Eureka – Great Escapes
Eigenvertrieb / Membran (2015)

(10 Stücke, 46:54 Minuten Spielzeit)

Eureka ist das Musikprojekt des norddeutschen Multiinstrumentalisten Frank Bossert. Sechs Jahre nach dem letzten Album „Shackleton´s Voyage“ erscheint im Herbst 2015 nun sein fünftes Studioalbum unter dem Titel „Great Escapes“. Ging es bei seinem 2009’er Werk noch um die Antarktis-Expedition des Briten Sir Ernest Shackleton, so beschäftigt sich Bossert auf „Great Escapes“ mit der menschlichen Psyche wie der Flucht vor dem eigenen Ich, bis hin zu leider so aktuellen Themen wie Amokläufen.


Produziert wurde Great Escapes von Bossert in seinem eigenen Studio in Husum, gemischt hat Yogi Lang (RPWL) die Scheibe in den Münchner ´Farm Studios`. Sämtliche Instrumente und Gesänge stammen von Bossert selbst, als Gastmusiker kann man – wie auch schon auf Shackleton´s Voyage – Schlagzeuger Steve Hanson, das Vokal-Trio Kalema und Yogi Lang mit zusätzlichen Keyboards hören. Neu hinzugekommen sind Sängerin Cathrine Jauer und Gastgitarrist Odin Hansen.

War „Shackleton´s Voyage“ vom Stil eines Mike Oldfield beeinflusst, so zeigt sich „Great Escapes“ von einer ganz anderen Seite. Das eröffnende, mit 2:08 Minuten leider viel zu kurz geratene Instrumentalstück „Stepping Out“ bietet zunächst Pink Floyd-Atmosphäre. Vor allem die sehr atmosphärisch gespielte Gitarre erinnert dabei an David Gilmour. Mit diesem Opener legt Bossert aber eine Finte, denn der Rest des Albums liegt stilistisch eher im Fahrwasser von Bands der Marke Rush. Damit zeigt das Musikprojekt Eureka ein ganz neues Gesicht.

Schon im folgenden „Animated World“, das erste Stück, das Bossert für das neue Album komponierte, ist der Rush-Stil deutlich herauszuhören. Bossert entwickelte dieses Stück unter den Eindrücken eines Amoklaufes. Leider wiederholten sich gleichartige Taten in der Folgezeit, so dass der Song eine traurige Aktualität erhält.

„Stolen Child“ hat einen kraftvollen Schlagzeugrhythmus und U2-artige Gitarrenriffs aufzuweisen. Hierin verarbeitet Bossert die Thematik ein Kind im Rahmen einer Trennung zu verlieren. Musikalisch ein toller Song. Ein markantes Basssolo eröffnet dann das ebenfalls rockige „One Million Stars“, das dem Stück eine besondere Note verleiht. Bossert’s Stimme, der fast alle Parts auf dem Album eingesungen hat, passt hervorragend zur härteren Gangart des Albums.

Auch im Stück „State Of View“ sind Rhythmen und Sounds zu hören, die an britische Bands wie U2, Big Country & Co. erinnern. Mit dem sechsten Song, „ Chase The Dream“, kommt dann so langsam Prog-Atmo auf. Spracheinspielungen, die aus einer Kriegsszenerie entnommen zu sein scheinen, leiten in diesen Track ein. Gitarren und Keyboards wirken jetzt viel proggiger und lassen in die Musik auch Einflüsse von Marillion, Yes & Co. einfließen, auch wenn sich mir Rush immer noch in den Vordergrund drängt. Eureka vermischen hier die unterschiedlichen Stile zu etwas Neuem. In dem Song widmet sich der EUREKA-Boss der Fliegerei, für die er als kleiner Junge leidenschaftlich geschwärmt hat und mit der er heute die Flucht in die Weite des Himmels verbindet, den Versuch, der Gravitation des Lebens zu entkommen. „Mein bester Kumpel, der die Texte redigiert hat, meinte allerdings, dass es eigentlich ums Älterwerden gehe. Ich vermute, er hat recht.“

Auch in „Escape!“ hört man Eigenheiten von Bands der Marke Marillion heraus. Sehr gut gefällt mir in diesem Stück auch die ausdrucksstarke Basslinie. Dieses Instrumentalstück hat Frank Bossert den Menschen gewidmet, die für ein besseres Leben alles in Kauf nehmen. Aktueller kann ein Stück wohl derzeit nicht sein. 

„On The Run“ bietet dann wieder britischen Rock im Stile von Big Country & Co, bevor dann mit „The Big Picture“, das in drei Parts unterteilt ist, das längste Stück des Albums ansteht. Bossert wollte einen Longtrack erstellen, der nicht „long“ wirkt, wie er selbst sagt. Das proggige Kernstück des Albums, das mit Akustikgitarren beginnt und dann in einen recht elektronischen Teil übergeht, ist das Highlight des Albums. Folkige Momente wechseln mit rockigen und atmosphärischen Parts. Daneben ist das Stück mit wunderbaren Soli und herrlichen Satzgesängen durchzogen. Den Abschluss bildet dann das melodiöse und teils verträumt wirkende „Solid Ground“. Ein perfekter Abschluss des Albums.

Stilistisch hat Frank Bossert, Mastermind des Musikprojektes Eureka, auf „Great Escapes“ einen Stilwechsel zum vorangegangenen Album vollzogen, der dem Projekt aber gut zu Gesicht steht. Die neue Platte ist ein kompaktes und in sich stimmiges Werk geworden. Ein tolles Album.

Stephan Schelle, Oktober 2015

   

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