Grobschnitt – Volle Molle (auf Vinyl)
Universal Music (1980 / 2018)
(11 Stücke, 87:22 Minuten Spielzeit)
Grobschnitt – Illegal (auf Vinyl)
Universal Music (1981 / 2018)
(14 Stücke, 92:55 Minuten Spielzeit)
Grobschnitt - Razzia (auf Vinyl)
Universal Music (1982 / 2018)

(16 Stücke, 89:48  Minuten Spielzeit)

Nachdem Grobschnitt die erste Hälfte ihrer offiziellen Alben der Jahre 1972 bis 1990 im Dezember 2017 auf Vinyl in der Reihe „Black & White Edition“ veröffentlichte, kommt kurz vor Ostern der dritte Teil der Reihe auf den Markt. Am 16.03.2018 erscheinen die Alben „Volle Molle“, „Illegal“ und „Razzia“ jeweils als DoppelLP in remasterter Form.

Die Neuauflage der einzelnen Vinyls ist erneut nicht nur ein Erlebnis für die Ohren, sondern auch für die Augen. Jedes einzelne Album erscheint im Gatefold-Format zum Aufklappen, wobei das originale Artwork übernommen wurde.

Die Alben erscheinen alle mit einer schwarzen Vinyl-Scheibe, auf der sich das Originalalbum in einem neuen Remastering befindet. Daneben spendierte man jedem Album eine weitere, weiße Vinylscheibe, auf der sich Bonustitel befinden. Alle Alben enthalten darüber hinaus zwei vierseitige Inlays („Illegal“ hat ein vierseitiges und ein achtseitiges Inlay zu bieten) im Format 30x30, auf denen sich Auszüge aus dem Buch, das der „79:10“-Box beigelegt war, enthalten sind. Daneben finden sich auch alle Songtexte sowie ein großformatiges Foto im Inlay. Als weiteren Bonus wurde jedem Album noch ein Download Voucher beigelegt, mit dessen Code man sich das Album herunterladen kann.

Die drei Grobschnitt-Gründer Eroc, Lupo und Willi Wildschwein haben die Zusammenstellung der dritten Vinyl-Serie federführend koordiniert, darüber hinaus hat Eroc wieder einen hervorragenden Job bei dem Mastering der alten Aufnahmen gemacht, denn die Songs kommen transparent und warm aus den Boxen.

 

Volle Molle

„Volle Molle“ war nach „Solar Music Live“ das zweite Livealbum der Hagener Band. Wie Lupo anmerkt, hatte die Band damals erwogen ein Doppelalbum aus den Liveaufnahmen zusammen zu stellen. Das hätte aufgrund der bis zu dreistündigen Konzerte, die die Hagener Band in ihrer unglaublichen Spielfreude zeigte, auch absoluten Sinn gemacht. Leider wurde dieses Projekt aufgrund eines Vetos der Plattenfirma damals nicht vollumfänglich umgesetzt und so bekamen die Fans damals mit „Volle Molle“ nur einen Auszug aus den damaligen Konzerten geboten.

Mit dem Stück „A.C.Y.M“ (eine Persiflage auf die Village People, die damals mit „Y.M.C.A.“ einen großen Hit hatten) hatten sie einen Song vom letzten Album „Merry-Go-Round“ als Liveversion auf dem Album. Daneben gab es mit „Snowflakes“ und „Waldeslied“ zwei Stücke, die bis dato unveröffentlicht waren. Musikalisch vervollständigt wurde die damalige LP mit dem „Wuppertaler Punk“, einer Version der „Symphonie“, bei der die Musiker vorgestellt wurden und einer komprimierten, gut 16minütigen Fassung von „Rockpommel’s Land“. Außerdem waren mit dem kurzen „Kleiner Häuptling Grosser Bär“, bei dem Grobschnitt deutlich machten, was sie damals von Village People hielten sowie der „Coke-Train-Show“ noch Spaßeinlagen aus den 79’er Konzerten enthalten, die das Bild der damaligen Liveshows gut wiedergaben.

Lupo: „Bis zur Fertigstellung des nächsten Studioalbums brauchten wir deutlich mehr Zeit, als ursprünglich geplant und hatten zudem immer noch diese unglaublich erfolgreiche 1979er Tour-Euphorie im Kopf. Also machten wir uns daran, das mitgeschnittene Livematerial und was sonst noch im Archiv schlummerte, zu sichten. Oberste Priorität bei der Zusammenstellung des Albums hatte für uns die so typische Grobschnitt-Liveatmosphäre. Wir wollten die Musik und den Spaß bei den Konzerten mit all den chaotischen Zwischenrufen aus dem Publikum und den Kommentaren der Band auf der Bühne direkt in die Wohnzimmer unserer Fans bringen. Mensch, was haben wir über unsere eigenen dummen Sprüche gelacht.“

Und genau diese Atmosphäre strahlen auch die Livemitschnitte auf „Volle Molle“ aus.

