Electric Orange – Krautrock From Hell

Electric Orange – Krautrock From Hell
Sulatron Records / Cargo Records (2010)
(7 Stücke, 78:20 Minuten Spielzeit)

Das letzte Album der deutschen Psychedilc-/Krautrockband Electric Orange erschien im Jahr 2007. Es hieß „Morbus“ und wurde von der Zeitschrift ECLIPSED als Album des Monats September und in ihrer Jahreswertung sogar auf Platz 4 gewählt. Ein schweres Erbe für die fünf deutschen Musiker Georg Monheim, Dirk Jan Müller, Tom Rückwald, Josef Ahns und Dirk Bittner.


Ihr neuester, siebter Output nennt sich erwartungsvoll „Krautrock From Hell“ und erscheint am 05.01.2010. Zwar kenne ich „Morbus“ nicht, doch befinden sich ihre Alben „abgelaufen!“ aus 2001 und das 2005’er Album „Fleischwerk“ in meiner Sammlung.

Hat ein Mensch einen Bandwurm, so hat das meist mit unschönen Begleiterscheinungen zu tun, doch der „bandwurm“ von Electric Orange, mit dem das Album startet, ist von der angenehmen Sorte. Wird dieser Track zunächst noch von einem Sprecher eingeleitet, so haut einen der folgende fette Basslauf mit seinen psychedelischen Klängen förmlich aus den Socken. Nachdem dieser „bandwurm“ in seiner monotonen, aber doch sehr rhythmischen, hypnotischen Art vorbeigezogen ist, und das recht rockige „sundos“, das hier mit einer Art Flötensound versetzt wurde, beendet ist, kommt mit „chorg (cpt. gyrok’s)“ ein echter Hammer. In diesem Stück stimmt einfach alles. Zunächst kommen atmosphärisch, spacerockartige Sounds zum Tragen, die von Gitarre und Hammond untermauert werden, im späteren Verlauf wird es dann auch elektronischer mit moderneren Sounds, die gar einen Hauch Ozric Tentacles in sich bergen. Für mich ist „chorg (cpt. gyrok’s)“ das Highlight des Albums, in dem ich mich völlig verlieren kann.

Electric Orange sind für ihren instrumentalen Stil bekannt, so überrascht es dann doch, das im Stück „hers“, das fast zehn Minuten lang ist, eine Passage enthalten ist, die wie ein richtiger Song anmutet. Zunächst wabern noch psychedelische Klangwolken aus den Boxen, doch nach gut drei Minuten, nachdem ein Sprecher, der wie aus einer 50’er Jahre Doku entnommen scheint einen Text spricht, spielen und singen die fünf, so als ob sie direkt in die Endsechziger katapultiert wurden, zu Zeiten der frühen Pink Floyd.

Zum Ende des hypnotischen „kunstkopf“ sagt eine männliche Stimme: „Nachdem Sie nun die erste Seite gehört haben, wollen wir nun etwas konkreter werden“. Eine recht humorvolle Idee für einen Einspieler, da es bei der CD ja bekanntlich keine zweite Seite gibt. Da stellt sich die Frage, ob die Musik auch auf LP herausgekommen ist und dies dafür gedacht war, denn wir befinden uns diesem Zeitpunkt in der Mitte des Albums.

Der Longtrack „neuronomicon“, der mit seinen 25 Minuten das längste Stück des neuen Werkes darstellt, eröffnet den zweiten Teil der Scheibe. Hier geht es recht psychedelisch zu, mit herrlichen Orgelsounds, die eine gewisse Retroatmosphäre schaffen. Aber der Track klingt alles andere als verstaubt. Neben tollen instrumentalen Passagen die zwischen Psychedelic, Spacerock (da zirpt es auch schon mal wie bei Hawkwind), symphonischem Rock und Krautrock hin- und herpendeln, kommt wieder eine Gesangspassage zum Vorschein die dieses Mal aber etwas anders als im Stück „hers“ wirkt. Hier wird eine verfremdete Gesangsstimme gewählt, die man kaum verstehen kann und somit als weiteres Instrument dient.

Zum Ende des Albums ziehen Electric Orange den Hörer dann noch in ein „wurmloch“. Dieser Track wird von recht experimentellen elektronischen Klängen bestimmt, die an die frühen Tage der „Berliner Schule“ erinnern. Erst gut zur Hälfte dieses Stückes kommen Rhythmen auf, die sowohl aus dem Sequenzer, wie auch von einer Art Kesselpauke stammen können und lassen erneut die Musik in hypnotischen Wolken voller Hallräume durch den Raum ziehen. Dieser Abschlusstrack steht mit seiner eher ambienten Stimmung im Kontrast zu den rhythmisch/rockigen Stücken des Albums.

