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ICU
– Now And Here In den 1990'er Jahren war die deutsche Neo-Progressive Rockband ICU (gesprochen wie das englische: „I see you“) zwar recht bekannt, ist aber an mir total vorbei gegangen. Aufmerksam wurde ich erstmals im Jahr 2023 auf die Band, als ihr damaliger Gitarrist Thomas Glönkler sein drittes Soloalbum „Tiefenland“ veröffentlichte und ich mehr über ihn erfahren wollte. |
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Durch einen glücklichen
Zufall wurde ein DAT mit dem Originalmix, der als verschollen galt, wieder
gefunden. Thomas Glönkler hat das Album mit diesem Mix am 17.10.2025 neu
auf CD herausgebracht. Die CD erscheint in einem vierseitigen Digipak mit
einem ausfaltbaren, 16seitigen Booklet. Darüber hinaus ist im Innenteil
des Digipak noch ein Download-Code beigefügt, mit dem man umfangreiches
Material erhält (zwei komplette Livemitschnitte des Albums von 1995, den
1995 veröffentlichten Mix, 64 Minuten weitere Liveaufnahmen, Demos, Raritäten,
Bildergalerie, Videofootage von den Aufnahmesessions des Albums aus
November 1994). Aufgenommen wurde das
Album in der Besetzung Eva-Maria Baumann (Flöte, Backgroundgesang),
Hartwig Dieterich (Bass), Thomas Glönkler (Gitarre), Ralf Großmann
(Gesang, Rhythmusgitarre), Steffen Herrmann (Keyboards) und Joachim Lauber
(Schlagzeug). Die
Geschichte hinter dem neuen Mix: November 1994: Der Original-Mix von
„Now and Here“, den Toningenieur Angelo d'Angelico und die Band für
die Veröffentlichung vorbereitet hatten, wurde nach heftigen internen
Streitigkeiten verworfen. Stattdessen wurde in aller Eile ein alternativer
Mix des Albums erstellt, der Anfang 1995 veröffentlicht wurde. Schnell
wurde jedoch klar, dass die veröffentlichte Version von „Now and
Here“ das Album nicht optimal wiedergab. Lange Zeit glaubte die Band,
der Originalmix sei verloren. Es existierte nur noch eine Kopie auf einer
Audiokassette, die jedoch von minderer Qualität und unvollständig war.
Die originale digitale Kopie (DAT) war nicht mehr auffindbar und galt als
verschollen. Dieses DAT tauchte unter glücklichen Umständen im Sommer
2024 wieder auf und war erstaunlicher-weise vollständig abspielbar. Pünktlich
zum 30-jährigen Jubiläum gelang es nun, den Originalmix im Studio zu überarbeiten
und neu zu mastern. Er bietet einen anderen Ansatz und ist in vielerlei
Hinsicht klanglich reicher und atmosphärischer als der Mix von 1995. Nach
30 Jahren erscheint das Album nun endlich in der von der Band ursprünglich
vorgesehenen Fassung. Sieben Stücke, die
unter anderem in zwei bis drei Parts unterteilt sind, ergeben insgesamt
ein Dutzend Stücke auf dem Album. Es beginnt mit „One Life“, das in
drei Parts unterteilt ist. Der erste Part, „Spirit Of Nature“, beginnt
mit aus dem Off kommenden Keyboardsounds. Dann setzen Gitarrenklänge ein
und nach einer Minute kommt noch eine Flöte hinzu, was schon recht
proggig wirkt und an 70're-Jahre-Bands erinnert, wie zum Beispiel Genesis
& Co. Ein lieblicher und sehr melodiöser Beginn. Nach zweieinhalb
Minuten startet Ralf Großmann seinen Gesangspart, der angenehm ins Ohr
geht. Im letzten Drittel wird es dann gar hymnisch/symphonisch. Nahtlos geht es in den
zweiten Part „The Spirit Of Man“ über. Hier erinnert die Band an
britische Neo-Prog-Acts. Spieluhr ähnliche Klänge gleiten nahtlos in den
dritten Part „Magic Eyes“ über. Ein zunächst sanfter Song, der in
der Mitte dann aber fast explodiert. Hier rockt die Band richtig ab. Mit Orgelklängen geht
es dann im Song „Another Life“ weiter. Das hat auch ein gewisses 70'er
Jahre-Flair. Nach anderthalb Minuten ändert sich das Bild und es wird
rockig. Eva-Maria Baumann bringt hier neben Ralf Großmann auch einige
Gesangsparts hinzu, was ganz gut passt. In diesem Longplayer von mehr als
elf Minuten kommt neben Prog vor allem auch melodischer Rock der 70'er
Jahre mit ins Spiel. Auch erinnern einige Passagen an Bands wie Marillion. Sanfte Gitarren und flächige
Keyboardsounds eröffnen das Stück „The Same Old Way“, das mit einer
sehr schönen Flötenmelodie eine idyllische Atmosphäre heraufbeschwört
und sich zu einer herrlichen Ballade entwickelt. „Two Step Ahead Of Time“ ist in zwei Parts
unterteilt. Es
beginnt mit dem anderthalbminütigen Instrumental „F.M. 1916“ und geht
mit „Dolphin's Ride“, das mit einem markanten Bassmotiv startet,
weiter. Der Song zeigt sich als dynamischer Neo-Progsong, bei dem Ralf Großmanns
Stimme teilweise verfremdet wurde und in den Hintergrund gemischt ist. Das
ist gut gemachter, zeitloser Neo-Prog. Auch „A Pair Of
Hands“ beginnt mit markanten Basslicks in die sich Keyboardklänge
mischen. Nach einigen Momenten nimmt das Stück an Dynamik und Fahrt auf
und es entwickelt sich ein weiterer herrlicher Neo-Progsong. „Challenge Of The
Unknown“ ist in drei Parts unterteilt und beginnt mit „In The Dark“
recht mysteriös/sphärisch. Es dauert fast zwei Minuten bis sich dann
eine Melodielinie herauskristallisiert und wenige Momente später ein an
Marillion erinnernder Sound manifestiert. Die Band spielt hier mit der
Dynamik und wechselt zwischen ruhigen und druckvollen Parts. Und auch
einige Klänge im zweiten Part „Greater Unknown“ erinnern ein wenig an
Marillion & Co., haben aber mehr Drive und Dynamik. Den dritten Part,
das instrumentale „Now And Here“, eröffnet erneut der Bass. Aber
schon nach wenigen Momenten kommt ein großes Soundvolumen auf, das sich
dann mit sanften, proggigen Parts abwechselt. Einfach nur schön. Mit dem
herrlichen „In Every Stranger's Eyes“ endet das Album dann. Das Stück
wandelt ebenfalls zwischen atmosphärischen und rockig/dynamischen Parts.
Zum Ende hin kommen noch Klänge auf, die an Walgesänge erinnern. Die Wiederveröffentlichung
von „Here And Now“ der deutschen Neo-Prog-Band ICU ist ein wahrer Glücksfall.
Obwohl die Band damals in einigen Kreisen schon bekannt war, ist sie
trotzdem ziemlich unter dem Radar geflogen. Jetzt kann man endlich dieses
hervorragende Album, das sich nicht vor größeren Namen der Szene
verstecken muss, endlich in bestem Soundgewand genießen. Ich bin mir
sicher, dass viele Progfans diese Band für sich (wieder-)entdecken
werden. Und das umfangreiche Bonusmaterial, das per Download zur Verfügung
gestellt wird, ist zudem unschlagbar. Absolute Empfehlung. Stephan Schelle, November 2025 |
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