Lupo: „Die Leute liebten uns dafür und deshalb waren Grobschnitt-Konzerte auch immer hautnahe Band-Fan-Familientreffen. Meine persönlichen Favoriten auf dem Album sind natürlich „Das Waldeslied“ bei dem ich mit Willi auf der Akustikgitarre spiele, „Snowflakes“ und die unglaubliche „Solar Music-Powerplay“-Version, die wir 1979 in den Kölner Sartory-Sälen bei zwei nacheinander ausverkauften Konzerten mitgeschnitten haben.“

Die Vinylausgabe enthält als Bonus - wie schon die CD-Version aus 2015 - eine tolle „Powerplay“-Version, die Grobschnitt am 15.11.1979 im Satory-Saal in Köln mitgeschnitten haben. Daneben wurden aber als weiterer Bonus der Vinylausgabe zwei Liveaufnahmen hinzugefügt. „Merry Go Round“ wurde ebenfalls am 15.11.1979 im Satorysaal in Köln aufgenommen und ist bisher unveröffentlicht. Der Livemitschnitt von „May Day“ stammt dagegen aus der Niederrheinhalle in Wesel, wo Grobschnitt am 25.11.1979 auftraten. Diese Version ist auch auf der CD „Grobschnitt Live Wesel 1979 - 1“, die im Rahmen der Silver Mint Records-Reihe in 2008 (SMR 008) erschienen ist, enthalten. Die Vinylausgabe von „Volle Molle“ enthält neben den beiden vierseitigen Inlays zusätzlich einen farbigen Kunstdruck der Band in LP-Größe.

Illegal

Nach der Veröffentlichung von „Merry-Go-Round“ und den nachfolgenden Konzerten gab es dann einen Wechsel am Bass. Für Wolfgang „Hunter“ Jäger, der zu Extrabreit wechselte, kam Milla Kapolke in die Band. Gleichzeitig führte die Gruppe den musikalischen Wechsel, den sie bereits auf „Merry-Go-Round“ begonnen hatte, konsequent fort, denn die Stücke auf dem neuen Album „Illegal“ waren kürzer und songorientierter.

Auf diesem starken Rockalbum, das 1981 das Licht der Welt erblickte, findet sich kein einziger Ausfall. Mit dem Instrumentaltitel „Joker“ kamen sie sogar in die deutschen Charts. Grobschnitt zeigten auf „Illegal“ ein neues, sehr vielseitiges musikalisches Gesicht. Schon allein das Intro zum Titelstück mit der Farblehre ist Kult und wurde bei den folgenden Konzerten abgefeiert. Der Song beruht auf einer wahren Begebenheit, bei der es darum ging, dass eine Musikgruppe angeklagt wurde, weil sie in der Dortmunder Fußgängerzone ohne behördliche Genehmigung musiziert hatte. Eine Geschichte, die nach einem Schildbürgerstreich der lokalen Behörden anmutet.

„Mary Green“ widmete sich der Legalisierung weicher Drogen und „The Sniffer“ prangerte die Schnüffler an, die alle ausspionieren. „Space Rider“ war das Roadmovie der Hagener Band, bei dem Toni Moff Mollo gerne mit einem Motorrad auf die Bühne kam. Der Geruch von Benzin und Öl war bei den Shows damals allgegenwärtig. Mit „Silent Movie“ und „Joker“ hatte das Album zwei hinreißende Instrumentalstücke. Daneben sticht auch die Akustiknummer „Raintime“ heraus, die mit ihrem Satzgesang an Künstler wie Crosby, Stills, Nash & Young erinnert.

Lupo: „Wir hatten zu der Zeit Lust auf etwas Neues und wollten weg von den klassischen Grobschnitt-Songstrukturen vergangener Jahre. Mit Milla Kapolke kam für Hunter zudem ein neuer Bassist in die Band und fügte sich durch seine sehr impulsive Spielweise sofort gut ein. Die fast ein Jahr dauernde Produktion in der bandeigenen Studioscheune auf dem Bauernhof in Sprockhövel hat uns trotz aller Anstrengungen gut getan, weil wir zum ersten Mal überhaupt völlig ohne Zeitdruck arbeiten konnten. Parallel zu den Aufnahmen entwickelten wir auch schon neue Showideen für die anschließende Illegal-Tour, die eine der erfolgreichsten in der Grobschnitt-Geschichte werden sollte.“

Im Gegensatz zur 2015’er CD-Version stellt sich das Bonusmaterial auf der zweiten Vinyl-Scheibe etwas anders dar. Die alternativen Mixe von „Silent Movie“ und „Joker“ sind zwar nicht auf der LP enthalten, dafür gibt es neben den Stücken „Mary Green“ und „The Sniffer“ (beide am 18.04.1981 in Berlin aufgenommen) und „Du schaffst das nicht“ (mitgeschnitten am 05.05.1981 in der Essener Grugahalle) die alle auch auf der CD zu finden waren, mit „Vater Schmidt“, „Simple Dimple“ und „A.C.Y.M.“ drei weitere Livestücke der 81’er Tour, die vom 10.04.1981 aus der Osnabrücker Stadthalle stammen. Grobschnitt-Fans, die auch Abonnenten der Silver Mint Records-Reihe sind, finden diese drei Stücke auch auf der CD Nr. SMR 011, „Grobschnitt Live Osnabrück 1981 -1“.