Electric Orange setzen mit ihrem neuen Werk ein erstes Ausrufezeichen im neuen Jahr. Wer auf psychedlische Sounds vermischt mit Space- und Krautrock steht, der bekommt hier eine hypnotische Ladung verpasst, die einfach nur Spaß macht und streckenweise recht jamartig klingt. „Krautrock From Hell“ ist ein tolles Album, das klanglich ebenfalls keine Wünsche offen lässt, dafür hat mal wieder Soundguru Eroc gesorgt, der ganze Arbeit geleistet hat. Hohe Empfehlungsstufe !!!

Stephan Schelle, Dezember 2009
 


Das neue Jahr fängt gut an. Am 05.01. erscheint von Electric Orange die neue CD „Krautrock to Hell“ auf dem Markt, die ich direkt via Homepage bestellt und erhalten habe (manchmal lohnt es sich, persönliche Kontakte zu Musikern zu unterhalten :-). Allerdings ist das neue Jahr auch eine Zäsur für die Band, da Gitarrist Josef Ahns die Band verlassen hat (Anmerkung: nach der Aufnahme des Labums). Dafür ist mit Georg Monheim (der schon beim Bonustrack auf „Fleischwerk“ mitspielte) ein neuer Schlagzeuger dabei.

Musikalisch hat die Band die CD in zwei doch unterschiedliche Abschnitte gegliedert, was sie mittels Ansagen kenntlich machen. Der erste Abschnitt umfasst die Titel 1 - 5, der zweite die restlichen beiden.

Die ersten fünf Titel bewegen sich im Rahmen dessen, was sie schon auf den beiden vorangegangen CDs „Fleischwerk“ und „Morbus“ geboten haben. Es gibt wieder das metronomhafte, sehr in den Vordergrund gemixte Schlagzeug der heftigeren Sorte, dazu einen kraftvollen Bass und  als Sahnehäubchen die diversen Hammond- & Gitarrenspuren, Sprachsamples, Ethnodrums, Flöten und viel Hall. Erster Höhepunkt ist für mich das knapp zehnminütige „chorg“. In der ersten Hälfte darf die Gitarre über fließende Keyboardsounds in bester Spacerockmanier aufspielen (wunderschön verzerrt), in der zweiten wird der Hallraum geöffnet und ein Synthie übernimmt die Leadstimme (Minimoog?).

Eine „Neuerung“ gibt es im folgenden, zweigeteilten Stück „hers“. Nach einer knapp dreiminütigen Einleitung (eine wie aus weiter Ferne ertönende E-Gitarre mit ein paar Effekten) und einem Sprachsample ertönt plötzlich ein richtiger Ohrwurm mit Gesang. So habe ich die Band noch nicht gehört. Das könnte fast schon als Singleauskopplung durchgehen - prima. „kunstkopf“ erinnert an krautige Improvisationen oder Pink Floyd-Titel der frühen 70er, beendet mit seinem hypnotischen Rhythmus und den Hammondsounds den ersten Abschnitt der CD und bietet einen Ausblick auf die kommenden beiden Titel der „2. Seite“.

Mit akustischer Gitarre beginnt der Longtrack „neuronomicon“. Allerdings dauert dies nur eine knappe Minute, dann beginnt ein lang anhaltender Trip quer durch beste Krautrock/Psychedeliczeiten. Es dröhnt die Orgel, die Gitarre schwebt, es gibt allerlei Effekte und zusammengehalten wird das alles vom Schlagzeug und Bass, die dem langen Stück ein solides, kraftvolles Fundament geben. Noch krautig-elektronischer ist der abschließende Titel „wurmloch“. Hier huldigt die Band der frühen deutschen Elektronik, wie sie z. B. Tangerine Dream zu Zeiten von „Alpha Centauri“ oder „Atem“ gespielt haben.

Zusammenfassend gilt: die Band hat es geschafft, das hohe Niveau von „Morbus“ zu halten und einige neue Zutaten hinzuzufügen. Ich bin gespannt, wie sie in Zukunft klingen werden.

Andreas Plaeschke, Dezember 2009

   

CD-Kritiken-Menue