Nina Hagen – Original Album Classics

Nina Hagen – Original Album Classics
Sony Music / Columbia (2012)
(31 Stücke, 123:53 Minuten Spielzeit)

Nina Hagen ist eine der schillerndsten Persönlichkeiten im deutschen Rockgeschäft. In der ehemaligen DDR geboren, hat sie vor allem durch ihre Musik, die von vielen Stilrichtungen durchzogen ist und kaum in eine Schublade gesteckt werden kann, von sich Reden gemacht. Im Februar erscheint eine drei CDs umfassende Box, in der sich drei ihrer Alben aus den 70’er und 80’er Jahren befinden.


Zu Beginn ihrer Rockkarriere (die schlagerhaften Anfänge lassen wir hier mal aus) war sie der Punkbewegung zugeneigt, was sich auch auf dem ersten, selbst betitelten Album der Nina Hagen Band zeigt. Dieses ist auch das erste Album in der Box „Original Album Classics“.

„Nina Hagen Band“ aus dem Jahr 1978 beginnt gleich mit einer Covervesion des Tubes-Klassikers „White Punks On Dope“, der bei der Hagen „TV-Glotzer“ heißt. Nina sagt in der Art einer Programmansagerin aus dem Fernsehen (war in den 70’er und 80’er Jahren in den öffentlich-rechtlichen Sendern üblich) diesen Song an. Die Musik auf dem Album ist vom Punk (zum Beispiel im Stück „Pank“) und Rock beeinflusst. Markant war allerdings vor allem Nina’s Stimme, die sie in bis dato ungehörter Art und Weise präsentierte. Allerdings agiert sie auf diesem Erstling noch nicht ganz so extravagant wie das auf späteren Werken der Fall sein wird. Nur in „Naturträne“ lässt sie arienhaft ihre Stimme vibrieren und auch das kurze „Fisch im Wasser“ fällt aus dem Rahmen. War die Musik bei Erscheinen noch ungewöhnlich und provozierend, so zeigt sich das Frühwerk heute als sehr gute Rockscheibe mit tollen Melodien, das darüber hinaus sogar einige Progressive Passagen enthält. Das Debüt war ein tolles Rockalbum, das durch Texte und Ninas Stimme (manchmal übertrieb sie es ihre Stimme in piepsige Höhen zu transformieren) zwar provokant wirkt, aber trotzdem vom Rock der unterschiedlichsten Stile beseelt ist. Besonders deutlich sticht auf diesem Frühwerk ihre herausragende Band hervor. Sie zeigt in ihrem perfekten Spiel schon stilistische Züge, die später mit Spliff verfeinert werden sollten. Recht lustig ist, dass Nina im Song „Heiss“ kurz das Wort „Spliff“ singt. Ein tolles Album, das in jede gute Deutschrocksammlung gehört.

Leider enthält die Box nicht Nina’s zweiten Longplayer „Unbehagen“, sondern macht gleich mit dem 82’er Album „NunSexMonkRock“, auf dem sie zum ersten Mal in englischer Sprache zu hören ist, weiter. Nina wirkt auf diesem Album gereifter und der Sound ist transparenter und dynamischer, als beim Debütalbum. Allerdings lebt sie auf diesem Album ihre ganze Extravaganz aus. Die Stücke sind für sich kleine Kunstwerke, in denen sie ihrer Stimme und somit auch dem Hörer alles abverlangt. Ihr unberechenbarer Gesangsstil trifft auf sehr eingängige und rhythmische Musik, aus denen dann etwas ganz Besonderes entsteht. Manchmal wirkt das schon wie von dieser Welt entrückt, oder einfach ein bisschen verrückt. Und doch hat alles einen gewissen Charme, dem man sich nicht entziehen kann. Es ist eine ganz eigene Art des Punk, da die Musik teils verschroben und durchgeknallt wirkt, so als hätte Nina die Pferde durchgehen lassen. Es ist ein wahrer Parforceritt, der auch heute nicht leicht zu konsumieren ist. Auf dem Cover sieht man Nina in Madonna-Pose und auch religiöse Anleihen/Hinweise/Provokationen finden sich auf diesem Werk. Sang Nina auf ihrem Debütalbum im Stück „Unbeschreiblich weiblich“ noch, dass sie kein Kind bekommen wolle, so zeigt sie sich auf dem Titelbild mit Baby (wahrscheinlich ihre Tochter Cosma Shiva Hagen, die 1981 geboren wurde). Auch im Song „Cosmic Shiva“ scheint eine Hommage an ihre Tochter zu sein. Dieses Lied ist recht funky. Das abschließende „UFO“ wirkt gar ambient, hypnotisch und meditativ. Diese beiden letzten Songs passen stilistisch nicht wirklich in den Punkkontext der Platte. Aber wahrscheinlich  hat Nina diese bewusst dort platziert.

Das dritte Album in der Box ist dann das im Jahr 1984 erschienene „Fearless“. Dass sich Nina Hagen vor nichts fürchtet, das drückt sie mit ihrer ganzen Persönlichkeit aus. So furchtlos, wie sie durchs Leben geht, meisterte sie auch dieses Werk gleichen Titels. Dieses Mal steht die Musik im krassen Gegensatz zu den Anfängen, denn aus der Punk-Lady ist eine Discoqueen geworden. Die Sounds sind absolut discotauglich, was bei einem Produzenten wie Giorgio Moroder aber auch nicht verwunderlich ist. Doch Nina macht auch aus den Songs mit ihren Discosounds und sterilen Rhythmusmustern, die so typisch für die 80’er sind, ein ganz besonderes Hörerlebnis. Ihre Stimme steht in krassem Gegensatz zum Sound. Am Ende hat sie mit „Zarah“, in dem sie die berühmen Textzeilen „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen“ zunächst wie im Original und dann recht technoid singt, noch eine Hommage an die große Sängerin Zarah Leander im Programm.

Leider sind die Alben nur in den Originalfassungen in der Box enthalten, so dass keinerlei Bonusstücke auf den CDs zu finden sind. Aber auch so machen die Platten Spaß und verströmen ein gewisses nostalgisches Flair.

Wem die Musiker auf dem Bild auf der Rückseite der CD-Hülle des Albums  „Nina Hagen Band“ bekannt vorkommen, dem sei gesagt, dass  Bernhard Potschka, Herwig Mitteregger, Manfred „Manne“ Praeker und Reinhold Heil, die mit ihr die ersten beiden Platten aufgenommen haben, später als Spliff die Neue Deutsche Welle mitbestimmen sollten. Wie oben schon erwähnt, zeigt das Debütalbum schon starke Züge der späteren Spliff.

Die Zusammenstellung dieser drei Alben zeigt drei unterschiedliche Gesichter der Nina Hagen. Ich für meinen Teil hätte mir zumindest noch das Album „Unbehagen“ in der Box gewünscht, so bleibt dies aber einer weiteren Box vorbehalten. Nina Hagen gehört zweifelsohne zu den wichtigen Personen im deutschen Rock- bzw. Musikbusiness, aus diesem Grund sollte man auch einige ihrer Platten in seiner Sammlung haben. Mit dieser Box ist es jedenfalls möglich zu einem günstigen Preis den Ihnalkt seines Plattenschrankes zu vervollständigen.

Stephan Schelle, Februar 2012

   

CD-Kritiken-Menue