Parzival – David - The Hymn
Hypertension-Music / MIG GmbH / Zebralution Distribution (2021)

(23 Stücke, 82:42 Minuten Spielzeit)

Es ist schon außergewöhnlich, wenn eine Band nach 50 Jahren Abstinenz erstmals wieder ein Album veröffentlicht. Das trifft am 29.10.2021 auf Deutschlands Klassik-Rock-Legende Parzival zu, die seit ihrem 1973’er Album „BaRock“ im selben Jahr auseinanderfiel. Ende Oktober erscheint das dritte Werk der Band unter dem Titel „David – The Hymn“. Thomas Olivier und Walter Quintus sind die beiden verbliebenen Musiker der Bremer Stammformation, Lothar Siems verstarb bereits 2017 und erlebte die Vollendung des Albums leider nicht mehr. Allerdings stammen drei der 23 Titel noch aus der Feder des Trios Siems, Quintus, Olivier.


Die Bremer Band, die sich nach dem mittelalterlichen Gralsritter Parzival benannte, veröffentlichte 1971 ihr Debütalbum „Legend“, das von keinem Geringeren als Conny Plank produziert wurde. Ihr Klassik-Folk Rock sorgte im In- und Ausland für Furore und so zählten sie laut dem britischen „Melody Maker“ 1972 zu den „interessantesten Gruppen Europas“. Umso erstaunlicher, dass ihre Karriere bereits 1973 nach nur zwei Alben beendet wurde. Dafür melden sie sich nach fast 50 Jahren mit einem Paukenschlag zurück.

Das Konzeptalbum, das in einem sechsseitigen Digipack zwei Silberlinge enthält (eine Vinyl-Veröffentlichung ist geplant) und mit einem aufwendig gestalteten 48seitigem Booklet erscheint, bietet 23 neue Songs, die von 130 Musikerinnen und Musikern aus 23 Ländern eingespielt wurde. Das Booklet enthält neben zahlreichen Fotos Informationen zur zugrundeliegenden Geschichte, zu allen Songs sowie zur Geschichte der Band (bestückt mit alten Fotos aus den 70’ern).

Der Aufwand ist enorm, unter den Mitwirkenden finden sich prominente Künstler aus dem Umfeld von Rock-, Pop- und Klassik-Größen wie Santana, Prince, Backstreet Boys und Nigel Kennedy, Mitglieder des NDR-Elbphilharmonie Orchesters und des Festspielorchesters Bayreuth, das Deutsche Filmorchester Babelsberg sowie Trommler der National-Ensembles von der Elfenbeinküste und von Benin.

Das Konzeptalbum zeigt eine Welt, die aus den Fugen geraten ist: Demokratien wanken, Populisten schreien, Gletscher schmelzen. Millionen von Menschen - mehr als je zuvor - suchen Zuflucht, fliehen vor Kriegen und Gewalt, Armut, Hunger und Naturkatastrophen. Die rücksichtslose Ausbeutung unseres Planeten und die zerstörerische Gier nach Macht sind die treibenden Kräfte in Davids Drama. Was aber letztlich das Blatt wendet, ist die Sehnsucht der Menschen nach Solidarität, friedlicher Gemeinschaft und Liebe. Erzählt wird die Geschichte anhand des Komponisten David S. Fountain.

In der Einleitung ist zu lesen: Er hat schon bessere Tage gesehen, der Komponist David S. Fountain in der schrillen Hafenmetropole von Monetary. Ein Narzisst und Fantast, der ohne Drogen nicht schreiben und ohne Liebe nicht leben kann. Das Leben im Überfluss langweilt und ärgert den Liebling der Massen: Die Inspiration hat ihn im Stich gelassen. Sein Lebenswerk ist in Gefahr. Seine junge Geliebte, die Sängerin Cherisa, hat ihn wegen seiner vielen Affären verlassen.

Einer von Davids Bewunderern ist der skrupellose Medienmagnat Moremoney, sein Freund und Gönner. Der machtbesessene Herr von Cash Castle hat nur einen brennenden Wunsch: Er will Präsident werden. Und nichts, aber auch gar nichts wird sich ihm in den Weg stellen. Doch als die Wahlen näher rücken, werden seine Hoffnungen enttäuscht: Die Wähler lassen ihn in Scharen im Stich.

David und Moremoney schließen einen diabolischen Pakt: Es wird eine Hymne benötigt, eine majestätische Melodie, die das Volk in ihren Bann zieht und seine Herzen und Stimmen erobert. Das Werk soll Moremoneys Sieg sichern und David als Musiker unsterblich machen. Die Mächtigen, Schönen und Reichen des Landes strömen zu Moremoneys jährlichem „Maskenball der Tiere“ auf Cash Castle hoch über dem Meer. David ist als Ehrengast eingeladen.

Angesiedelt ist die Geschichte im fiktiven Monetary, einer lärmenden Postmetropole, die im Wahlkampffieber steckt. Namen wie die Stadt Monetary, des Medienmagnaten Moremoney und seines Sitzes Cash Castle machen deutlich, dass es in der Menschheit nur um Macht und Geld geht, die Großen immer mehr wollen. Und so zeigt sich die Thematik sehr aktuell.  

Musikalisch bietet das Album eine große Bandbreite, die Rock, Folk, Worldmusic und Klassik umspannt. Die 23 Stücke weisen dabei eine Spielzeit von 1:03 bis 7:05 Minuten auf und bilden ein kompaktes Album in Form einer Rockoper mit streckenweise musicalartigen Passagen.

Atmosphärisch mit Sirenen und Flächen beginnt das Album mit der „Overture/Prolog“ und einen zarten Gesang von Evelyn Beyer-Peters, gefolgt von einem leicht irischen Folktouch. Dem schließt sich der leicht proggige, akustische Song „Old Love“ an, der von Thomas Olivier gesungen wird. Auch kommen hier erste Orchesterparts auf. Sehr gut passt auch der Chor am Ende des Songs, der ihm noch mehr Volumen verleiht. Einen leicht beatlesken Touch zeigt dann „Cash Castle“.

Die zweite CD beginnt dann in den Stücken „Incantation“ und „Rain Dance“ mit afrikanischen Rhythmen, Chorgesängen und Melodien, die vom Stil auch ins Musical „König der Löwen“ gepasst hätten. Das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen dass die rockigen und auch symphonischen Songs sowie die Story in sich stimmig sind.

„David – The Hymn“ ist ein grandioses Konzeptalbum, das man so, von einer Band, die seit 1973 nicht mehr im Rampenlicht steht, nicht erwarten konnte. Klasse Songs und eine Mischung aus Rock, Folk, Worldmusic, Musical und Klassik sorgen für tolle Atmosphäre. Darüber hinaus stellt es eine große Leistung dar, 130 Musiker aus 23 Ländern in ein solches Werk einzubinden.

Stephan Schelle, Oktober 2021

   

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