Pendragon - Pure

Pendragon - Pure
Toff Records www.pendragon.mu (2008)
(5 Stücke, 53:06 Minuten Spielzeit)

Mit ihrem Vorgänger „Believe“ hatten die britischen Progger um Nick Barrett ein, wie ich finde, sensationelles Album veröffentlicht, das neue Stilelemente in die Musik von Pendragon brachte, ohne den typischen Sound der Band zu vernachlässigen. Seit dem sind drei Jahre vergangen und mit Scott Higham ist ein neuer Schlagzeuger an Bord gekommen, der mit seiner Art die Felle zu bearbeiten, mehr Druck in den Sound bringt. Das war besonders gut bei den gerade absolvierten Livekonzerten zu sehen, macht sich aber auch bei „Pure“ bemerkbar.


Die CD ist als normale und als Special-Edition erhältlich. Mir liegt letztere Version vor, die neben der CD noch eine 90minütige DVD enthält, auf der mit Handycam (ist qualitativ aber sehr gut gemacht) eine Dokumentation der CD-Produktion gefilmt wurde.

Fünf Stücke präsentiert das Quartett bestehend aus Nick Barrett (Gesang, Gitarren, Keyboardprogrammierung), Peter Gee (Bass), Clive Nolan (Keyboards und Backgroundgesang) und Scott Higham (Schlagzeug, Backgroundgesang), darunter das mehr als 17minütige, dreiteilige „Comatose“. Gestartet wird aber mit dem fast 14minütigen „Indigo“, einer hinreißenden Nummer, die zeigt, dass Pendragon ihren auf „Believe“ begonnenen Stil konsequent weiterverfolgen.

Nick startet mit einem Gitarrenintro, das dem auf „Believe“ sehr nahe kommt. Dazu hat er wieder einige Samples, wie hier das Hundegebell, das z. B. An Pink Floyds „Animals“ erinnert, an den Anfang gestellt. Dann öffnet Clive mit seinen Keyboardsounds weite Soundflächen, um direkt in den rockigen Part von „Indigo“ überzuleiten. Dieser Track hat schon alles, was man sich von einem aktuellen Pendragonsong wünscht. Eine Mischung aus Neo-Prog, Klassik-Rock und harten Gitarrenriffs. Und das Ganze verabreichen uns die Briten mit sehr eingängigen und unter die Haut gehenden Melodien. Auch die Abwechslung durch herrliche Soli sowie Wechsel in der Melodie- und Rhythmusstruktur sprechen für diesen Song. Gänsehaut garantiert.

„Eraserhead“ heißt Song Nummer zwei, der es richtig in sich hat. Zunächst hören wir eine Synthielinie, die eine gewisse Nähe zum Tastenspiel von Tony Banks (Genesis) aufweist. Sobald Nick’s Gesang einsetzt, ändert sich aber der Stil und man ist wieder sofort im Pendragon-Kosmos gefangen. Sehr gut gefällt mir auch der an einigen Stellen etwas lang gezogene Gesang, der ungewöhnlich klingt, aus der Nummer aber etwas Besonderes macht. Dann kommt die Solopassage, die von Nick’s Gitarre und einigen Samples bestimmt ist, die wieder sofort unter die Haut geht. Hier setzt zum ersten Mal Scotts Schlagzeugspiel sehr akzentuiert ein. Diese Passagen zeigen, trotz des sehr verhaltenen Spiels von Scott, welche Kraft in ihnen steckt.

Das dreigeteilte „Comatose“ ist als nächstes an der Reihe. Es besteht aus den Parts „View From The Seashore“, „Space Cadet“ und „Home And Dry“. „View From The Seashore“ besticht wieder durch herrliche, harmonische Melodienlinien, die sich sofort unter die Haut graben. Nach wenigen Minuten wird diese Harmonie aber jäh von Scott’s Drums unterbrochen, der hier ein Schlagzeugstakkato auf den Hörer loslässt. Nick unterstützt mit seiner E-Gitarre diese kurzen härteren Passagen. An einigen Stellen erinnert mich das auch an die Gitarrenarbeit von Brian May (Queen). Und im weiteren Verlauf des Stückes nehmen der Gesang und die Keyboards Ansätze von den Beatles oder Klaatu auf. Und zum Ende hin verzieren Pendragon den Song noch mit an ELO erinnernde Streichersounds. „Space Cadet“ steht in der Tradition des Vorgängeralbums und würzt es noch durch psychedelische Klangmalereien, während bei „Home And Dry“ zunächst eine etwas synthetische Atmosphäre verbreitet wird, nach der sich wieder eine sehr sehnsuchtsvolle Stimmung anschließt.

Mit dem viereinhalbminütigen „The Freak Show“ kommt für mich das Highlight des Albums, da es durch seinen eingehenden Refrain besticht und ich mich dabei erwische, wie ich es im Auto zigmal hintereinander abspiele, um mit Nick zusammen lauthals in den Gesang einzusteigen. Mit harten Riffs startet dieser Song und man wähnt sich zunächst in einem Metalsong, doch sehr schnell ändert sich die Atmosphäre, wenn die Keyboards zusammen mit Nick’s E-Gitarre eine absolut Gänsehaut erzeugende Melodie spielen. Wow, was für ein Hammerteil, da stimmt für mich einfach alles. Mein Tipp: Das Stück sollte die Band als Single auskoppeln.

Mit dem sehr ruhigen Stück „It’s Only Me“, das sich sanft in den Gehörgang einschmeichelt, endet dieses tolle Album. Zu Beginn erklingt eine Mundharmonikapassage, die stark an Supertramp angelehnt ist. Nach einigen Minuten kommt darüber hinaus eine Atmosphäre auf, die durch Sound, Effekte, Samples und Melodie an RPWL’s „Hole In The Sky“ erinnert.

Mit „Pure“ haben sie noch mal einen drauf gelegt und toppen damit das letzte Album. Nick & Co. haben ihren Stil verfeinert und wohldosiert Anleihen an verschiedene Rockgrößen in ihren Stücken platziert. Lief „Believe“ schon nach Erscheinen im meinem Player heiß, so erleidet das neue Album „Pure“ das gleiche Schicksal. Mit diesem Album katapultieren sie sich an die Spitze der Prog-Szene, da sie es geschafft haben, ihren Sound zu modernisieren, ohne ihre Seele aufzugeben. Erhältlich ist die Scheibe vorrangig über die obige Bandseite oder bei ihren Konzerten. Aber auch im spezialisierten Versandhandel ist es zu bekommen. Ein tolles Album, das für mich einen Pflichtkauf darstellt, daher von mir die Aufforderung das Album zu kaufen (nicht zu kopieren), dies sichert die Zukunft derartiger, qualitativ hochwertiger Musik.

Stephan Schelle, Oktober 2008

   

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