Lebowski - Cinematic

Lebowski - Cinematic
Eigenvertrieb / www.lebowski.pl (2010)
(10 Stücke, 66:45 Minuten Spielzeit)

Da flattert mir dieser Tage eine Scheibe der polnischen Progressive Rockband Lebowski mit dem Titel „Cinematic“ ins Haus. Lebowski in Verbindung mit Cinema, was fällt mir da sofort ein? Richtig der Hollywood-Streifen „The Big Lebowski“ mit Jeff Bridges. Also handelt es sich hier um Filmmusik? Nicht wirklich, allerdings kann das polnische Quartett seine Liebe zu Kinofilmen nicht ganz unterdrücken, denn die Stücke haben schon Soundtrack artige Züge und in ihnen tauchen darüber hinaus so manche Textpassagen aus Filmen auf, darunter auch Stanley Kubrick’s „2001, Odyssee im Weltraum“.


Das ich die CD erst jetzt bespreche liegt einfach daran, dass ich sie, obwohl schon in 2010 erschienen, erst jetzt in die Hand und vor die Ohren bekomme.

„Cinematic“ ist das Debüt von Lebowski alias Marcin Grzegorczyk (Gitarren), Marcin Luczaj (Synthesizer), Marek Żak (Bass) und Krzysztof Pakuła (Schlagzeug). Daneben wirkt Katarzyna Dziubak (Stimme, Violine) bei den Stücken „137 Sec“ und „Old British Spy Movie“ mit. Lebowski selbst sagen zu dem Album, das es die Musik zu einem nicht existenten Film sei.

Wie schon obern erwähnt tauchen Texte aus sechs verschiedenen Filmen in den einzelnen Stücken auf. Außer „2001, Odyssee im Weltraum“ sind allerdings nur die polnischen Titel im Booklet angegeben und auch die Texte werden in polnischer Sprache wiedergegeben. Das ist etwas ungewöhnlich, da sie aber nur sporadisch in die Musik eingeflochten werden, lässt sich das aber gut verkraften.

Zehn Stücke mit Laufzeiten zwischen 5:11 und 7:58 Minuten finden sich auf der CD. Mit dem Stück „Trip To Doha“ beginnt die Reise in die cinematische Welt von Lebowski. Zunächst klingt das Stück ethnisch, da das Quartett arabische Klänge einbaut, doch nach wenigen Momenten entwickelt sich das Stück zu einem atmosphärischen Progtrack, so wie man ihn auch von anderen Bands aus Polen (z. B. sanftere Riverside) her kennt. Sehr gut gefallen mir in diesem Stück die Gitarrenparts.

Im zweiten Stück „137 Sec.“ benutzen Lebowski neben Xylophon-Sounds ein Instrument, das laut Booklet „Hammered Dulcimer“ genannt wird. Hier handelt es sich um eine Art Hackbrett, das dem Track eine Worldmusic-Komponente verleiht. Auch Katarzyna’s Gesangsstimme hat etwas von wehklagendem orientalischem und später arienhaftem Gesang. Dies steht im starken Kontrast zu den folgenden Keyboardpassagen, die etwas experimentell und auch eine Spur in Richtung Manfred Mann gehen. Dadurch verströmt dieser Track aber eine eigenartige Faszination.

Eine sehr einschmeichelnde Melodie wird im Titelstück von rockigen Gitarrenriffs begleitet. Die Gitarre ist aber dezent in den Hintergrund gemischt, so dass sie nicht aufdringlich wirkt. Dieser Track hat eine Menge von elektronischer Musik mit ethnischen Elementen, sollte also auch der Fraktion der Elektronikfreunde munden. Überhaupt werden die Grenzen zwischen den einzelnen Musikrichtungen von Lebowski ein ums andere Mal überschritten.

„Old British Spy Movie“ beginnt zunächst mit einem Pianomotiv sehr klassisch. Danach wird es allerdings etwas seicht, wenn die anderen Instrumente mit einsteigen. Durch das Piano und Katarzyna’s Violinenspiel sowie den Trompeten-Sounds entwickelt sich ein romantisches Stück, das durch die Breaks und ethnischen Sounds so grade an der Belanglosigkeit entlangschrammt. Das ist aber auch schon der einzige Schwachpunkt auf dem Album.

„Iceland“ ist ein atmosphärischer Prog-Titel, bei dem man dahinschweben kann. Erinnert mich eine Spur an z. B. Andreas Vollenweider. „Encore“ ist eine sehr spannende Mischung aus Prog und klassisch angehauchter Soundtrack (die abgehackten Keyboardsounds erinnern dabei auch an The Art Of Noise). Das Akkordeon bringt zudem eine französische Note in den Titel. Eine Spieluhr startet in den Track „Aperitif For Breakfast (O.M.R.J.)“. Schnell entwickelt sich das Stück dann aber in eine Midtemponummer, deren Struktur sich im Verlauf ändert.

„Spiritual Machine“ ist ein hypnotischer Track mit einem gefangen nehmenden Rhythmus (flirrende Synthies) im ersten Teil des Stückes. Hier wechseln aber auch Struktur, Melodie und Rhythmus, sodass ein sehr abwechslungsreicher Track geboten wird. Das gefällt mir sehr gut.

Sehr atmosphärisch mit einem Dialog zwischen Piano und E-Gitarre, die dezent von Schlagzeug und Flächen unterlegt sind, zeigt sich „The Storyteller (Svensson)“. Im späteren Verlauf dominiert das Piano. Wieder so ein klasse Stück zum Abheben. Im letzten Viertel kommt dann gar eine Art Hammondorgel ins Spiel und versetzt dem Track noch eine nostalgische Note um danach von futuristischen Synthiesounds abgelöst zu werden.

Der Anfang vom abschließenden „Human Error“ ist recht experimentell, danach wird es sogar eine Spur jazzig. Das hält nur kurz an und der Track wird wieder proggig und melodiös mit einem treibenden Bass und Schlagwerk. Sehr gelungen ist auch der Abschluss des Stückes, in dem man das Ende einer Filmspule hört, wie sie aus dem Projektor gezogen wird, so wie im Kino, wenn der Film zu Ende ist.

Mit „Cinematic“ ist Lebowski ein tolles Debüt gelungen, das wie Kopfkino pur wirkt. Ich kann nur hoffen, dass die Polen noch viele Soundtracks für nicht existente Filme erstellen, denn das können sie wirklich gut.

Stephan Schelle, August 2011

   

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