Gabriel
Agudo – Tales & Thunders Im Jahr 2020 veröffentlichte der aus Argentinien stammende Sänger, Multiinstrumentalist, Songschreiber und Produzent Gabriel Agudo sein Debütalbum „New Life“. Damals noch nur unter seinem Vornamen Gabriel. Im Herbst 2023 ist der Nachfolger „Tales & Thunders“ erschienen. Im April 2023 legte er einen furiosen Gig beim Artrockfestival in Reichenbach hin, bei dem er auch schon sechs Stücke des neuen Albums im Gepäck hatte. Es hat aber noch einige Monate bis zur Fertigstellung des neuen Werkes gedauert. |
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Gabriel Agudo hat im
wahrsten Sinne des Wortes ein phantastisches Album eingespielt. Er sagt
selbst darüber: Es geht um diese
Momente, in denen das Leben zu einer Achterbahn der Fantasie und endlosen
Möglichkeiten wird. Sie wissen, wovon ich spreche, oder? Diese acht
Geschichten haben mich an Orte gebracht, die ich mir nicht einmal
vorstellen konnte. Jede Geschichte war eine Eintrittskarte zu einem
epischen Abenteuer im weiten Reich meiner Fantasie. Vielen Dank also, dass
Sie mich auf diesem wilden Ritt begleiten, bei dem wir im Donner tanzen
werden. Es ist eine Reise zurück zu den Wundern der Kindheit, dem
Geheimnis des Unbekannten, zurück in das Land der Fantasie, wo Träume
fliegen und Sterne sich vor Staunen verneigen! Es geht beim 5:07minütigen
Opener „Voyager“ gleich mit einer Reise ins Weltall los, mit der Agudo
eine Hommage an die Pioniere der Weltraumforschung erweist, mit besonderem
Augenmerk auf Neil Armstrong, dem ersten Menschen, der den Mond betrat. Da
hört man dann zu Beginn auch gleich die Stimme aus dem Kontrollzentrum,
die für den Start der Rakete den Countdown zählt. Dann durchschneiden
Gitarrensounds diese Stimmung. Sobald das Schlagwerk einsetzt entwickelt
sich ein knackiger Rocksong, bei dem die Gitarren ein wenig an Led
Zeppelin erinnern und Agudo den Song mit einer dreckigen Gesangsart, die
teils verzerrt wurde, garniert. Das ist eine Spur rockiger als auf dem Debütalbum.
Der Progressive Rock, in dem sich Agudo seit Jahren bewegt wird hier um
rockigere Elemente erweitert. Und Dave Foster haut ein recht knackiges
Gitarrensolo raus, bei dem er ziemlich an den Saiten abgeht. Im zweiten Song, dem
4:52minütigen „A Last Chance“ hat Agudo die Auswirkungen der Covid
19-Pandemie mit ihren Herausforderungen und Nöten Einzelner wie auch von
Gemeinschaften als Grundlage genutzt, um darüber nachzudenken, wie wir
Menschen und das eigene aber auch vor allem das gemeinsame Leben besser
machen können. Es ist ein Weckruf, unsere Prioritäten neu zu bewerten und die
einfachen Freuden des Lebens zu schätzen, die Bedeutung von menschlicher
Verbundenheit und Empathie, die Zerbrechlichkeit unserer Existenz und die
Notwendigkeit von Einigkeit und Mitgefühl angesichts von Krisen mit der
Chance auf positive Veränderungen und das Streben nach einer besseren
Zukunft. Leider sehen die Zeiten aber derzeit nicht so rosig aus, denn
die Krisen verschärfen sich auf verschiedenen Ebenen immer weiter. Agudo
hat dies in einen Neo-Progsong verpackt, bei dem er gesanglich sowohl von
der Tonlage als auch vom Gesangsstil an die Musik von Tim Bowness
erinnert. Ein sanfter, sehr melodiöser Song, der in der Mitte durch
Donner und einer gesprochenen Passage über die Covid 19-Pandemie
unterbrochen wird. Mit dem Song
„Nosferatu“ kommt ein Song über den aus der Literatur und Film berühmten
Vampir. Allerdings transformiert Agudo dies auf unsere eigenen Schwächen.
Der Song befasst sich mit den
dunklen Seiten des menschlichen Daseins, da der Vampir sich mit den
Grenzen und Schwächen der Menschheit auseinandersetzt, die er hinter sich
gelassen hat. Der Song fängt den Reiz und die Verlockung der Macht des
Vampirs ein, der sich in der Nacht auf die Pirsch begibt und seine übernatürlichen
Fähigkeiten nutzt, um seine Beute anzulocken. Düstere Klänge und
ein Schrei, wie bei einem Horrorfilm, leiten in den 7:24minütigen
Rocksong ein. Nach wenigen Momenten geht es Hardrock mäßig los mit
treibendem Schlagwerk und kraftvollen Gitarrenklängen, um dann recht
proggig weitergeführt zu werden. Den Bass spielt Agudo dabei sehr funky.
