Level pi - Entrance
Garden Of Delights (2006)

Krautrock-Fan Uwe Cremer liefert mit seinem im Alleingang produzierten Erstling ein erstaunliches Meisterstück ab. Man hört ihm an, dass er Psychedelic, Space- und Krautrock ganz tief inhaliert hat. Die großen ins Spiel gebrachten Namen haben hier ihre volle Berechtigung. Pink Floyd schimmert an allen Ecken und Enden aus der Musik. Tangerine Dreams Atmosphären aus ihren 70er-Virgin-Jahren schauen über die Schulter. Eloys Keyboardklänge scheinen im einen oder anderen Track versteckt zu sein. Und doch ist es eindeutig ein eigenständiges Gebräu, was ich hier serviert bekomme.

„No Cello“ z.B. hat es sofort auf einen Platz meiner derzeitigen Top 10 geschafft. Meeresbrandung und „Marching Drum“ versetzen mich in eine verheißungsvoll gespannte Stimmung, und das Stück löst das vollends ein. Unterlegt mit einem unterschwellig treibenden Blubbern, verursacht es mir eine Gänsehaut nach der anderen. Dazu gibt mir dann die wunderschön gefühlvoll eingesetzte E-Gitarre den Rest. Ich bin schon mal begeistert.
 

 
 

„King Arthur’s Mantra“ nennt sich eine sanft bedrohliche Klangcollage aus Percussioneffekten und an- und abschwellenden elektronischen Klängen, welche mir gleich die nächste Gänsehaut am Körper verschafft. Mir scheint der Herr hat die richtigen Frequenzen ausgepackt, um meine Psyche zu stimulieren.

Das zweiteilige Stück zum Hubble-Teleskop ist dann perfekter Space-Sound. Zum dritten Mal gibt’s hier Klänge, die meine Härchen auf der Haut erfreuen. Die Stimme, welche im Hintergrund undeutlich zu vernehmen ist und über die Entstehung des Universums erzählt, plus die Flächensounds ergeben ideale Musik für meine Science-Fiction-Phantasien.

Stück 5 ist zu Beginn dann das erste Mal so was wie krautig. Zu Regengeräuschen spielt Uwe Cremer die Akustikgitarre und singt das einzige Mal auf dem Album. Das erinnert dann so sehr an ähnliches aus der goldenen Kraut-Ära, dass ich hin und weg bin, und geht auch noch nahtlos in einen floydigen Teil über. Danach wird’s rockiger, und hier fällt das Album das erste und einzige Mal für mich ab. Nicht wegen der schön rockenden einfallsreichen Gitarre, hier stören mich die programmierten Drums. Zu solcher Art Rock brauchen die Trommeln den Bums, und der kommt nicht aus der Dose. Ansonsten finde ich übrigens das Schlagzeug auf der gesamten CD absolut passend. Es ist so gut in den Gesamtsound integriert, dass es wirklich in keinster Weise störend auffällt, wie es sonst oft bei Produktionen dieser Art der Fall ist.

Zurück zu „Bad weather“: Der rockende Teil mit den nicht so passenden Drums dauert nicht sehr lange, bevor das Stück mit einer weiteren Klangcollage ausklingt und mittels eines elektronischen Pulses (bei dem ich an Doktor McCoys Krankenstation auf der alten Enterprise denken muss) in das dreiteilige Titelstück überleitet.

Auch dieses strotzt vor Atmosphären. Zum Puls gibt es mich frösteln lassenden Wind und nach 2 Minuten eine flötenartige Melodie. Dieser freiere erste Teil leitet in den zweiten über, der wieder mit Rhythmus glänzt. Nochmals zur Electro-Percussion: Im Gegensatz zu Schulze (den ich sehr mag, bei dessen Rhythmen ich aber immer überdeutlich höre, dass sie eben nicht auf einem Instrument gespielt werden) hat Uwe Cremer das hier sehr geschickt und geschmackvoll gelöst. Auch hier beim zweiten Teil von „Level-Pi“ hat er es in der Art eines richtigen Schlagzeugs programmiert und gibt damit diesem spacigen Stück den Rock-Touch. Hier kommen mir massiv die Eloy-Assoziationen, was eindeutig an den verwendeten Synthiesounds liegt.

Mr. Level Pi’s feinfühlige Gitarrenarbeit auf der gesamten CD sagt mir auch um ganze Längen mehr zu als das andere Elektronik/Rock Ein-Mann-Projekt Maxxess, bei dem doch viel deutlicher hardrock-riffig agiert wird und damit nicht gut bei mir ankommt.

Ein Fazit fällt mir hier sehr leicht. Die beste elektronische CD, die ich seit langer Zeit gehört habe. Als ob ich es mir hätte aussuchen können, hat Uwe Cremer mir hier das Beste von vielen meiner alten Lieblingen draufgepackt und das alles auch noch absolut geschmackssicher. Die durchgängig hochatmosphärischen Stücke strahlen Ästhetik aus und zeigen, wie viel Seele elektronische Musik doch haben kann.

Wer sich inspirieren lässt von einer Zeit, „als Pink Floyd noch Musik geschrieben haben“, liegt bei mir sowieso vollkommen richtig. Dazu kommt: Herr Cremer muss niemandem ein so fades, modernes, wie überflüssiges Motto „höher, schneller, weiter“ präsentieren, sondern kennt das Geheimnis der Reduzierung.

Jürgen Gallitz-Duckar, 2006

Außer der Tatsache, dass mir in den letzten Wochen doch einige sehr gute CDs mit elektronischer Musik untergekommen sind, kann ich der Rezension von Jürgen nichts weiter hinzufügen.

Stephan Schelle, Oktober 2006

 
   

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