Paul Carrack – A Different Hat

Paul Carrack – A Different Hat
India Records / Rough Trade (2010)
(12 Stücke, 47:22 Minuten Spielzeit)

Paul Carrack dürfte den meisten Musikfreunden durch seine Beteiligung an der Band Mike And The Mechanics, bei dem er als Sänger unter anderem neben Mike Rutherford agierte. Aber Paul hat wesentlich mehr zu bieten, kann er doch auf eine Anzahl von Soloalben zurückblicken. Mitte November 2010 geht er nun völlig neue Wege, denn er hat das Album „A Different Hat“ zusammen mit dem Royal Philharmonic Orchestra aufgenommen und bewegt sich damit unter anderem im Fahrwasser von Swing-Musik.


Auf dem neuen Album ist Paul Carrack kaum wieder zu erkennen, denn im Gegensatz zu seinen bisherigen Veröffentlichungen geht er wesentlich sanfter mit seiner Stimme an die Stücke heran und im Swing-Stil hat man ihn bisher auch noch nicht erlebt. Das Royal Philharmonic Orchestra verleiht den mit Samt und Seide ausgestatteten Stücken eine perfekte, wenn auch für Rock- und Popfreunde ungewöhnliche Umgebung.

„In den letzten Jahren hat Paul Carrack auf der Bühne immer mal wieder Ausflüge ins Swingfach unternommen, unter anderem mit der SWR Big Band. Ein Album mit einem ganzen Orchester aufzunehmen, zudem mit dem renommierten Royal Philharmonic Orchestra, war gleichwohl eine besondere Herausforderung. Alle klanglichen Möglichkeiten dieses Orchesters auszuloten und dennoch warm und intim zu klingen, war das erklärte Ziel – oder wie Paul es ausdrückt: „I want to draw the listener in“. Als Inspirationsquelle dienten ihm Joni Mitchells Album „Both Sides Now“ aus dem Jahre 2000 und Ray Charles’ Albumklassiker „Ingredients In A Recipe For Soul“ von 1963. Sowohl Mitchells Ansatz, ihre Songklassiker orchestral zu interpretieren, wie auch die Mischung von Balladen und Showtunes bei Ray Charles waren das, was Paul faszinierte und für sich umsetzen wollte“

Arrangiert und dirigiert wurden die einzelnen Stücke von David Cullen, der an zahlreichen Musicals von Andrew Lloyd Webber und auch schon für Disney arbeitete. Neben eigenen Stücken finden sich auch Werke von Randy Newman, Nat King Cole, Edith Piaf, Bonnie Raitt, Gerry & The Peacemakers, Peggy Lee und den Eagles in neuer Vertonung auf dem Album wieder.

Sehr orchestral, wie bei einem Musical wirkt die Eröffnung des ersten Stückes „Think It’s Going To Rain Today“, das im Original von Randy Newman stammt, hier aber einen durch Streichersätze völlig anderen Anstrich bekommt. Nostalgisch und unglaublich zart und weich klingt der Klassiker „Moon River“ von Henry Mancini aus dem Jahr 1961. Diese beiden Beispiele zeigen, in welche Richtung die Stücke dieses Albums gehen. Sie wirken auf eine Weise recht nostalgisch und doch fasziniert vor allem Paul’s weiche Stimme, die sehr einfühlsam aus den Boxen schwingt.

Wer von Paul Carrack ein Rock- bzw. Popalbum erwartet hat, der wird sicherlich enttäuscht werden, da er die Stücke für zahnlos halten könnte. Wer sich aber auf eine – vielleicht manchmal etwas weichgespülte – Form von Klassikern der 60’er Jahre, die in einer sehr orchestralen und einfühlsamen Art interpretiert werden einlassen kann, der bekommt hier besten Stoff. Auf jeden Fall erst Probehören.

Stephan Schelle, Oktober 2010

   

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