Fish – The Last Straw – Live In Glasgow 2018
Chocolate Frog Company / M&E(2022)
(16 Stücke, 111:56 Minuten Spielzeit)

Das neue Live-Album von Fish, „The Last Straw – Live In Glasgow 2018“, wurde bei der letzten Show seiner hochgelobten Tour „Clutching at Straws/Weltschmerz“ in der O2 Academy Glasgow am 13. Dezember 2018 aufgenommen. Die Doppel-CD enthält eine Live-Performance des Klassikers „Clutching at Straws“ in voller Länge. Allerdings spielte Fish die Stücke des Marilliom-Klassikers nicht in der Reihenfolge, wie auf dem Originalalbum und mischt darüber hinaus Solostücke zwischen die Titel.


„Clutching at Straws“ war nicht nur die letzte Produktion von Fish mit seiner ehemaligen Band Marillion, sondern gilt vielen Fans und Kritikern bis heute als eines der besten Alben der Band. Zusätzlich enthalten sind die Ur-Aufführungen von 4 Songs seines letzten Albums „Weltschmerz“, darunter der preisgekrönte Song „Man With A Stick“ und der epische Track „Waverley Steps“.

Das Album erschien bereits am 04.02.2022 in digitaler und am 04.03.2022 (am gleichen Tag wie das neue Marillion-Studioalbum) in physischer Form. Mir lag zur Besprechung ein physisches Exemplar vor, welches ein Hardcover mit 36seitigem Booklet besitzt. Darin enthalten sind neben zwei CDs und einer DVD auch zahlreiche Konzert- und Backstage-Fotos sowie umfangreiche Linernotes von Fish selbst.

Der Ton wurde von Steve Vantsis bearbeitet und von Calum Malcolm gemastert. Damals noch mit John Beck an den Keyboards, welcher auf der Haupt-Tour von Foss Paterson ersetzt wurde. Die anderen Bandmitglieder bei beiden Shows waren Steve Vantsis – Bass, Gavin Griffiths – Schlagzeug, Robin Boult – Gitarren und Doris Brendel – Backing Vocals und Flöte.

Los geht das Livekonzert auf CD 1 mit „Slainte Mhath“. Fish dazu in den Linernotes: „Die Eröffnung musste ‘Slainte Mhath’ sein, das aus einem geloopten, gedämpften Gitarrenriff entstand, das uns erlaubte, die Bühne zu betreten, unsere Positionen einzunehmen, uns einzustöpseln und uns niederzulassen, bevor der Klavier-Lead die Explosion auslöste. Es war schon immer ein dramatisches und kraftvolles Intro gewesen und es war zu offensichtlich und perfekt, um es zu ignorieren. Gesanglich ist es immer schwierig, große Töne zu Beginn herauszuschmettern, und im Laufe der etwa 40 Termine der Tournee wurden einige Augen ausgestochen, wenn ich mich nicht richtig aufgewärmt hatte. Diese Momente waren zum Glück relativ selten, und ich habe alle, mich selbst eingeschlossen, überrascht, wie gut meine Stimme auf einer der anspruchsvollsten Tourneen, die ich je unternommen habe, durchhält.“

Der schottische Musiker und Sänger ist bei dem Konzert gut drauf (auch gut bei Stimme) und das heimische Publikum vom ersten Moment an euphorisch. Das beweist bereits der mehr als sechsminütigen Opener „Slainte Mhath“ und zeigt darüber hinaus eine Band in Höchstform. Sofort ist man in den Marillion-Klassiker bzw. ins Fish-Universum transformiert.

Nach diesem Klassiker wechselt Fish danach zu dem ersten Stück seines aktuellen Albums „Weltschmerz“, dem Song „Man With A Stick“. Das aktuelle Stück mit toller Perkussion/tollem Rhythmus, effektvollen Gitarrenlicks und einem fetten Bass fügt sich perfekt in die Songs des Marillion-Klassikers ein. Es ist mit über zehn Minuten der längste Track des ersten Silberlings.

„Hotel Hobbies“ leitet Fish dann mit einigen Worten ein, die er zu atmosphärischen Gitarrenflächen spricht. Dann folgt eine wunderbare Version des Stückes das direkt in „Warm Wet Circles“ und dieses dann wiederum direkt in „That Time Of The Night“ übergeht. Nach diesem aneinandergereihten Dreierpack kommt dann wieder ein Stück vom aktuellen Album. Hier platziert Fish das wunderbare „Little Man What Now“ in sein Live-Set.

Nach „Torch Song“ endet die erste CD dann mit der siebenminütigen Version von „White Russian“. Fish dazu in den Linernotes: „‘White Russian’ war schwierig zu platzieren. Es ist ein Epos und hätte auch näher am Ende des Sets sein können. Es war seltsamerweise eines der schwierigsten Stücke, das wir bei den Proben richtig hinbekommen haben, und wir mussten den Song von seiner Langsamkeit wegbringen und ihm mehr Schwung verleihen, damit er richtig sitzt. Gavin hat wieder alle Register gezogen, und zusammen mit Steve haben sie die Rhythmusgruppe festgenagelt, und Robin und Foss fügten die kräftigen Farben hinzu, um das Ganze zusammenzufügen. Der Text berührt mich immer noch bei jedem Auftritt, und wie bei anderen Songs auf dem „Clutching“-Album sind sie nicht gealtert, sondern haben sogar eine neue Bedeutung bekommen.

Die zweite CD startet dann auch mit einem Stück von „Incommunicado“, dem Song „Just For The Record“. Es folgen ein elfminütiges „C Song“. „Going Under“, eine Siebenminuten-Version von „Sugar Mice“, das fast 14minütige „Waverley Steps“, „The Last Straw“ und „Tux On“. Mit „Incommunicado“ endet dann der Mitschnitt. Hier nochmal Fish aus den Linernotes zitiert: „Als Foss ‘Tufty’ Paterson anfing, das Intro von ‘Incommunicado’ anzuspielen, wussten wir alle, dass es der letzte Song war. Wir waren erschöpft, aber wir zogen es mit allem durch, was wir noch im Tank hatten. Die Band stand mit den Füßen auf dem Boden 4x4 und ich stand auf den Monitoren in echter 80er-Jahre-Rockstar-Manier. Ich zeigte alle meine „peinlichen Dad-Dancing“-Moves und wir waren mit einem breiten Grinsen im Gesicht dabei. Es war in jeder Hinsicht ein so passender Song zum Abschluss und die Erleichterung darüber, dass wir diese riesige Tournee relativ unversehrt und relativ gesund überstanden hatten.“ Bei dieser Aufnahme von „Incommunicado“ fühlt man das Publikum abgehen und wähnt sich mitten in der Menge, so dass man vor den Boxen hüpfen möchte.

Als Bonus hat die Veröffentlichung noch eine DVD, die einen gut 90minütigen Mitschnitt des Konzertes vom 10.08.2018, das Fish beim Cropredy Festival zeigt. Von den 15 Stücken gibt es elf Überschneidungen zum Konzert in Glasgow. Die Songs „Voyeur“, „Emperors Song“, „State Of Mine“ und „Circle Line“ finden sich dagegen nicht im Audiomaterial. Eine tolle Zugabe, die Fish nochmal in voller Aktion zeigt, auch wenn hier die stimmliche Qualität nicht ganz an den Audiomitschnitt heranreicht.

„The Last Straw“ ist ein sehr guter Mitschnitt eines Fish-Konzertes, das den Schotten mit Band in ausgesprochen guter Form präsentiert. Ein mitreißendes Dokument.

Stephan Schelle, März 2022

   

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