Flaming Bess – Wächter des Lichts

Flaming Bess – Wächter des Lichts
Eigenvertrieb www.flaming-bess.de (2008)
(19 Stücke, 77:44 Minuten Spielzeit)

Zweieinhalb Jahre hat das Düsseldorfer Quintett Flaming Bess für den Nachfolger ihrer sehr gelungenen CD „Finstere Sonne / Black Sun“, die im Jahr 2005 als zweisprachige DoppelCD herausgekommen ist, gebraucht. Und der Eindruck, den ich beim Besuch im Studio im Mai letzten Jahres sowie in den ersten Hördruchgängen gewonnen habe, zeigt, dass ihnen eine weitere Steigerung gelungen ist.


Im Booklet schreiben sie, dass in der Produktionszeit viel Schweiß und Dämonenblut geflossen ist. Es hat sich gelohnt, denn „Wächter des Lichts“ ist ein soundtechnisches Meisterwerk, dass für reichlich Gänsehaut sorgt, was neben den tollen Melodien und stimmigen Soundeffekten vor allem an der hörspielartigen Atmosphäre liegt. Hatte sich die Band bisher darauf beschränkt, die zugrunde liegende Geschichte durch einen Erzähler zu präsentieren, so erlebt man auf der neuen CD die Geschichte aus der Perspektive der einzelnen Personen und hier vor allem aus Sicht des Diebes Alexey, der von den dunklen Mächten angeheuert wird, eine alte Harfe zu stehlen, die verborgene Pforten öffnet. Das verleiht der Story noch mehr Dynamik und zieht den Hörer noch tiefer ins Geschehen hinein. Man hat beim Hören quasi das Gefühl, als bewege man sich zwischen den Akteuren. Dieser Effekt wird verstärkt durch den Einsatz von unterschiedlichen Stimmen und den tollen räumlich angelegten Geräuschsamples, die einen in die eisigen Gebirgslandschaften oder riesigen Höhlensysteme unter der Erde versetzen. Und die so geliebten Charaktere wie Flaming Bess und ihr Gemahl Arkana fehlen natürlich auch nicht.

Aber nicht nur auf die Story haben die Düsseldorfer Hans Wende, Peter Figge, Achim Wierschem, Dieter Joswig und Claas Reimer (Reihenfolge s. obiges Bild von links nach rechts) - letzterer ist seit der Produktion „Finstere Sonne / Black Sun“ dabei - ihre ganze Kraft gelegt, auch die Musik ist wieder vom feinsten. 16 Stücke, die von sechs hörspielartigen Parts eingebettet sind, bietet die CD, von denen gut die Hälfte Instrumentals sind. Sieben SängerInnen, darunter Jenny K., die auch schon auf dem Vorgängeralbum dabei war und den Gitarristen Ned Selfe aus Hawaii haben sie sich für die Stücke eingeladen, was ebenfalls zur Dramaturgie beiträgt. Allerdings passen sich nicht alle Sängerinnen dem hohen Qualitätsstandard der Produktion an, was aber nur einen kleinen Wermutstropfen darstellt. So ist für meinen Geschmack der Gesang beim dritten Stück „Aklabeth“ sehr dünn ausgefallen. Hier hätte ich mir eine kraftvollere Stimme gewünscht. Das ist aus meiner Sicht aber auch der einzige Kritikpunkt.

Flaming Bess liefern auf „Wächter des Lichts“ qualitativ den gleichen hohen Standard ab, wie sie es schon auf „Finstere Sonne / Black Sun“ zeigten, legen aber noch mal eine Schippe drauf. Alles beginnt mit dem kurzen 0:49minütigen „Prolog“, bei dem durch ein Stimmengewirr und flächige Synthies eine Atmosphäre wie bei den „Herr der Ringe“-Filmintros erzeugt wird. In diese kurze Einführung schmiegt sich direkt das Titelstück, das die ersten Gänsehäute bei mir erzeugt. Es beginnt zunächst orchestral mit Streichern wie ein Filmsoundtrack, um dann nach gut eineinhalb Minuten in einen rockigen Teil, der von sehr schönen Gitarren á la späte Genesis bestimmt wird. Zwischendrin haben sie eine recht harte elektronische Soundwand errichtet, die kurz für ein Ausrufezeichen sorgt, um sofort wieder in einen sehr schönen Gitarrenpart á la Maxxess überzugehen. Ein toller Einstieg. Auch „Der Dieb“ kann mit Gänsehauttreibenden Gitarrenpassagen aufwarten und der Einsatz des Saxophons kommt hier sehr stimmig rüber.

