Grobschnitt - Solar Music Live – Remix 2024
Universal Music (1978 / 2024)

(8 Stücke, 66:10 Minuten Spielzeit)

Das Album „Solar Music Live“ der deutschen Rockband Grobschnitt ist das beste Livealbum einer deutschen Band, denn was die Hagener da auf die Bühne gebracht hatten, ist bis heute unvergessen und unnachahmlich. Ein Meisterwerk deutscher Rockgeschichte. Schon auf ihrem 1974’er „Ballermann“ Album war eine mehr als 33minütige Fassung dieses Stückes enthalten. Grundlage war allerdings schon ein Gitarrenthema in D-Moll, das Lupo bereits 1968, also noch vor Grobschnitt erstellt hatte. Dieses Thema wurde dann erstmals als Teil des Stückes „Sun Trip“ auf ihrem 72’er Debütalbum verwendet.


Was sich aber aus diesem Thema über die Jahre entwickelte, sucht in der Rockgeschichte seinesgleichen. Fortan fehlte dieses Stück, das immer einen großen Teil an Improvisationen enthielt, bei keinem Livekonzert. Selbst in der aktuellen Acoustictour, bei dem Lupo, Willi und Nuki auf ihren Holzgitarren spielen, ist es im Programm.

Einem glücklichen Zufall ist es zu verdanken, dass die Originalbänder (16-Spur-Tapes) noch vorhanden waren. Wie Lupo erklärte, sind es die einzig existierenden Originaltapes ihrer Alben. Die heutige Technik machte es nun möglich, die Original-Mehrspurbänder so zu digitalisieren, dass alle Instrumente getrennt gespeichert wurden. Dies war Voraussetzung dafür, einen Remix, bei dem jedes Instrument einzeln angefasst werden kann, zu erstellen. Den Vorsatz von Lupo, Eroc und Willi, die 2015’er Remasterings als in Stein gemeißelt zu betrachten und das Album nicht mehr anzupacken, haben sie dann doch über den Haufen geworfen, da die Versuchung einer absoluten Version einfach zu groß war. Zum Glück haben sie sich für diese aufwendige Arbeit entschieden.

Kritiker werden jetzt wieder sagen, dass es alles nur Geldmacherei ist, ein sehr gut remastertes Album nach neun Jahren erneut herauszubringen. Da kann ich nur erwidern, dass es ein Haufen Arbeit bedeutete, dieses Werk in einer so unglaublich verbesserten Version zu erstellen und auch noch einen 5.1 Surround Mix sowie eine Dolby Atmos-Version zu erstellen. Und sind wir mal ehrlich, Grobschnitt sind nicht Led Zeppelin, die eine ganz andere, weltweite Auflage produzieren (die damaligen Led Zeppelin Boxen boten in keinster Weise das Preis-/Leistungsverhältnis, wie es bei den Grobschnitt-Versionen war und ist) um damit reich zu werden. Hier haben die Musiker den Fans einen wahren Dienst erwiesen.

Das Album erscheint in verschiedenen Versionen. Da gibt es zum einen die CD-Version, die in einem DVD-Digipak erscheint und ein eingeklebtes, 23seitiges, sehr schön gemachtes Booklet enthält. Daneben gibt es dann noch die DoppelLP als Gatefold Edition die mit einem großformatigen 16seitigen Booklet bestückt ist. Hier kommen allerdings - trotz weniger Seiten - 16 Abbildungen mehr hinzu und auch die Fotos sind großformatiger und kommen so noch besser zur Geltung. Auch hat man bei der Vinylversion, deren Scheiben farbig sind (eine ist transparent, die andere orange) an die ausländischen Fans gedacht. Der deutsche Text im Booklet ist auf der zweiten Vinyltasche auf Englisch abgedruckt. Und es macht wirklich sehr viel Spaß den Text, den die drei Musiker da erstellt haben, zu lesen.

Darüber hinaus gibt es noch eine limitierte Box, die sowohl die beiden Vinyls als auch die CD plus einer BluRay enthält. Die CD und die BluRay sind dabei in die Innenseite des LP-Gatefolds gesteckt. Als weiteren Bonus enthält die Box auch noch ein Bandfoto aus 1978, das von Eroc, Lupo und Willi signiert wurde.

Im Pressetext ist zum neuen Remix u.a. folgendes zu lesen: Für den 54-minütigen Remix legten die drei Grobschnitt-Gründungsmitglieder Eroc (Schlagzeuger und Studio-Mastermind), Lupo (Leadgitarrist und Manager) und Willi Wildschwein (Sänger und Gitarrist) höchstpersönlich Hand an die Originalbänder des Konzertes vom 7. April 1978 im Otto-Pankok-Forum in Mülheim. „Obwohl der Klang des originalen Albums bis heute von den Fans gelobt wird, eröffnet uns die digitale Technik noch nie dagewesene Möglichkeiten“, sagt Eroc. „Während bereits der normale Stereo- und zum ersten Mal auch der 5.1. Surround-Remix besonders auch über Kopfhörer eine neue Solar Music-Klangwelt offenbart, setzt Dolby Atmos dem Ganzen die Krone auf und lässt die Musik um den Zuhörer herum geradezu pulsieren und zu neuem Leben erwachen. Jeder Ton, jeder Effekt wird perfekt eingefangen, sodass diese unglaubliche Live-Atmosphäre entsteht, die wir damals mit Solar Music so oft verbreitet haben. Eine Freude für alle High-End-Audio-Fans“.

