Hattler - Velocity
Bassball Recordings / 36music / Broken Silence(2018)

(11 Stücke, 54:00 Minuten Spielzeit)

Zunächst ein paar Infos aus der Presseinfo: Was für ein gemischtes Album-Doppel. Gerade noch bekam man beim Pfeifen des „Wintruper Echo“ ein mulmiges Gefühl, da sich Deutschlands Bassisten-Instanz Hellmut Hattler mit einer schweren Krankheit im Infight befand, da erscheinen im Herbst gleich zwei neue Tonträger. Diese könnten lebendiger und vielfältiger kaum klingen. 


Hattler ist vital, pulsiert mächtig, erfindet sich ganz nebenbei am Rande der bewährten Bass-Basis neu und gibt auch als Kraan-Lenker die Richtung vor.

Am 12.10.2018 veröffentlicht Hellmut Hattler, der wohl beste Bassist, den wir in unserem Land haben, gleich zwei Alben. Neben „The Trio Years” seiner Formation Kraan ist dies sein neues Studio-Album „Velocity”. Hattler zur Seite standen wieder mehrere Musiker. Und mit Sängerin Fola Dada hat er wieder diese wunderbare Stimme an Bord, die einige der Songs veredelt.

Dass überhaupt Musik von Hellmut Hattler veröffentlicht wird, ist ein Wunder, denn sein Leben stand auf Messers Schneide. Er musste eine schwere Blutkrebserkrankung überstehen und hat zeitweise nicht mehr damit gerechnet in die Saiten seines Basses greifen zu können. Die Chemie, die die Fremdkörper eliminieren sollte, lähmte zeitweise die Motorik seiner Finger. Umso erfreulicher ist es, das neue Werk „Velocity” in den Händen zu halten und die wunderbare Musik auf die Ohren zu bekommen. Hellmut hat wieder tolle Melodien und Rhythmen erstellt, die abwechslungsreich sind und eine Menge Spaß bereiten.

Mehrere Wochen Isolation auf einer Intensivstation brachten das neue Album schließlich ins Rollen. Musik musste sein. Sterben oder sich deren heilender Kraft bedienen, waren die Alternativen, zwischen denen Hellmut Hattler wählen konnte. Sein Körper war buchstäblich am Ende, aber sein Spirit verlangte danach, musikalische Grußbotschaften nach draußen zu schicken. Aber wie? Alles, sogar sein Bass war wegen drohender Keime verboten. Nach langem Tauziehen mit der Ärzteschaft, durfte das besaitete Holz schließlich unter strengen Auflagen aufs Zimmer getragen werden.

„Da lag ich dann damit im Bett, musste ihn alle zwei Tage desinfizieren, konnte aber testen, ob ich motorisch überhaupt noch in der Lage war, spielen zu können“, erinnert sich Hellmut Hattler. „Die vier Wochen vorher war ich zum allerersten Mal seit meiner Jugend vom Bass getrennt gewesen. Wenn meine Hände lahm geblieben wären, hätte ich vermutlich alles aufgegeben. Mir wurde während dieser Zeit noch mal ganz deutlich klar, wie sehr die Musik Teil meiner Lebenskraft war. Zum Glück ertappte ich mich ganz langsam wieder beim Finden von Themen, aber nicht beim Gedanken an deren Verwertung, denn ich war ja mit Überleben beschäftigt.“ Stück für Stück gab die Musik schließlich mehr Kraft als sie raubte. Und sie führte raus aus der Isolation, aus der permanenten Beschäftigung mit der Krankheit. Plötzlich sah Hellmut Hattler wieder Licht, Helligkeit und empfand Wohlbefinden.

Schon das erste Stück des Albums, das Instrumental „Anthem For Approaching Starships” zeigt eine gewisse Lebensfreude, denn es zeigt eine gewisse Offenheit, die ansteckend ist. Ein wunderbarer Titel zum Einstieg in das neue Album. Funky und poppig zeigt sich dann der erste gesungene Track „Teaser”. Der fette Bass und Fola’s Stimme sind eine perfekte Kombination. Der Song hat gehöriges Ohrwurmpotenzial. Einmal im Ohr lässt er einen nicht so schnell los. „Mayday In Paradise”, ein weiterer von Fola gesungenes Stück, ist ein Song, das aus meiner Sicht nahe an meinen Lieblingstrack „The Kite” vom gleichnamigen Album herankommt. „Mayday In Paradise” besitzt eine unglaubliche Intensität. Da ist Gänsehaut garantiert.

Ein weiteres Highlight des Albums ist das wunderbare „Delhi Mail”, das über die gesamte Länge von 8:25 Minuten eine fesselnde Faszination verströmt. Hier kommen indisch klingende Sounds auf, die mit einem treibenden Groove vermengt werden, der süchtig macht. Und der Refrain dieses Instrumentals ist nicht von dieser Welt. Beim Hören der CD im Auto habe ich mich erwischt, wie ich allein dieses Stück mehrfach hintereinander gehört habe. Auch die restlichen Stücke sind von hoher Qualität.

Hellmut Hattler geht auf seinem neuesten Studioalbum, das den Titel „Velocity” trägt, wieder abwechslungsreich und teilweise mit hypnotischen Grooves und herrlichen Melodien ans Werk. Ein grandioses Werk des deutschen Bassmann’s schlechthin. Hohe Empfehlungsstufe.

Stephan Schelle, Oktober 2018

   

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