Hypnotisch ist der Song „König für einen Tag“, bei dem vor allem die Kombination aus Perkussion und Pianolinie überzeugt. Dieser Song bohrt sich förmlich in die Gehörgänge, denn ich erwische mich dabei, wie der Refrain sich tagsüber in mein Gedächtnis schiebt und mir kaum aus dem Kopf geht. Afrikanische Rhythmen, wie man sie auch von Peter Gabriel kennt, stellen die Grundlage für den modernen Sound von „Der Verhüllte“ dar. Treibende Synthiegrooves und dreckig klingende Schlagzeugpassagen treffen auf raue Gitarren in „Welt der Lügen“ aufeinander. Dieser Song klingt nicht so clean durchproduziert, sondern bietet auch etwas Rohes, Unverbrauchtes. Es folgt „Ein langer Weg“, das mit seinen Keyboardsounds an Produktionen von Alan Parsons oder Paul Hardcastle heranreicht. Den Unterschied macht aber wieder Achim’s sehr akzentuierte Gitarrenarbeit. Das geht direkt unter die Haut.

Das nächste Highlight kommt mit dem hypnotischen Instrumental „Flucht und Verfolgung“. Die Synthiesounds, die von links nach rechts wandern, lassen ein weiteres Mal meine Körperhaare in die Höhe schnellen. Und auch der Gitarreneinsatz ist hier wieder perfekt gestaltet. Das folgende „Stimmen“ ist geprägt von der Pedal Steel Guitar des Hawaiianers Ned Selfe. Erika Naidenow’s Gesang kommt hier etwas besser als beim Stück „Aklabeth“ zur Geltung.

„Die Höhle von Mara Morbis“ kann mit wahren Explosionen in den Gehörgängen aufwarten, denn hier haben die fünf einiges in den Song eingewoben. Neben den schon erwähnten herrlichen Synthiepassagen gibt es reichlich Soundeffekte und ein Hauch Metal weht zudem durch diesen Track, was ihm mehr Druck verleiht. Beim letzten Song „Endloser Fall“ ändert sich die Stimmung der CD etwas, denn dieser Track klingt etwas funkig und mehr nach einem Song für die Bar, dadurch sticht er etwas aus der Produktion hervor.

Der letzte Track „Sphärenmusik“, entlässt den Hörer aus der CD mit dem Wunsch, weitere Abenteuer um Flaming Bess erleben zu wollen. Man wartet förmlich auf den Text „Fortsetzung folgt …“.

Was sich schon bei meinem Studiobesuch abzeichnete, wird jetzt deutlich, die Kombination aus Achim’s Gitarrenarbeit, die an manchen Stellen floydig oder auch nach Genesis klingen, aber immer den typischen Flaming Bess-Flair versprühen und sich soundtechnisch auf höchstem Niveau bewegt, ist faszinierend. Das Ganze kombinieren sie mit mitreißenden Perkussions und den modernen Synthiegrooves, die durch den jüngsten, Claas Reimer, beeinflusst sind und machen so aus der Musik einen absoluten Hörgenuss. Die Mixtur aus 70’er Jahre Feeling und modernen Klängen ist intelligent, aber nicht verkopft ausgearbeitet.

„Wächter des Lichts“ ist eine Prog-Rock-Scheibe, die in keiner Plattensammlung fehlen sollte. Hinreißende Melodien und eine dichte, spannungsgeladene Atmosphäre machen aus dieser Produktion ein Muss für den Freund guter Rockmusik. Wer vor allem die beiden ersten Werke und den Vorgänger mochte, der kommt an „Wächter des Lichts“ nicht vorbei. Neben dem tollen Layout des Covers, das für mich das bisher beste der ganzen Reihe ist, stellt die neue CD auch den bisherigen Höhepunkt der Flaming Bess-Alben dar. Eine CD, die über einen längeren Zeitraum meinen CD-Player belagern wird!

Stephan Schelle, März 2008

   

CD-Kritiken-Menue