Herzparasit - Gifttherapie
Echozone / Soulfood (2014)
(13 Stücke, 52:39 Minuten Spielzeit)

Aus dem deutschen Duo Herzparasit ist ein Trio geworden. Neben Ric-Q (Gesang) und El Toro (Gitarre, Samples) gehört nun auch Mr. SM (Schlagzeug) zur Band. Live ist dann auch noch Ray Hermann am Bass zu sehen und zu hören. Nach dem Debütalbum „Fromme Lämmer“ aus dem Jahr 2011 legten sie im April 2014 das zweite Album nach, das den Namen „Gifttherapie“ trägt.


Auch auf dem Zweitling herrscht eine Mischung aus Metal, Rock, Gothic und Industrial vor. „Gifttherapie“, eine Wortzusammenstellung die nicht nur ambivalent ist, sondern auch Fragen aufwerfen lässt. Die „Herz-Industrial-Metaller“ aus München sind zurück und ihre Mission, alle Erdlinge zu „vergiften“ geht in die nächste Runde. Das „Vergiften“ steht sinngemäß als Metapher für Verführung, Versuchung, Bindung an eine Sache und emotionales Festsaugen. Die Angst vor Trennung, vor Veränderung, vor Einsamkeit oder vor Schmerz spielte eine große Rolle bei den Songs. Die Stimmung auf „Gifttherapie“ ist eher nachdenklich, selbst/sozial/gesellschaftskritisch, tiefsinnig und melancholisch.

Thematisch und textlich wird mit dem neuen Album ein besonderer Denkanstoß gegeben, den, das wir Menschen uns, mehr oder weniger sinnbildlich, selber vergiften bzw. vergiften lassen mit Gedanken, Emotionen, äußeren Einwirkungen, Nahrung oder Konsum. Wir Menschen lassen es zu, dass man uns innerlich „verunreinigt“ und nehmen unbewusst oder bewusst „Gift“ in verschiedenen Formen in uns auf. Soweit der Pressetext.

13 Songs, die auch einen gewissen Humor nicht verleugnen können, hat das Trio auf das Album gepackt und ihnen Namen wie „Unser täglich Gift“, „Kartenhaus“, „Trümmerfeld“, „Giftgrünschnabel“, „Giftspende“ oder „Schmerz ist geil Vol. 2“ (einer Fortsetzung vom Song des Debütalbums) gegeben.

Das Album beginnt mit dem recht kurzen „Kammerjäger“, das wie ein Gothic lastiges Intro bzw. eine Ouvertüre wirkt und auf das Album einstimmt. Richtig los geht es mit dem Song „Unser täglich Gift“, bei dem der Anfangsrhythmus wie aus einer alten Rhythmusmaschine (so etwas hatte man damals bei einer Hammondorgel) wirkt. Schnell ändert sich aber das Bild und industrielle Klänge und Rhythmen kommen auf. Nach weiteren Momenten werden harte Gitarrenriffs angeschlagen und schon bewegen sich Herzparasit im musikalischen Umfeld von Bands wie Rammstein. „Kartenhaus“ beginnt mit recht sakralen Tönen, die aber schnell wieder harten Riffs weichen müssen. Auch wenn der Härtegrad recht hoch ist, so dominieren doch die Melodien, die bei Herzparasit das Salz in der Suppe sind. Ric-Q’s Gesang wirkt bei diesem Stück, als würde er eine Geschichte erzählen, denn er passt seine Stimme an und man hat das Gefühl als wären mehrere Sänger am Werk.

Electro/Indiustrial kommt dann deutlicher im Song „Trümmerfeld“ auf, das nach einigen Momenten wieder harte Riffs der Marke Rammstein aufweist. Die Songs sind bis auf einige Ausnahmen recht hart angelegt., Eine dieser Ausnahmen ist „Was dein Herz verspricht“, bei dem sich Herzparasit die Sängerin Jenna Jacob ans Mikro geholt haben, die dem Song eine weitere Komponente verleiht. Ein toller Song. „Brutstätte“ ist sehr elektronisch und verbreitet eine ganz eigene Stimmung.

Wie eine Moritat wirkt „Schmerz ist geil Vol. 2“ (eine etwas andere Version des Songs vom Debütalbum), was vor allem an der Sprechstimme von Christian Präauner (Krankheit) liegt, der seinen Text diabolisch ins Mikro haucht. Symphonisch haben Herzparasit den Song „Samthaut“ angelegt, bei dem Ric-Q eine Art Sprechgesang singt, der streckenweise an Falco erinnert. Bei „HDF“ haben sich Herzparasit mit Alex Styg (Broken Mind) eine weitere Rockröhre an die Seite gestellt der für Growling sorgt. Und mit „Warme Lippen, kalter Stahl“ haben die Jungs dann noch eine melancholische, sanfte Electro/Industrial-Ballade mit Gothic-Touch ans Ende gestellt.

Herzparasit machen auf „Gifttherapie“ da weiter, wo sie auf „Fromme Lämmer“ aufgehört haben. Die Mixtur aus Metal, Rock, Gothic und Industrial funktioniert auch auf dem neuen Album. Im Gegensatz zum Debüt ist der Gesang dieses Mal passend. Auch der Einsatz von Gastsängern wirkt sich positiv aus. Eine gelungen Platte haben sie da als Zweitwerk rausgehauen.

Stephan Schelle, Januar 2015

   

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