Phil Collins – Vace Value
Phil Collins - Both Sides
Warner Music Entertainment (1981 / 2016)
Warner Music Entertainment (1993 / 2016)
(24 Stücke, 108:57 Minuten Spielzeit
21 Stücke, 128:19 Minuten Spielzeit)

Phil Collins muss man nicht mehr vorstellen, hat er doch sowohl mit Genesis sowie Solo Musikgeschichte geschrieben. Mit Verkaufszahlen von weit über 100 Millionen und mehreren Alben, die weltweit die Nummer-1-Positionen erreichten, gehört die Karriere von Phil Collins zu den außergewöhnlichen Erfolgsgeschichten.

Der ursprünglich für den 06. November 2015 geplante Startschuss zur Reihe der remasterten Soloalben, die unter dem Titel „Take A Look At Me Now“ laufen sollte, musste aufgrund einer Operation von Phil Collins verschoben werden. Der Grund war recht einfach, wollte Collins doch bei der Promotion der Alben persönlich mitwirken. Er selbst sagte dazu: "Ich bin selbst sehr enttäuscht, die Veröffentlichungen verschieben zu müssen, aber ich freue mich darauf, den Release im neuen Jahr zu begleiten, wenn ich mich wieder bewegen kann.” Jetzt ist es soweit und die ersten beiden Platten seines acht Alben umfassenden Solorepertoires erscheinen am 29.01.2016.

Phil Collins kuratiert die Reihe selbst und stellte persönlich das Repertoire der Editionen zusammen. Seine Idee für das Konzept von "Take A Look At Me Now" besteht darin zu untersuchen, wie sich die Songs über die Jahre hinweg weiterentwickelt haben. Daher konzentrierte er sich bei der Zusammenstellung des zusätzlichen Materials vor allem auf Live-Versionen der jeweiligen Album-Songs. Indem er den Originalen der Studioversionen das Material aus späteren Performances gegenüberstellte, zeigt die Serie, wie die Songs im Laufe der Jahre ein Eigenleben entwickelten, sobald sie die gepflegte Enge des Studios verlassen hatten. Aber auch einige sorgsam ausgesuchte Demos und B-Seiten werden auf den Extended Versions der Alben zu finden sein.

Alle Alben der Serie werden von Nick Davis gemastert, der für seine Arbeit am Box-Set Genesis '1970-1975‘ bereits mit einer Grammy-Nominierung belohnt wurde. Davis hatte seinerzeit an der gesamten Genesis-Retrospektive gearbeitet. Und auch bei den Solowerken von Phil Collins hat er ganze Arbeit geleistet, denn man hat das Gefühl, als würde man direkt zwischen den Musikern der Band und Phil Collins stehen.

Als erstes kommen sein Debütalbum „Vace Value“ das damals in der Musikbranche kräftig einschlug sowie sein fünftes Album „Both Sides“ in remasterter Form heraus. Beide Alben erscheinen in verschiedenen Formaten (DoppelCD, 2xVinyl, CD-Box-Set, Vinyl-Box-Set, Digitaler Download). Mir lagen zur Besprechung die DoppelCD-Versionen vor. Diese sind jeweils in einem sechsseitigen Digipack gehüllt und werden mit einem 16seitigen Booklet, das ausgefaltet werden kann, ausgeliefert. In den Booklets sind die Songtexte, neue Fotos von Phil Collins (die Fotos sind aktuell entstanden und den Originalen nachempfunden) sowie Linernotes von Collins persönlich enthalten.

Auf der jeweils ersten CD sind die Originalalben in neuem Remastering enthalten. Darüber hinaus ist jeder Veröffentlichung noch eine zweite CD beigefügt, auf der sich Bonusstücke befinden. Der Hauptteil der Stücke stammt von bisher unveröffentlichten Konzertmitschnitten (leider ist in den Booklets nicht erkennbar aus welchen Jahren/Auftritten die Aufnahmen stammen), aus denen man sehr schön erkennen kann, wie sich die Songs im Laufe der Zeit entwickelt haben. Auch einige Demo-Versionen von Albumtracks wurden noch hinzugefügt.

