Neal Morse – So Many Roads
 

Neal Morse – So Many Roads
insideout Music (2010)
(13 Stücke, 213:20 Minuten Spielzeit)

Neal Morse ist nicht nur durch seine Arbeit mit Spock’s Beard und Transatlantic bekannt, auch seine Soloplatten, die er seit 2003 veröffentlicht, sind im Progbereich sehr erfolgreich, auch wenn sich einige Musikfreunde an der etwas überstrapazierten religiösen Ausrichtung seiner Texte stoßen. Die musikalischen Fähigkeiten des Neal Morse stehen aber außer Zweifel. Wer mal ein Konzert von Neal besucht hat, der wird bestätigen, dass dieser Mensch voller Energie und Lebensfreude seine Musik lebt. Selten habe ich solch eine Persönlichkeit auf der Bühne gesehen.


Mitte März erscheint ein drei CDs umfassendes Set, das seine Tour durch Europa aus dem Jahr 2008 in einer Länge von dreieinhalb Stunden dokumentiert. Das Repertoire, dass Neal (Gesang, Keyboards, Gitarren) und seine aus niederländischen Musikern bestehende Begleitband, das sind Elisa Krijgsman (Gitarre, Gesang), Henk Doest (Keyboards), Wilco van Esschoten (Bass, Gitarre, Gesang), Jessica Koomen (Gesang, Keyboards, Perkussion) und Collin Leijenaar (Schlagzeug, Gesang), bei den Auftritten spielte, bestand neben Songs seiner Soloalben (mit Ausnahme von „Sola Scriptura“) auch aus Stücken von Spock’s Beard und Transatlantic.

Sehr gut gefällt mir, dass die Liveatmosphäre, die bei den Konzerten vorherrschte, gut eingefangen wurde. Man kann oft die Reaktionen des Publikums hören, was zwar den Anblick auf den Wirbelwind Neal nicht ersetzt, aber doch einen guten Eindruck hinterlässt.

Los geht es mit dem Spock’s Beard Stück „At The End Of The Day“ ihres 2000’er Albums „V“. Das jubelnde Publikum bringt sofort Liveatmosphäre in die Aufnahme und dann kommt nach einem Intro, zu dem die Band bzw. Neal wohl auf die Bühne kommt, dieses hinreißende Stück Prog zu Gehör, das in dieser fast 17minütigen Fassung nichts an Intensität und Faszination verloren hat. Die schon frenetischen Zuschauerreaktionen reißen den Hörer vor den Boxen förmlich mit.

Es folgen mit „Leviathan“ und „The Way Home“ zwei Stücke des aktuellen Studioalbums „Lifeline“, dann geht es wieder mit einer Kombination aus „Author Of Confusion“ (von „One“) und „I’m The Guy“ von Spock Beard’s „Snow“ weiter zurück in die Vergangenheit. Die beiden Stücke überzeugen, da Neal und Band heftiger als auf den neuen Stücken zu Werke gehen. Gerade wenn er mehr Power in die Songs legt, gefällt er mir besonders gut. Die Akustiknummer „The Crutch“, in der Neal ein wenig wie Neil Diamond agiert, ist mir nicht bekannt, passt aber als Atempause ganz gut in den Set. Dann kommt mit „We All Need Some Light“ vom Tansatlantic-Debüt eine absolut faszinierende Nummer, die zwar von Transatlantic druckvoller gespielt wird, aber auch in dieser Version überzeugen kann. Gänsehaut bekommt man, wenn man das Publikum den Refrain mitsingen hört. Das Titelstück von „Lifeline“ beschließt CD Nummer 1.

Die zweite CD bietet drei Stücke, darunter zwei Medley’s der Soloalben „Testimony“ und „?“, die es beide auf über eine halbe Stunde Länge bringen. Daneben vervollständigt dann noch das zwölfminütige „Help Me“ von „One“ diesen Silberling. Wer die Soloalben von Neal mag, der kommt hier voll auf seine Kosten. Blendet man wie ich die Texte aus (nicht gut englisch zu können, kann auch ein Segen sein), bekommt man hier drei Longtracks geboten, die in diesen Versionen richtig Spaß machen.

Auch die dritte Disc enthält nur drei Stücke. Das fast zehnminütige Titel gebende Stück „So Many Roads“ vom „Lifeline“-Album, das hier in 30 Minuten zelebriert wird, wird vom Spock’s Beard Klassiker „Walking On The Wind“ (vom 96’er „Beware Of Darkness“-Album) und den tollen Transatlantic-Stücken „Stranger In Your Soul“ und „Bridge Across Forever“ vom zweiten Transatlantic-Album, die hier in einem 31minütigen Track zusammengefasst wurden, eingerahmt.

Wer Neal Morse mag, der kommt bei dieser CD-Box voll auf seine Kosten. Und diejenigen, die sich erstmals mit den Werken des Musikers auseinandersetzen wollen, bekommen einen guten Überblick geboten. Für mich, der Neal und Band live 2008 erleben durfte (auf dem Night Of The Progs III-Festival auf der Loreley), ist dieser Mitschnitt ein schwelgen in Erinnerungen – auch wenn die Setlist etwas anders aussah.

Stephan Schelle, März 2010

   

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