Electric Orange – Psi-Hybrid
Studio Fleisch (2021)

(10 Stücke, 71:55 Minuten Spielzeit)

Im Herbst 2021 erscheint nach den beiden 2020’er Alben „Patchwork 1996-1999“ und „Encoded“ die 22. Veröffentlichung der Aachener Band Electric Orange. Bereits seit 29 Jahren besteht die Band, die derzeit aus Dirk Bittner (Gitarren, Dobro, Zither, Gesang, Perkussionsinstrument, Harmonium, Samples), Dirk Jan Müller (Synthesizer, Orgel, E-Piano, Modularelektronik, Klavier, Samples), Georg Monheim (Schlagzeug, Glockenspiel, Pauke, Blechtrommel) und Werner Wieczorek (Bass) besteht. Wieczorek ist der neue Mann am Bass, nachdem Tom Rückwald die Band verlassen hat. Daneben wirkt noch Harald Königs an Saxophon und Querflöte als Gastmusiker mit. 


Das Album kann in den Formaten CD, Doppel-Vinyl und Download erworben werden. Mir lag die CD-Version vor (trudelte Anfang Dezember bei mir ein), die in einem vierseitigen Digipack mit zwölfseitigem Booklet ausgestattet ist. Im Booklet finden sich Fotos der verwendeten Instrumente. Wie auch bei den vorangegangenen Alben sorgte Eroc mit seinem Mastering für den perfekten Sound.

Das die Band ihre Vorbilder in Künstlern wie Can, Syd Barrett, Brainticket und Nektar hat, zeigt sich auch in ihren Veröffentlichungen und sortierte sie in die Sparten Neo-Krautrock und Neo-Psychedelic ein. Bei den letzten Veröffentlichungen lag der Fokus vor allem auf Improvisationen, dies scheint sich auf dem neuesten Werk „Psi-Hybrid“ nun wieder mehr in Richtung durchkomponierte Stücke gewandelt zu haben.

Los geht es erst einmal mit dem knapp einminütigen Intro „Report“, das aus mystischen Sounds und englischsprachigen Sprachsamples besteht. Richtig los geht es dann im ersten, 7:30minütigen Stück „Dilectric“, bei dem sie einen Rhythmus anschlagen, der in die späten 60’er, frühen 70’er Jahre weist und durchaus an psychedelische und krautige Sounds erinnert. Garniert wird das Ganze mit Orgel- und Gitarrenklängen. Das wirkt alles andere als verstaubt, weil sie Retro mit Moderne verbinden und ihr Sound einen hypnotischen Sog entwickelt.

In dem 9:30minütigen „Seasons Of The Bitch“ sind zunächst Keyboard und Schlagzeug zu hören. Sobald dann der Synthie anfängt zu zirpen und Gitarrenlicks für Atmosphäre sorgen, ändert sich das Bild. Nur kurz darauf würzt Gastmusiker Harald Königs mit seinem Saxophon die Musik mit jazzigen Elementen. Das passt erstaunlich gut zusammen. Auch einige atmosphärisch floydige Passagen finden sich in dem Stück. 

Ein klasse Bassgroove, unterlegt von Synthies, die an Ozric Tentacles erinnern und vom Schlagwerk und Gitarrenlicks verziert werden, finden sich im 7:17minütigen „Shingle Robe“. Mitten in diese Atmosphäre platziert die Band dann noch eine von Keyboards getragene hymnische Melodielinie. Witzig ist am Ende der rückwärts abgespielte Text. Das grooved ordentlich und geht gut ins Ohr.

Atmosphärische Gitarrensounds und eine gut aufgelegte Rhythmusfraktion sowie Sequenzerartige Rhythmen sind Grundlage des gut sechsminütigen „Phenomenon“. Vor allem die rhythmische Melodielinie ist einfach nur klasse gemacht. Ein tolles Stück mit Ohrwurmcharakter.

Betörend zeigt sich auch das perkussive, 4:32minütige „Psycho Harmony“, das ein leicht asiatisches Flair verströmt. Im 8:51minütigen „Mesocarp Blues“ gesellt sich dann wieder Harald Königs hinzu, dieses mal an der Querflöte. Damit erzeugt er weniger jazziges Flair sondern unterstreicht die treibenden Rhythmen mit herrlichen Melodielinien und ethnische Elemente. Die restlichen drei Stücke bieten weitere Klangwelten, die fesseln.

Auch auf ihrem 22. Werk lassen die Aachener Musiker von Electric Orange nicht nach. Vielmehr entwickeln sie sich stetig weiter und verpassen ihrem Sound mit dem Gastmusiker Harald Königs an Saxophon und Querflöte ein neues Element. „Psi-Hybrid“ gehört zu den besten Alben der Band. Ein klasse Werk, bei dem man förmlich abheben kann.

Stephan Schelle, Dezember 2021

   

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