Melanie Mau & Martin Schnella – The Rainbow Tree
Eigenproduktion / https://gray-matters.de (2023)

(14 Stücke, 77:50 Minuten Spielzeit)

Melanie Mau und Martin Schnella haben sich mit ihren Akustikinterpretationen von Progressive Rock- und Metal-Klassikern einen Namen gemacht. Ihre Umsetzung von bekannten und weniger bekannten Stücken von Rockgrößen sind einzigartig und fesseln jedes Mal. Egal ob von CD oder Live gespielt. Besonders hervorzuheben sind Melanies ausdrucksstarke Stimme und Martins grandioses Gitarrenspiel. Am 21.11.2023 ist ihr mittlerweile viertes Album mit Interpretationen von Rockklassikern unter dem Titel „The Rainbow Tree“ erschienen.


Was die Alben des Duos, zu deren Stammmusikern wieder Mathias Ruck (Gesang), Lars Lehmann (Bass, bundloser Bass) und Simon Schröder (Percussion) gehören, so besonders machen, sind nicht nur die tollen Arrangements, sondern auch die sehr abwechslungsreiche Zusammenstellung von Songs. Neben der Stammbesetzung haben an dem Album noch folgende Musiker/innen mitgewirkt: Jens Kommnick (Uilleann Pipes, Whistle, Cello, Acoustic Guitar, Bouzouki, Gesang), Rolf Wagels (Bodhrán), Dave Meros (Bass), Rachel Flowers (Flöte, Gesang) und Dennis Atlas (Gesang).

Die CD kommt in einem sechsseitigen Digipak daher. Die Special Edition enthält darüber hinaus noch 11 Bonustracks mit Alternativversionen zum Download.

Auch auf „The Rainbow Tree“ haben Melanie Mau und Martin Schnella wieder einen bunten Strauß von unterschiedlichen Rocksongs zusammengestellt. Da treffen Songs von Rockveteranen wie Gentle Giant, Kansas, Uriah Heep, Rush und Iron Maiden auf Bands der jüngeren Generation wie Leprous, Neal Morse Band oder auch Opeth. Und auch ihre Leidenschaft zu keltischen Klängen bringen sie mit einem Song von Clannad zum Ausdruck.

Gestartet wird das Album mit einem 5:17minütigen Medley aus dem Gentle Giant-Album „Free Hand“. Die Interpretation des Gentle Giant-Medleys bekommt durch den Einsatz von Flöte und Perkussion einen leicht keltisch/mittelalterlichen Touch. Nach 1:50 Minuten setzen sie dann mit einem mindestens dreistimmigen Satzgesang ein. Das ist ähnlich intensiv wie in ihrem eigenen Song „ Wholeheartedly“ und besitzt einen hohen Schwierigkeitsgrad. Da kann man nur den Hut vor ziehen.

Da die Umsetzung von Rocksongs in Akustikversionen vor Jahren mit einem Stück von Kansas begann, darf auf dem neuen Album natürlich auch eine Interpretation der amerikanischen Band nicht fehlen. Dieses Mal haben sie sich „Song For America“ vom gleichnamigen 1975’er Album vorgenommen. Durch ihre Auftritte beim ProgStock Festival in New Jersey in den Jahren 2019 und 2022 wuchs die Zusammenarbeit mit anderen Musikern der internationalen Progressive Rock Szene. So entstand die Idee, gemeinsam mit Rachel Flowers, Dave Meros (Spock’s Beard, Pattern Seeking Animals) und Dennis Atlas (Pattern Seeking Animals) eine akustische Version des Kansas-Klassikers „Song For America“ aufzunehmen. Sie bieten eine außergewöhnliche, 9:28minütige Version dieses Rockklassikers bei dem auch wieder Simon Schröder eine herausragende Perkussionarbeit abliefert. Und die Stimmen von Melanie, Martin, Dennis und Rachel verbinden sich perfekt mit Perkussion, Violine, Flöte, Bass und dem grandiosen Gitarrenspiel. Da kann sich schon mal eine Gänsehaut bilden.

Nach zwei Rocknummern kommt nun mit dem 4:48minütigen „Something Happened On The Way To Heaven“ ein Popsong von Phil Collins. Der Song stammt vom 89’er Album „... But Seriosly“ und bekommt durch die Akustikinstrumente ein ganz neues, intensives Flair. Perkussion und Akustikgitarre scheinen hier umeinander zu tanzen. Uriah Heeps „Rainbow Demon“ vom „Demons And Wizards“-Album gehört zu meinen musikalischen Wurzeln, war es doch eines der ersten Alben, die ich mir Anfang der 70’er Jahre zugelegt habe. Melanie und Martin starten den Song in einer eher keltischen Art und spielen ihn wesentlich langsamer als im Original, was ihm eine ganz andere Stimmung verleiht. Ab Minute 1:43 kommen dann druckvolle Perkussion und Gitarrenlicks auf, die dann in einen mehrstimmigen Gesangspart übergehen.

Nacht ganz so einfach wie „Rainbow Demon“, das sich für eine akustische Variante anbietet, ist die Umsetzung von Leprous „Alleviate“, das im Original durch elektronische Sounds bestimmt wird. Melanie und Martin machen sich den Song aber Eigen und entschlacken ihn von dem Bombast, so dass er in ihrer Interpretation in den ersten Minuten kaum wieder zu erkennen ist. Das liegt auch an dem anderen Gesangsansatz, dem die Exzentrik von Einar Solberg entzogen wurde. Ob das den eingefleischten Leprous-Fans gefallen wird ist fraglich. Mir jedenfalls gefällt es, wenn man sich nicht strickt an der Vorlage abarbeitet.

Von Peter Gabriels Song „Secret World“ haben sie dann eine sehr intime, siebenminütige Version eingespielt. Das Stück entwickelt sich aber immer mehr bis es dann in einen ekstatischen Part mündet. Bei der Warm Up Party zum 2023’er Night Of The Prog konnten sie schon mit einer Version dieses Songs beim Publikum punkten. Es ist unglaublich was sie dann in dem Porcupine Tree-Triple „Blackest Eyes / The Sound Of Muzak / Halo“ für ein Feuerwerk an Rhythmik aus Perkussion und Gitarre abfeuern, das sich mit herrlichem Satzgesang verbindet. Da ist eine sechsminütige Gänsehaut nicht zu verhindern.

Auf dem regulären Album folgen noch weitere Stücke von Massive Attack, Neal Morse Band, Rush, Iron Maiden, Nightwish, Opeth und Clanned, bei denen sie den hohen Qualitätsstandard locker halten.

Melanie Mau und Martin Schnella versüßen uns zusammen mit ihren Mitmusiker/innen die kalte Jahreszeit in dem sie wieder grandiose Stücke ausgegraben haben, die sie in ihrer ganz eigenen Art und Weise in ein akustisches Gewand gekleidet haben. Ein ums andere Mal bekommen die Stücke dabei ein keltisches, folkiges bzw. leicht mittelalterliches Flair. Sie schaffen es die Songs so zu interpretieren, als wenn sie genau hierfür gemacht wären.

Stephan Schelle, November 2023

   

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