LÜÜL & Band - Wanderjahre
Mig-music / SPV (2015)

(14 Stücke, 52:37 Minuten Spielzeit)

Der Berliner Musiker Lutz Graf-Ulbrich, genannt LÜÜL (Agitation Free, Ashra, Nico, 17 Hippies), wurde anlässlich des 25. Jahrestages des Berliner Mauerfalls nach Pau geladen. Die Veranstalter wollten eine Berliner Band zu diesem Ereignis haben, um den denkwürdigen Tag zu feiern. Für LÜÜL war das ein willkommener Anlass, einen Song über seine Heimatstadt zu schreiben, was ihm schon lange ein Bedürfnis war. So entstand der Song „West-Berlin“, mit dem das neueste Album von LÜÜL & Band beginnt.


Am 19.06.2015 erscheint das neueste Werk von LÜÜL bei mig-music. Es trägt den Namen „Wanderjahre“. LÜÜL selbst sagt über seine Mitstreiter und die Entstehung des Albums: Seit über zehn Jahren halten mir Kerstin Kaernbach (Geige, singende Säge, u.a.) und Kruisko (Akkordeon) als Begleit¬musiker die Treue, dazu jetzt auch Daniel Cordes (Kontrabass), seit nunmehr drei Jahren. Wir touren als Lüül & Band durch Clubs in Deutschland, wenn wir nicht gerade mit den 17 Hippies die Bühnen dieser Welt bereisen. Dabei sind wir inzwischen so gut eingespielt, dass es mal an der Zeit war, diese Band ganz natürlich und ohne Schnickschnack aufzunehmen, so wie das Publikum uns kennt und liebt.

Mit Andreas Albrecht haben wir dazu einen kompetenten Produzenten gewinnen können, einen Meister dieser unverfälschten Herangehensweise. Durch ihn wurde ich auch dazu inspiriert, die CD mal nicht im Studio einzuspielen, sondern für ein paar Tage gemeinsam auf dem Land in Klausur zu gehen, um dort ungestört schaffen zu können. Bei meinem alten Freund Felix Groos, der sich südlich von Berlin in Schlenzer, Fläming ein ehemaliges LPG-Haus gekauft hat, fanden wir die passende Location dafür. In nur vier Tagen nahmen wir dort die gesamten Playbacks auf. Nur den Gesang, einige Geigen-Parts und ein paar zusätzliche Gitarren-Overdubs sind in Berlin hinzugekommen. Auf diese Weise ist alles rein und pur, so wie die Band eben klingt. Deshalb ist dieses Album eben auch kein Lüül-Album, sondern eins von LÜÜL & Band!

Es fiel LÜÜL nicht leicht den Song über Berlin zu schreiben, erst als er sich auf den Westteil der Stadt konzentrierte, überfluteten ihn seine Erinnerungen. Jetzt fiel es ihm schwer nicht alle Eindrücke in einen Song zu pressen. Entstanden ist eine nostalgische Liebeserklärung an seine Stadt, die wie eine Zeitreise die Geschichte Berlins erzählt. Verpackt ist der Song in ein herrliches, mitreißendes Folkgewand. Stimmlich kommt LÜÜL dabei in die Nähe von Rio Reiser, obwohl er seine ganz eigene Gesangsart hat.

In diesem Singer/Songwriter-Stil sind dann auch die anderen Songs gehalten. Aufgrund der Tatsache, dass die Stücke nicht im Studio entstanden sind und die Basics in nur vier Tagen aufgenommen wurden, entstand ein sehr intimes Album voller herrlicher Songs, die gefangen nehmen. Mal verarbeitet LÜÜL, wie in „Draußen“, vier schöne Jahre in denen er außerhalb Berlins in Dallgow-Döberitz wohnte, dann wiederum hat er ein Gedicht von Erich Kästner, das ihm schon lange im Kopf herumschwirrte, in dem Song „Kleines Solo“ vertont.

Den Popsong „Maria“ hat LÜÜL bereits 1982 geschrieben. Er ist ursprünglich auf seinem Album „und ich“ veröffentlicht worden. Für „Wanderjahre“ hat er den Song, der ihn nie losgelassen hat und den er oft bei seinen Konzerten Solo als Zugabe spielte, für die Band neu arrangiert. Auch seinen NDW-Hit „Morgens in der U-Bahn“ hat er in ein akustisches Gewand gepackt. Beide Songs passen ganz hervorragend in das Album.

Den Text zu „Samarra“ hat LÜÜL bereits 1979 in New York in einer Zeitung als Epigraph von W Somerset Maugham zu John O’Haras’ Roman „Appointment in Samarra“ entdeckt. Der Text geht auf eine alte babylonische Anekdote zurück. In diesem Song geht es um das Thema Tod. „Das Lied vom einsamen Mädchen“, das schon von Hildegard Knef gesungen wurde, stellt in dieser Version eine Hommage an Nico dar. LÜÜL & Band haben den Song in seiner spröden Fassung belassen. Mit „In der Nachbarschaft“ hat LÜÜL dann noch eine deutsche Fassung eines Tom Waits-Songs auf dem Album, dessen Text von Manfred Maurenbrecher übersetzt wurde.

Die Erstauflage des Albums, das im Digipack und mit einem 24seitigen Booklet ausgeliefert wird, enthält darüber hinaus mit „Telefon“ einen Bonustrack, den es in dieser Form schon gibt, da er auf der „Ahoi“-CD erschienen ist. Lediglich ein veränderter Chor und ein neues Bass-Solo wurden dem Stück spendiert.

LÜÜL & Band haben mit „Wanderjahre“ ein sehr schönes Singer/Songwriter-Album eingespielt, das eine intime Ausstrahlung entfaltet. Wer die Songs der 17Hippies oder auch von Rio Reiser mag, der wird dieses Album lieben. Hohe Empfehlungsstufe!!!

Stephan Schelle, Juni 2015

   

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