Lars Fredrik Frøislie – Fire Fortellinger
Karisma Records (2023)

(4 Stücke, 46:55 Minuten Spielzeit)

Lars Frederik Frøislie kennen die Prog-Freunde als Sänger und Keyboarder der norwegischen Band Wobbler. Am 02.06.2023 erscheint sein erstes Soloalbum unter dem Titel „Fire Fortellinger“. Die Stücke, bei denen zwei etwas mehr als sechs Minuten lang sind sowie zwei weitere mit etwas mehr als 16 Minuten aufwarten, wurden von Lars Frederik Frøislie während der Pandemie hauptsächlich alleine eingespielt. Sie sind in der Tradition des 70er Jahre Prog-Rock gehalten.


Lars Frederik Frøislie singt die Stücke in seiner norwegischen Heimatsprache. Wäre die Pandemie nicht gewesen, wäre ein Großteil des Materials wahrscheinlich auf einem neuen Wobbler-Album gelandet - dann aber durch die Wobbler-Mühle und mit englischen Texten. Mit anderen Worten, dies ist ungeschält und roh, so spontan wie möglich, ohne zu viele Bearbeitungsrunden zu durchlaufen. Wir versuchen, das Impulsive zu bewahren - vieles von dem, was man hört, ist improvisiert und One-Takes (vorzugsweise mit Spielfehlern und Klaviersaiten, die reißen und dergleichen). Ich versuche, den menschlichen Aspekt weitgehend zu bewahren und vermeide Click-Tracks, Auto-Tune, MIDI oder zu viel Technologie. Erwarten Sie viele alte analoge Keyboards wie Cembalo, Mellotron, MiniMoog, Yamaha CP70 und Hammond-Orgel.

Das Album beginnt mit dem 16:57minütigen Longtrack „Rytter av dommedag“, der teils hymnisch wirkt. Das Stück dreht sich um Ragnarök, wenn König Rakne in seinem großen Grabhügel außerhalb von Romerike erwacht und zusammen mit den alten Göttern richtiges Unheil anrichtet. Herrliche Orgel- und Keyboardsoli treffen auf 70’er Jahre Rock. Das ist stimmig und man fühlt sich sofort zu Hause, wenn man mit der Musik der 70’er aufgewachsen ist. Allerdings muss man sich an die norwegische Sprache etwas gewöhnen, dann aber entfaltet der Song seine ganze Strahlkraft.

Das zweite Lied „Et sted under himmelhvelvet“ ist verträumt und spielt möglicherweise in einem Renaissance-Garten in der Nähe von Florenz oder Arkadien. Aber im Prinzip kann es überall sein, wo es sich gut anfühlt. Es geht zum Teil darum, an einen Ort zu reisen und das Gefühl zu haben, schon einmal dort gewesen zu sein - nur um herauszufinden, dass man Vorfahren hatte, die vor langer Zeit dort lebten. Der 6:54minütige Song beginnt mit Cembaloiklängen und einer Querflöte. Das hat etwas mittelalterliches. Wenn dann Lars Frederik mit dem Gesang einsetzt und Mellotronklänge hinzukommen, dann kommt symphonischer 70’er Jahre Rock auf. Sehr schön auch das fette Basssolo im Mittelteil, das an Chris Squires polyphones Spiel erinnert. Und auch das Keyboardsolo erinnert an Wakeman zu Yes-Zeiten. Ein klasse Song.

Das dritte Lied „Jærtegn“ beginnt mit einem Pferdewagen, der durch den Wald rast. Der Wagen kippt zur gleichen Zeit um, als es eine Sonnenfinsternis gibt, und die Reiter werden zu ewigen Wanderern im dunklen Wald, die für uns nur ab und zu wie Nordlichter sichtbar sind, während sie vergeblich ihre Arme nach der Sonne ausstrecken, in der Hoffnung, den Weg nach Hause zu finden. Die Orgel zu Beginn des Stückes klingt nach Jon Lord und führt in einen ersten druckvollen Part, der nach nicht ganz zwei Minuten aber in einen sphärisch, symphonisch, mittelalterlichen Part (wieder kommen Cembaloklänge auf) wechselt. Nach gut dreieinhalb Minuten wechselt es dann wieder in einen symphonischen Rockpart.

Das Album endet mit dem 16:38minütigen Longtrack „Naturens Katedral“. Es beginnt dann auch mit recht sakralen Orgelklängen, wechselt aber nach wenigen Momenten in einen schweren Rockpart, der aber nach einigen Momenten in einen besinnlichen Part übergeht. Das Stück ist von weiteren Breaks und Stilwechseln geprägt. Das Lied ist eine Beschreibung der norwegischen Berge im Winter, wo die Kälte bitter ist und Schneestürme und Lawinen herrschen. Es ist auch eine Suche nach vergangenen Zeiten, als das Leben draußen in der Wildnis noch einfacher war. Und diese winterliche Schwere hat Lars Frederik Frøislie gut eingefangen.

Mit „Fire Fortellinger“ ist dem norwegischen Sänger/Musiker ein klasse Album im Stil des 70er Jahre Prog-Rock gelungen, das aber in keinem Moment angestaubt klingt. Ganz im Gegenteil. Eine absolute Empfehlung.

Stephan Schelle, Mai 2023

   

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