Loving The Sun – The Other Side Of The World
 

Loving The Sun – The Other Side Of The World
Tribal Stomp / Shack Media (2008)
(12 Stücke, 65:46 Minuten Spielzeit)

Der meteorologische Sommer ist gerade gegangen und die ersten Herbsttage verkünden eine etwas kühle Stimmung, da begegnet mir das Musikprojekt Loving The Sun erstmalig. Stimmt denke ich mir, ich liebe die Sonne auch, also wird mich auf der CD wohl relaxte Laid Back-Musik erwarten. Ich lese mir also zunächst den Pressetext durch, und erfahre, dass das Fundament von Loving The Sun aus dem Multiinstrumentalisten Joe Weninghoff und der Sängerin Christina Pollmann besteht. Joe dürfte den geneigten Rockkennern durch seine Arbeit im Kölner Neo-Krautrock-Projekt Zeitloop bereits über den Weg gelaufen sein, bei dem er in die Basssaiten griff.


Das aus dem Münsterland stammende Projekt besteht bereits seit dem Jahr 2005. „The Other Side Of The World“ ist nach „Dreaming Of More“ und „Colourful“ das mittlerweile dritte Album des Duos Weninghoff / Pollmann, das bei dieser Produktion durch den Backgroundgesang von Andrea Heukamp komplettiert wird. Darüber hinaus spielt Argh One (wer immer das auch sein mag) bei drei Stücken Flöte und Johannes Schneider sorgt zu dem noch für einige Drumloops. Joe zeichnet für die Einspielung der restlichen Instrumente, darunter Bass, Keyboards, Drumloops und Gitarren, verantwortlich.

Ich lege die CD in den Player und sofort beginnt „Save That All“, das erste von einem Dutzend Liedern, die mit Laufzeiten zwischen 3:59 und 7:04 Minuten recht radiotaugliche Ausmaße haben. Dieser Song irritiert mich etwas, denn Loving The Sun präsentieren eine Musik, die aus einer eigenartigen Mischung von Pop, Psychedelic, Elektronik, Ambient und Rock besteht und in einer sehr langsamen und ruhigen Form dargeboten wird.

Meine Irritation beim Hören des ersten Stückes liegt darin begründet, das der Gesang, der mir irgendwie aus dem Progbereich bekannt vorkommt (ich komm aber einfach drauf, woher ich die kenne) und diese Art von Country-Rhythmus und Ashragitarre eine seltsame Mischung darstellt. Auch wirkt Christinas Gesang nicht immer harmonisch, was aber gewollt zu sein scheint. Dieser erste Eindruck täuscht aber, denn im weiteren Verlauf dieser CD ist es genau diese Mischung, die, je länger man der Musik zuhört, eine Faszination entwickelt, die ich nicht erklären kann. Schon das folgende „Moonshine Of My Life“ strahlt diese Faszination aus, weil hier die Grundstimmung noch harmonischer auf den Hörer einwirkt.

Spätestens ab „Switch Off Your TV“ ist man Loving The Sun verfallen. Der Song bietet ruhigen, sanften Rock, der aus den frühen 70’ern ins Hier und Jetzt gebeamt zu sein scheint. Je länger man diesen Song hört, desto mehr entfaltet er sich. Die oberflächlich betrachtete Einfachheit des Songs entpuppt sich vielmehr als Stück mit vielen Nuancen. Sehr gut gefällt mir hier auch der Backgroundgesang von Andrea, der zusammen mit Christina wie ein Dialog oder Echo aufgebaut ist. Und damit der Song nicht zu glatt rüberkommt, wird auch Christinas Gesang an einigen stellen wieder etwas disharmonisch angelegt. Dies findet sich im Übrigen an so mnachen Stellen des Albums wieder und sorgt für einige Ecken und Kanten in der ansonsten recht sauberen Produktion.

Im Titelstück kommt dann erstmals die Flöte mit ins Spiel. Zunächst gibt es aber durch den retromäßigen Synthiesound psychedelische Klänge, wie sie zum Ende der 60’er genutzt wurden (The Doors etc. lassen grüßen). Im zweiten Teil des Stückes sorgen dann die Querflöte und die Perkussion für organische Atmosphäre, die einen Kontrast zu den Synthies darstellen. Im Rhythmus einer Dampflok (aber immer noch gemächlich) schreiten Joe und Christina dann mit „Time“ durch die Zeit. Unterlegt werden der Drumloop und  Cristinas Gesang durch herrliche Synthieflächen und Melodiebögen sowie dezent eingesetzte sägende Gitarren.

Ich könnte jetzt so weiter schreiben, doch ich möchte an dieser Stelle nur sagen, dass die Atmosphäre, die das Album verbreitet sehr dicht ist. Sobald man sich an den ungewöhnlichen Aufbau der Stücke und die Kombination von Stimme und Instrumentierung gewöhnt hat, kann man sich der Produktion nicht mehr entziehen.

Loving The Sun ist alles andere als Laid Back oder Easy Listening, aber die Musik der Münsteraner ist auch nicht düster oder melancholisch, sie ist vielmehr intelligent und faszinierend gemacht. Der geneigte Musikfreund sollte sich dem Album in Ruhe widmen, um es auf sich wirken zu lassen. Ein kurzes hineinhören ist hier nicht förderlich. Ein tolles Album, in das man unbedingt reinhören sollte (aber bitte mit der nötigen Muße).

Stephan Schelle, September 2008

   

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