiste Zeit harmonisch vor.

Harmonische Melodielinien wechseln sich mit psychedelischen Breaks und sägenden Gitarren ab. Mal klingt die Musik nach Hippie-Zeitalter, dann schälen sich recht zappaeske Passagen hervor (vor allem auch dann, wenn Geräusche und Stimmen in den Track eingebaut werden). Aber auch proggige Momente, wie in „Fine Animal Gorilla“ kommen zum Vorschein. In diesem Stück sind fast Ohrwurmartige Passagen zu finden. Ein tolles Stück.

Ungewöhnlich sind auch die psychedelischen Ansätze, die mit Bläsersätzen oder Saxophon unterlegt sind. Während der Gesang oftmals sehr eingängig und harmonisch ist, wirkt der von Schlagzeuger Emir Of Quaver mit recht hoher Stimme gesungene Part in „Open Letter To Albert H.“ etwas eigenartig. Durch unterschiedliche Stimmen und Spracheinlagen hat der psychedelische Track aber etwas von einer Erzählung. Vor allem die Gitarren und die elektronischen Effekte weisen diesen psychedelischen Touch auf.

Die einzelnen Stücke sind alle sehr abwechslungsreich, da die Strukturen innerhalb jedes Tracks wechseln und man sich sie nie richtig auf einer Passage ausruhen kann, denn schon im nächsten Moment kommt ein Break in das Stück und die Musik ändert Richtung oder Struktur. So kommt beispielsweise plötzlich ein Ska-Rhythmus aus dem Soundgemisch, um im nächsten Augenblick wieder proggige, sägende Gitarren zu liefern. Diese Wendungen machen die CD aber auch ungemein spannend. Neben Sängerin Fish (ja hier hat sich die Gute den gleichen Künstlernamen wie der Ex-Marillion-Sänger gegeben) glänzen ihre vier männlichen Kollegen an den Instrumenten durch unzählige Soli, die oftmals recht improvisiert wirken.

Aus dem Rahmen fällt das Stück „Etude # 27“, das wie eine experimentelle Klangkollage wirkt. In diesem Track ist von Harmonie nichts zu spüren, das wirkt auf mich eher wie ein riesiges, allerdings strukturiertes Durcheinander. Da es mit 4:43 Minuten das kürzeste Stück des Albums ist, kann man das aber auch gut verschmerzen.

Die DoppelCD ist mit ihrer Verpackung ein Gesamtkunstwerk. Da ich ein Musikfreund bin, der nichts von Musikdownloads hält, weil mir auch die Verpackung eines Albums wichtig ist, liegen Polytoxicomane Philharmonie ganz auf meiner Wellenlänge. Auch musikalisch können sie durch die in den meisten Fällen harmonischen Strukturen und ständigen Breaks voll überzeugen. Ein faszinierendes Album, das ich ohne die Zusendung der Band wohl nie entdeckt hätte.

Stephan Schelle, Februar 2010

   

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