Das Debütalbum „Face Value“, das Collins kurz nach seinem 30. Geburtstag veröffentlichte, stürmte 1981 in zahlreichen Ländern die Top-Plätze der Albumcharts, was vor allem auch dem Smash-Hit „In The Air Tonight“ geschuldet war, der auch bis heute nichts von seiner Faszination verloren hat. Das neue Mastering ist perfekt gelungen und sorgt bei dem Opener „In The Air Tonight“ gleich für einen hohen Gänsehautfaktor. Das haut einen genau so weg, wie es anno 1981 der Fall war, nur mit mehr Dynamik im Sound. Auch der Klang der anderen Stücke überzeugt auf ganzer Linie. Neben dem alles überstrahlenden „In The Air Tonight“ warf das Album damals aber noch mit „Behind The Lines“, „I Missed Again“ und „If Leaving Me Is Easy“ weitere veritable Hits ab. Phil Collins verband auf dem Album einige proggige Elemente seiner Stammband Genesis mit wundervollen Balladen, Soul- und Popmusik.

Die zweite CD hält sieben Livestücke, darunter den Genesis-Song „Misunderstanding“ vom Album „Duke“, bereit. Der Genesissong wurde von Phil komponiert, als er schon an der Entstehung seines Debütalbums gearbeitet hatte. Aus diesem Grund passt der Song auch sehr gut ins Gesamtkonzept. Neben den Livesongs gibt es auch noch fünf Demostücke zu entdecken, darunter eine Version von „Against All Odds“ (Titelsong aus dem gleichnamigen Film).

Live arbeitete Collins unter anderem mit Bläsern wie in „Misunderstanding“ zu hören ist. Und „In The Air Tonight“ bekam in der Liveversion ein längeres Intro sowie eine verfremdete Gesangsstimme. Auch ist in Stücken wie „Behind The Lines“ zu erkennen, mit welcher Energie und Spielfreude Collins auf der Bühne agierte. Der Song „Hand In Hand“ wird live gar auf fast zehn Minuten ausgeweitet. Die Zuschauerreaktionen sorgen dabei für Gänsehaut. Man hat das Gefühl direkt beim Konzert dabei zu sein.

Das 1993 erstmals veröffentlichte fünfte Album von Phil Collins hieß „Both Sides“ und belegte Platz 1 der Albumcharts. Das von Collins im Alleingang eingespielte Werk wurde mit 6fachem Platin gekürt und hatte ebenfalls einige Hits zu bieten, darunter das erfolgreiche „Both Sides Of A Story“. Auch aus diesem Album hat Nick Davis wieder erstaunliches herausgeholt.

Dieses Album wird ebenfalls mit einer zweiten CD in der Deluxe Edition mit zahlreichen Bonusstücken ausgeliefert. Sechs der zehn Bonusstücke sind bisher unveröffentlicht. Neben den beiden Non-Album-Stücken „Take Me With You“ (B-Seite von „We Wait And We Wonder“) und „I’ve Been Trying“ (erschien 1994 auf dem Tribute Album „A Tribute to Curtis Mayfield“) sind fünf Liveversionen sowie zwei Demoversionen und eine Unpluggedversion von Albumtracks enthalten. Auch hier zeigt sich sehr schön, dass Collins die Songs im Laufe der Zeit weiterentwickelt hat und teilweise wesentlich rockiger und rauer live gespielt hat.

„Face Value“ gehört in dieser remasterten Version in jede Rock- und Popsammlung. Es ist Phil Collins und Nick Davis gelungen aus diesem Meilenstein noch mehr herauszuholen. Auch „Both Sides“ ist ein tolles Album, kommt aber nicht an sein Debüt heran. Aber in der neuen Fassung erstrahlt auch dieses in neuem Glanz.

Stephan Schelle, Januar 2016