 

Razzia

1982 gab es dann eine weitere Zäsur, denn der langjährige Keyboarder Volker „Myst“ Kahrs verließ die Band vor der Produktion ihres zehnten Albums, das den Namen „Razzia“ trug. Das Album spaltet bis heute die Grobschnitt-Fans, näherte sich doch die Hagener Band der damaligen NDW-Welle deutlich an. Beispiele dafür sind „Remscheid“, das musikalisch klingt wie eine Mischung aus Spliff und Queen und „Der alte Freund“.

Mit „Wir wollen leben“ findet sich ein Gassenhauer auf dem Album, der von der damaligen Umweltschutzbewegung vereinnahmt wurde, da er das Abholzen von Wäldern anprangerte. Diesem sehr eingängigen und harmonischen Song stellte Eroc dann den harten Song „Wir wollen sterben“ entgegen.

Das Titelstück „Razzia“ führt die kritische Haltung wie in „Illegal“ begonnen fort und stellt das unumwundene Highlight des Albums dar. Der Song gehörte auch seitdem zum Liverepertoire der Band. Während in „Poona Express“ Milla Kapolke seine Handschrift hinterließ, war mit „Schweine im Weltall“ darüber hinaus ein Spaßsong auf dem Album der eine Persiflage auf die NDW darstellte. Seltsamerweise ist genau letzter Song auf einigen NDW-Samplern enthalten.

Auch „Razzia“ bietet verändertes Bonusmaterial gegenüber der 2015’er CD-Version. Zunächst einmal findet sich am Ende von LP 1 das Instrumentalstück „Sweetwater River“ (eine alternative Version findet sich auch auf der „Grobschnitt-Story Vol. 1“). Dieses Stück wollten Grobschnitt ursprünglich schon 1982 auf „Razzia“ veröffentlichen, waren aber dann doch der Meinung, dass es stilistisch nicht zu den anderen Songs passen würde. Mit der Neuauflage in 2018 findet es nun seinen Platz auf dem Album.

Zu den Bonusstücken, die auch die CD-Version schmücken gehören „Live Intro (Tour 1983)“, „Razzia (live)“, „Poona Express (live)“ und „Wir wollen leben (live)“, die am 23.04.1983 in der Düsseldorfer Philipshalle mitgeschnitten wurden sowie das „Live Intro (Tour 1981)“. Die nicht auf der 2015’er CD Version enthaltenen Stücke „Mary Green (live)“, „Silent Movie (live)“ und „Medley (live)“ wurden ebenfalls beim Aprilkonzert 1983 in Düsseldorf mitgeschnitten. Sie sind bereits in der Silver Mint Records-Reihe (SMR 016) erschienen. Dafür sind zwei alternative Mixe der CD-Version auf der aktuellen Ausgabe nicht berücksichtigt worden.

Willi: „Die Alben „Illegal- und Razzia stehen nach wie vor ganz oben auf meiner Grobschnitt Favoritenliste. Um es mit der NDW-Persiflage „Schweine im Weltall“ zu sagen, haben wir bei diesen beiden Produktionen wirklich die Sau raus gelassen. Besonders die Titelstücke „Illegal“ und „Razzia“ sowie „Merry Green“, „Remscheid“ oder „Raintime“ passten einfach in die damalige Zeit, Natürlich klangen die Songs auch rockiger und live konnte man die Boxen zur Abwechslung nicht nur knistern, sondern auch mal krachen hören.“

Eroc: „Mein liebstes GROBSCHNITT-Album ist „Razzia“! Ich halte es für ein mindestens ebenso wichtiges Album im Reigen der GS-Veröffentlichungen wie z.B. „Jumbo“. Und der Titelsong hat für mich bis heute keinen Funken seiner unglaublich authentischen, bedrohlichen, faszinierenden Stimmung eingebüßt. Das mag zwar zu jener Zeit für viele nicht in ihr gewohntes Grobschnitt-Bild gepasst haben, aber es war und ist ein eigenständiges, ungeheuer wertiges Bild und zieht somit durchaus auch mit „Rockpommel’s Land“ gleich.“

Mit den Alben Nummer 8 bis 10 der Vinylreihe „Black & White“ hat die Hagener Band Grobschnitt weitere wichtige Alben aus ihrem Repertoire auf Vinyl wiederveröffentlicht. Die Alben machen optisch viel her (man hat endlich mal wieder was in der Hand), erscheinen auf 180 Gramm schwerem Vinyl und die Stücke sind darüber hinaus von Soundmagier Eroc hervorragend remastert worden.

„Volle Molle“ und „Illegal“ gehören ebenfalls zu den bedeutenden Alben der Band sowie der deutschen Rockmusik. Das zwiespältig betrachtete Album „Razzia“ hat mehr Lichtblicke (herausragend das Titelstück) als Schatten zu bieten und ist mit den Bonusstücken - vor allem dem wunderbaren und atmosphärischen „Sweetwater River“ sowie den Livemitschnitten - von Bedeutung. Nicht nur für Grobschnitt-Fans eine Kaufempfehlung.


Stephan Schelle, März 2018

   

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