Derek Sherinian hat ein irrwitziges Keyboardsolo eingespielt, bei dem er
an den Tasten wie ein Derwisch agiert. Ein klasse Song. Eine Hommage an das
indigene Volk der Sioux Lakota hat Agudo dann in dem 5:36minütigen Song
„The Way Of Shaman“ verpackt. Der Song widmet sich ihrer Kultur, ihrer
Verbindung zur Erde und die mystische Welt der Schamanen. Er beleuchtet
ihre tiefe Weisheit, ihre Ehrfurcht vor der Natur und ihren Kampf gegen
die Ungerechtigkeiten, die ihnen widerfahren sind. Am Anfang kommt ein von
einem Indigenen gesprochener Text, der das Ganze unterstützt. Agudo hat
den Song dann auch mit Perkussion und Sounds ausgestattet, die an das
indianische Stammesvolk erinnern. Sein Gesang wirkt dabei eine Spur wie
Peter Gabriel. Im Mittelteil setzt Donner ein und es kommen gar rituelle
Stammesgesänge auf, die dann in einen wilden, treibenden Part übergehen. „Endless Night“ ist ein Lied, das den herzzerreißenden Moment einfängt, wenn man nach
einer schmerzhaften Trennung sein Zuhause verlassen muss. Der Song
zeichnet ein lebhaftes Bild davon, wie man ziellos durch die tiefe Nacht fährt,
mit nur ein paar Habseligkeiten im Gepäck, während das Gewicht von
Herzschmerz und Ungewissheit schwer auf der Seele lastet. Der
Song ist eine kraftvolle Ode an den Schmerz einer verlorenen Liebe und die
Reise der Heilung.
In diesem 4:40minütigen Song wird es dann auch ein wenig melancholisch.
Agudo nutzt dabei wieder die Art wie Tim Bowness zu singen, in dessen
Stimme ja auch immer eine gewisse Melancholie schwebt. Auch die
Trompetenklänge klingen nachdenklich sowie ein wenig traurig und jazzig. Das 7:08minütige
„Dark Father“ ist ein Instrumental.
Es ist eine musikalische Hommage an einen der kultigsten Schurken der
Galaxis. Es ist ein persönlicher Marsch, der dem Dunklen Lord selbst
gewidmet ist und durch die Musik das Wesen dieses komplexen Charakters
widerspiegelt - seinen inneren Kampf, seine tragische Reise vom Licht zur
Dunkelheit und seine gebieterische Präsenz als Herr der Finsternis. Ich
bin tief eingetaucht in Themen wie Macht, Erlösung und den ultimativen
Kampf zwischen Gut und Böse. Als leidenschaftlicher Fan ist dies meine
persönliche Hommage an diese rätselhafte und mächtige Figur. Als
Star Wars-Fan hat Agudo sich der komplexen Figur des Darth Vader gewidmet
und diese in Klänge gewandelt. Einiges klingt spacig, dann wieder düster,
sogar sakral und Soundtrackartig und wird mehrfach von härteren Klängen,
die eine Art Symphonicmetal darstellen, durchbrochen. Wer kennt nicht die berühmte
„Area 51“. In diesem Song hat sich Agudo dieser Geheimnisumwobenen
Militärbasis gewidmet, in dem angeblich an einem Alien herum
experimentiert wird. Der Song zeichnet
ein lebendiges Bild von der Grausamkeit und Unmenschlichkeit, die in
unserer Welt existieren können, und erforscht gleichzeitig die Komplexität
von Macht, Angst und Vorurteilen. Als der Außerirdische entkommt,
reflektiert er über die dunkelsten und großartigsten Seiten der
Menschheit und den unbezwingbaren Geist des Überlebens. Eine fesselnde
Erinnerung an unsere Fähigkeit zur Grausamkeit und zum Mitgefühl. Futuristische
Sounds und ein Alarmsignal leiten in diesen Song ein. Dann kommt eine
recht heftige Gitarren- und Keyboardpassage, die wie eine Attacke wirkt.
Nach wenigen Momenten setzt aber der Gesang ein und transformiert das
Ganze in einen treibenden Rocksong. Das Ganze wirkt dabei wie gehetzt und
auf der Flucht. Kein Geringerer als
Marillion-Gitarrist Steve Rothery war an dem Endsong, dem 6:46minütigen
„Even To The Edge Of Doom“ beteiligt, der diesen maßgeblich
beeinflusst. Der Song wurde von Shakespeares ikonischer Geschichte von
Romeo und Julia inspiriert. Er fängt die bittersüße Essenz wahrer Liebe ein, die sogar die
Grenzen des Todes überschreitet. Er zeichnet ein lebendiges Bild von der
Leidenschaft, Aufopferung und Hingabe, die Romeo und Julia verkörpern,
und erforscht gleichzeitig die Komplexität von Schicksal, Bestimmung und
der zerbrechlichen Natur der menschlichen Existenz. Der Song wird von
einem Text aus dem Roman eingeleitet, der von Keyboardflächen untermalt
wird. Dann kommen perlende Keyboardklänge auf und vermischen sich mit dem
unverwechselbaren Gitarrenklängen Rothery’s die im weiteren Verlauf um
treibendes Schlagzeug ergänzt werden. Der Song ist eines der Highlights
des Albums und sorgt für Gänsehaut. Gabriel Agudo legt nach
seinem beeindruckenden Debüt „New Life“ aus dem Jahr 2020 mit
„Tales & Thunders“ ein starkes Zweitwerk nach. Musikalisch geht er
dabei noch abwechslungsreicher vor, als auf seinem Debüt. Stephan Schelle, November 2023 |
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