Nits - Malpensa

Nits - Malpensa
Global Records / Roughtrade/GoodToGo (2012)
(11 Stücke, 45:39 Minuten Spielzeit)

Mit ihrem 25. Studioalbum „Malpensa“ nehmen Nits ganz selbstverständlich ihren verdienten Platz in der Musikgeschichte ein. Schon mit dem ersten Blick auf das Cover ihrer neuen Platte gewinnt man fast den Eindruck einer der großen niederländischen Maler habe Henk Hofstede, Robert Jan Stips und Rob Kloet in Öl auf Leinwand verewigt. „Eine Momentaufnahme. Einfach genau so, wie wir jetzt sind: unser Alter ins Gesicht geschrieben und auch nicht restauriert“, bemerkt Henk Hofstede schmunzelnd.


Maskerade hat die niederländische Band auch gar nicht nötig. Nits sind in ihrer Heimat und weit darüber hinaus eine feste Instanz in der Avantgarde- und Popmusik mit einer beeindruckenden Historie: seit 1974 machen sie unermüdlich Musik - stets kompromisslos und innovativ. Sie lieben es zu reisen, andere Kulturen, neue Horizonte und Einflüsse in sich aufzusaugen. Und genau diese Leidenschaft spiegelt sich auch auf dem neuen Album „Malpensa“, benannt nach dem Mailänder Flughafen wider.

Insgesamt ist „Malpensa“ ein Album, das viel reflektiert, hin und wieder ins Melancholische abgleitet, aber auch zurück zu den erdigen Tönen findet. Die eingängige und zugleich natürliche Stimme von Hofstede schafft in Verbindung mit dem meisterlichen Instrumentalspiel von Stips und Kloet Hochspannung. „Unsere Songs handeln von Provokation gepaart mit Kühnheit und Mut, die das Unmögliche möglich macht“, erzählt Hofstede. So bezieht sich etwa „Man On A Wire“ auf den Franzosen Philippe Petit, der im Jahr 1974 auf einem Drahtseil zwischen den Twin Towers balancierte. „Das ist auch Kunst. Es hat viel mit Idealismus zu tun und mit der Verwirklichung von Träumen“, so Hofstede. Der Song ist eine schöne locker, flockige Nummer, die schnell ins Ohr geht. Ein sanfter Popsong mit Format.

 Im Song „Bad Government And Its Effects On Town And Country“ spielen sie auf ein Wandgemälde des Malers Ambrogio Lorenzetti (Siena) an. „Es ist ein Bild aus dem 14. Jahrhundert und doch gerade jetzt relevant - durchaus vergleichbar mit der aktuellen politischen Situation der Niederlande heute“, verrät Hofsdtede.

„Zum Teil haben wir uns beim Komponieren voll auf Synthesizer und elektronische Loops eingelassen - fernab von Gitarre und Schlagzeug. Wir wollten einfach sehen wohin es uns treibt“, erklärt Hofstede. Das Resultat ist etwa „Schwebebahn“, ein Song, der mit seinem deutschen Text und dem Einsatz von „Drum-Machine“ eine Hommage an Kraftwerk darstellt. Zugleich, aber auch dem Sänger Leonard Cohen huldigt, einer der großen Einflüsse auf die Nits, den Hofstede neben bildender Kunst und Film nennt. Sicherlich ist „Schwebebahn“ recht elektronisch geraten, aber der Vergleich mit Kraftwerk ist nicht ganz angebracht, eher findet sich die Musik stilistisch im Elektropop und bei Bands wie La Düsseldorf wieder. Aber die Kombination aus elektronischem Pop und SingerSongwriter á la Leonard Cohen hat einen ganz besonderen Reiz. Und der Akzent von Henk Hofstede bei diesem auf Deutsch gesungenen Text ist ebenfalls sehr reizvoll.

Schon der erste Track „Five Fingers“ zeigt, das Nits wesentlich mehr zu bieten haben als ihren Hit „In The Dutch Mountains“, auf den man die drei nun wirklich nicht reduzieren sollte. Die drei niederländischen Musiker verstehen es sehr eindringliche Musik zu machen, die neben recht eingängigen Melodien sehr filigran gestaltet ist. In „Five Fingers“ wird eine hohe Spannungsdichte aufgebaut, die den Hörer schnell in ihren Bann zieht. Dazu wirkt das arabische Flair äußerst mystisch. Mit seiner zeitlupenartigen Form nimmt einem dann „Blue Things“ förmlich die Sinne. Gleiches gilt für „Turn - Minus Second Floor“.

„Love-Locks“ ist ein melancholischer Song der die Hohenzollernbrücke in Köln zum Thema hat. Dort bezeugen verliebte Paare seit einiger Zeit ihre Treueschwüre, in dem sie kleine Vorhängeschlösser an die Gitter hoch über dem Rhein anbringen. Der Song ist die erste Singleauskopplung des Albums.

Das neue Album der Nits ist recht elektronisch ausgefallen, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so wirkt. Hört man aber genauer hin, dann kommen die elektronischen Gerätschaften und Klänge deutlich zum Tragen. Das ist aber nicht störend, entwickelt sich der außergewöhnliche Charme, den die Musik der Nits seit Jahrzehnten verströmt, auch auf dem neuen Werk. „Malpensa“ ist ein sanftes Album mit melancholischen Momenten, das schnell gefangen nimmt.

Stephan Schelle, März 2012

   

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