Lupo ergänzt: „2015 stand bei der remasterten Neuveröffentlichung von Solar Music Live für uns in Stein gemeißelt fest, dass wir an diese Version nie mehr Hand anlegen würden. Damals wussten wir aber noch nicht, dass sich fast fünf Jahre später die Gelegenheit bieten würde, die originalen 16-Spur Tapes für einen Remix zu digitalisieren. Wir wollen damit ein Zeichen setzen und das Grobschnitt Magnus Opus auch einer neuen Generation zugänglich machen, weil es kompositorisch in einer Länge von 54 Minuten nichts Vergleichbares gibt. Es ist ein intensives, mitreißendes Hörerlebnis, das die elektrisierende Atmosphäre der Konzerte einfängt und die künstlerische Vision der Band auf beeindruckende Weise widerspiegelt. Mehr Grobschnitt-DNA geht nicht“!

Und in der Tat öffnet sich hier eine ganz neue Dimension des Stückes, denn in dieser Opulenz reicht nicht mal das hervorragend remasterte Werk aus 2015 heran. Man muss sich das auf einer guten Anlage oder über Kopfhörer reinziehen, denn nur so entfaltet sich der neue grandiose Sound in seiner ganzen Pracht. Ich habe jedenfalls den Vergleich zunächst mit der CD-Version gemacht. Es ist unglaublich, wenn man es nicht selbst gehört hat. Schon diese Version vermittelt einem das Gefühl mitten zwischen den Musikern zu stehen.

Wie schon auf den 1998’er, 2009’er und 2015’er Remasters des Albums, so wurden auch hier die restlichen 13 Minuten des damaligen Konzertes, die nicht auf der Erstveröffentlichung aus 1978 enthalten waren, hinzugefügt. Hier nennt sich das Stück aber nicht „The Missing 13 Minutes“, sondern „Tschüss Mülheim“.

Der Knaller ist aber die BluRay, die bei entsprechender Anlage noch mal einen draufsetzt. Ist die CD schon vom Klang unglaublich, dann legt die BluRay in den gebotenen Versionen noch mal eine Schippe drauf. Neben dem 5.1 Surround Mix und der Dolby Atmos-Version enthält die BluRay auch noch eine Stereo-Fassung sowie einen Binaural Headphone Mix. Zusätzlich wurde das komplette Stück mit zahlreichen Fotos und eingestreuten Filmfragmenten (aus dem Rockpalast Konzert) aufgepeppt und erschafft durch geschickte Effekte und Überblendungen etwas komplett Neues.

Das ist nicht so spartanisch gemacht, wie es sonst bei vielen Bands üblich ist, die nur mit wenigen Bildern arbeiten, die sich dann wiederholen. Vielmehr bekommt man über die volle Länge quasi einen aus stehenden und bewegten Bildern bestehenden Film gleich mitgeliefert. Darunter natürlich auch Fotos aus dem Booklet, Cover und Konzertkarten. Viele der Aufnahmen sind bisher unveröffentlicht. Das ist so gut gemacht, dass es eine Freude ist, sich das auch komplett anzuschauen.  

Beim Hören der 5.1 Surroundversion stellt sich sofort eine Gänsehaut ein und neben den Bildern auf dem Bildschirm entsteht bei mir sofort diese unglaublich faszinierende, aufregende und emotionale Stimmung, die 1978 bei meinem ersten Grobschnitt Konzert einsetzte. Und bei „Golden Mist“ hat es mich dann emotional total gepackt. Was für ein grandioses Sounderlebnis.

Eroc, Lupo und Willi haben aus dem grandiosen Grobschnitt-Livedokument „Solar Music Live“ mit dem 2024’er Remix einen wahren Soundmeilenstein erschaffen, der in keiner Sammlung fehlen darf. Ich empfehle hier ganz klar die Box, da sich hier auch die BluRay im 5.1 Surround Mix und Dolby-Atmos befindet, die noch mal einen draufsetzt. Mit dem neuen Remix haben Grobschnitt wieder einmal einen tontechnischen Standard gesetzt und aus einem Meisterwerk einen Meilenstein gezaubert. Sie haben diesem grandiosen Album den Sound für die Ewigkeit eingehaucht, besser geht es nicht.

Stephan Schelle, Dezember 2024

   

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