Der Moderne Mann – Unmodern plus

Der Moderne Mann – Unmodern plus
No Fun Records / Sireena Records (1982 / 2011)
(21 Stücke, 76:14 Minuten Spielzeit)

Nachdem spv/revisited records im Jahr 2009 die DoppelCD von Der Moderne Mann „Drama, Spiel und Blut …“ veröffentlichte, auf der die frühen Alben der Hannoveraner Band enthalten waren, kommt nun mit „Unmodern“ das zweite Album dieser Formation, das erstmals 1982 veröffentlicht wurde, bei Sireena Records auf den Markt. Die Neuveröffentlichung trägt den Zusatz „plus“, da neben dem Album auch noch die Titel der Single „Der Sandmann / Baggersee“, vier Demos von Songs des Albums, ein 2009’er Remake des Stückes „Anakonda“ sowie die nie erschienene Single „Welt“ (es existierten nur drei Testpressungen) enthalten sind.


Der Moderne Mann wurde bereits im Jahr 1979 von Gitarrist Eckart Kurt (E.K.T. genannt) und dem Sänger Ziggy XY in Hannover gegründet. Im Frühjahr 1980 erschien die erst EP „Umsturz im Kinderzimmer“ und wenig später das erste Album „80 Tage auf See“. Die Reaktionen auf das Album waren nicht enthusiastisch, stattdessen hagelte es Verrisse. Es kam zu Umbesetzungen und man nahm die erste Single („Der Sandmann/Baggersee“) in dem neuen LineUp, bestehend aus Martin „Mattus“ Simons (Gesang), E.K.T. (Gitarre, Gesang), Claudius Hempelmann (Schlagzeug) und Jens Gallmeyer (Bass, Gesang) auf.

Die zwei Titel der Single erfüllten das Motto, das E.K.T. einmal so formuliert hatte: „Ein Song über drei Minuten, der gut losgeht, ist wesentlich wichtiger als irgendein Experiment, bei dem ein paar Leuten die Ohren wegfliegen. Und auch die viel gepriesene Avantgarde dreht sich im Kreis, heute Experiment, morgen schon Konvention.“ SOUNDS bescheinigte dem Quartett, mit der Single „ein gutes Stück deutscher Popmusik“ abgeliefert zu haben.

Und noch einmal drehte sich das Wechselkarussell, denn für Hempelmann kam Fé Wolter ans Schlagzeug und während der Aufnahmen von „Unmodern“ kam für Gallmeyer nun Axel Wicke an den Bass. Beide Bassisten waren aber an der Produktion beteiligt.

Die CD beginnt mit den Stücken des Albums „Unmodern“. Los geht es mit dem mystischen „Anakonda“. Schlagzeug (ein wenig im Ska-Rhythmus gehalten) und Bass sind zunächst dominierend, während die E-Gitarre atmosphärisch (fast wie Wüstenrock klingt) dazu gespielt wird. Mattus Gesang hat etwas Bedrohliches und eindringliches. Im folgenden „Blaue Matrosen“, das ein Rocksong ist, verarbeiten die Jungs den Text von „Ein Schiff wird kommen“. Der Song hat etwas recht schwülstiges und homosexuelles, was zu damaliger Zeit schon recht gewagt war.

Reggae- und Ska-Rhythmen dominieren dann „Nur die“. Der wirklich tolle Sound wird ein wenig von der bewusst gelangweilt wirkenden Gesangsstimme konterkariert. Das hat aber einen ganz besonderen Charme. „Nicht warten“ hat dagegen etwas von Wave und Gothic. Auch kommen Elemente zum Vorschein, die ansatzweise an Kraftwerk erinnern. Und die Gitarren in „Gurus und Geheimagenten“ könnten von Bands der Marke Simple Minds stammen. Und auch die restlichen Stücke halten den Qualitätsstandard aufrecht.

Die Musik – seinerzeit wurden Der Moderne Mann mit den Fehlfarben verglichen, ist zeitlos und klingt heute noch gut, so dass das Album auch im Jahr 2011 noch Spaß macht. Das liegt vor allem an dem wirklich guten Sound und den Melodielinien, die – auch wenn sie manchmal monoton wirken – schnell ins Ohr gehen. Sireena Records hat mit dieser CD ein Album der abebbenden NDW-Ära vor der Vergessenheit bewahrt. Wer auf gut gemachte NDW mit Reggae-, Ska- und Rockeinflüssen steht, der bekommt hier beste Ware für die Ohren geliefert. Empfehlenswert.

Stephan Schelle, April 2011

   

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