Islo Mob – Wir sind das Abendland

Islo Mob – Wir sind das Abendland
Sireena Records (1985 / 2009)
(16 Stücke, 54:02 Minuten Spielzeit)

Im Jahr 1985, zur Hochphase der Neuen Deutschen Welle und des Synthiepop nahmen die beiden Künstler Moishe Moser (aka Wolf von Landau) und Horst Siewert (alias Blank Fontana) das Album „Wir sind das Abendland“ auf. Wolf, der Texter und Maler und Blank, Komponist und Studiobetreiber wählten für ihr Projekt, bei dem sie weitere Musiker wie Peter Hammill (van der Graaf Generator), John Ellis (Strangelers), Larry Elam, Jane Comerford (Texas Lightning) und Udo Dahmen mit ins Boot holten, den Namen Islo Mob.


Das Album ist eine bunte Mischung aus Synthiepop, Progrock, schräge Sounds und NDW versetzt mit lyrischen Texten, die in deutscher und englischer Sprache dargeboten werden. Kleine prosaische Zwischenspiele, in denen kurze Gedichte vorgetragen werden, vervollständigen das Werk, das den Zeitgeist der 80’er atmet. Aber auch heute im neuen Jahrtausend klingt das Werk höchst spannend, da es klanglich auf aktuellem Stand reproduziert wurde.

Mit einer Art Rumbarhythmus, einer recht einfachen Melodie und Instrumentierung startet das Album mit dem Stück „Me And Paul Getty“. Dieser Song versprüht eine eigenartig skurrile und nostalgische Atmosphäre, strahlt aber gleichzeitig eine faszinierende Stimmung aus, ähnlich dem Stück „Kaffe & Kuchen“, das bereits auf der Compilation „45 Years Of Perry Rhodan“ im Jahr 2006 erschienen ist. Aber hier wird schon deutlich, dass Wolf von Landau’s Stärke nicht der Gesang ist, vielmehr trägt er seine Texte mehr in Form eines Sprachgesangs vor, der etwas gelangweilt klingt, was aber an der Tonlage von Wolf liegt. Zur damaligen Zeit war das sicherlich ein gutes Stilmittel, heute klingt es aber etwas antiquiert und skurril.

„Deutsche träumen“ ist klar im Stil des NDW/Electropop der 80’er gehalten. Eine Nummer die gut nach vorn abgeht. Obwohl der Song recht flockig/leicht klingt, beschäftigt er sich doch mit einem ernsten Thema, nämlich der Gedankenlosigkeit der Menschen, in dem er aufzeigt, dass sich die Deutschen lieber um ihren Urlaub, als um den sterbenden Wald (damals war das Thema sauerer Regen in aller Munde) kümmern.

„Kaffe & Kuchen“ ist ein hypnotischer Song, der in den 80’ern auch als Single ausgekoppelt wurde, was man durchaus verstehen kann, denn der Song geht wirklich gut ins Ohr. „Love Will Find You“ ist von der Instrumentierung ebenfalls sehr schön gemacht, kommt aber mit einem etwas bleiernem Gesang daher. Proggiger / Symphonicrock-artiger ist da der nächste Titel „Badlands“ angelegt. Wie ein Theaterstück wirkt „Großes Haus“, das vom Stil an Tauchen Prokopetz erinnert. In „Mango Madness“ kommt neben Pop auch Funk und Weltmusik (letzteres durch den weiblichen Chorgesang) mit ins Spiel und im Mittelteil schleicht sich auch noch eine Spur Jazz ein.

 „Islo Boy“ gehört für mich neben „Kaffe & Kuchen“ zu den besten Songs des Albums. Dieser stetige, gemächliche Rhythmus und der hier sehr passende Gesang nimmt sofort gefangen. „Chemie, Chemie, nie wieder Frieden“ zeigt wie bei „Wenn Deutsche träumen“ eine recht lustige, verspielte Melodie, die in krassem Gegensatz zur textlichen Thematik steht. Das Titelstück beschließt dann den Reigen der Originaltitel des Albums mit recht rockigen Rhythmen.

Sireena hat dem Album noch drei Bonustitel spendiert, von denen „Aufstand im Schlaraffenland“ die B-Seite des Single „Kaffe & Kuchen“ war. Ein sehr schönes balladeskes Stück. „Naked Short Selling Mix“ ist eine hypnotisierende, tanzbare Version von „Kaffe & Kuchen“, die Blank Fontana neu gemixt hat, sich damit aber nicht weit vom Original entfernte. Und mit „Butterkeksmix“ ist ein weiterer Remix des Stückes von DJ Ewige Jugend dabei, der mir noch besser gefällt, da er nicht so sehr am Original orientiert ist, sondern einen elektronischeren, technokratischen Ansatz wählt, der eine Ähnlichkeit zu Kraftwerk aufweist.

Mit „Wir sind das Abendland“ von Islo Mob hat Sireena Records wieder mal eine Perle aus der NDW bzw. des deutschen Electropop der 80’er gehoben, die nicht jedem bekannt sein dürfte. Ich kannte das Album bisher jedenfalls nicht. Mit sehr viel Liebe zum Detail ist man wieder ans Werk gegangen und bringt diese Wiederveröffentlichung im Digipack mit 12seitigem Booklet, das alle Texte und Linernotes beinhaltet, heraus. Das Album verbreitet vor allem durch die stellenweise skurrilen Ansätze eine gewisse Faszination aus. Und allein der „Butterkeksmix“ lohnt meines Erachtens schon die Anschaffung des Albums.

Stephan Schelle, Mai 2009

   

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