Crystal Palace
– Still There Die Berliner Progressive-/Artrockband Crystal Palace hat sich mit ihren bisherigen acht Alben fest in der deutschen Prog-/Artrock-Szene etabliert. Ihr neuestes Album, „Still There“ ist ein Konzeptalbum geworden und befasst sich - ähnlich wie Steven Wilson’s Werk „Hand. Cannot. Erase.“ - mit dem tragischen Tod eines Menschen. Das Album, das in einem vierseitigen Digipack mit 20seitigem Booklet veröffentlicht wird, erschien bereits am 21.05.2022. |
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Die
Story beruht auf einem tragischen Erlebnis des Sängers, Bassisten und
Keyboarders Yenz: Als er die Treppe eines Aussichtspunktes in einem öffentlichen
Erholungsgebiet in seiner Heimatstadt Berlin hinaufstieg, sah er die
Aufschrift „still alive“, „still there“ an der Wand jedes neuen
Stockwerks geschrieben, buchstäblich Minuten, bevor er es passierte.
Einige Tage später las er von einem Doppelselbstmord an diesem
Aussichtspunkt. Die
Geschichte des Konzeptwerkes (Text aus dem Booklet): Anfang
März 2014 schrieb eine junge Frau kryptische Zeilen an die Wände eines
beliebten Aussichtsturms im Süden Berlins. Was diese Worte bedeuteten,
erfuhren die Menschen erst einige Tage später, als sie die Zeitungen
lasen. Dies ist unsere Interpretation zu dem, was passiert sein könnte
... Ein
etwas wildes junges Mädchen, das die Enge der Umgebung in ihrem ländlichen
Dorf in England satt hat, das es leid ist, von den Einheimischen als Außenseiter
angesehen zu werden, überredet ihren Freund, mit ihr nach Berlin,
Deutschland, zu ziehen. Sie ist sich sicher, dass sie in den Lebensstil
der Stadt passen werden, von der sie glaubt, dass sie niemals schläft.
Voller Hoffnungen und Träume für die Zukunft setzen sie mit der Fähre
von Dover nach Calais über, um England für immer zu verlassen. Doch
als das Mädchen ihrer Mutter nach einiger Zeit schreibt, haben sich die
Dinge nicht so entwickelt, wie sie es sich vorgestellt haben. Von ihrem
Freund zurückgelassen, spürt das Mädchen eine Depression in sich
aufsteigen, da sie sich in der Hektik des Alltags in diesem Moloch von
einer Stadt isoliert fühlt. Die Oberflächlichkeit und Bindungslosigkeit
der heutigen Gesellschaft, in der alles auf Konsum und Wachstum
ausgerichtet ist, überwältigt sie, und sie erkennt, dass es in dieser
Welt keinen Platz für sie gibt. Der Neuanfang, den sie gesucht hat, ist
zum Anfang vom Ende geworden ... Eines
Tages klettert sie verzweifelt und in selbstmörderischer Absicht auf den
Aussichtsturm am Rande Berlins und blickt über die Stadt in die Ferne, in
den Abendhimmel. Das außergewöhnliche Licht der untergehenden Sonne
erinnert sie an ihr Lieblingseis, als sie ein kleines Mädchen war. Schöne
Erinnerungen werden wach, Bilder von einem Leben ohne Sorgen schweben ihr
durch den Kopf, und so beschließt sie, sich wieder auf den Weg die Treppe
hinunter zu machen. Auf dem Weg die Treppe hinunter schreibt sie die Worte
„8. März. 16 Uhr ... noch da“ an die Wand. Doch schon bald verdüstert
sich ihre Stimmung wieder... Am
nächsten Tag kehrt sie zurück und steigt erneut die Treppe hinauf. Die
Aussichtsplattform hat Fenster und eine Tür, die zu einer kleinen
Terrasse führt. Viele Menschen stehen dort und beobachten die Landschaft
an diesem schönen Tag. Sie beobachtet diese Menschen, die ihr Leben noch
vor sich haben, wie eine Mutter, die ihr Kind an der Hand hält, scherzt
und das Leben genießt. Sie
hat jetzt alles hinter sich gelassen und hat keine Angst mehr. Sie denkt
an ihre verlorene Liebe, ruhig und sicher, was sie zu tun gedenkt ... Niemand
nimmt Notiz von ihr, die Menschen sind mit sich selbst beschäftigt, ohne
zu wissen, was gleich geschehen wird. Ihr Ziel ist ein in der Sonne
glitzerndes Fenster, durch das andere Menschen ein schönes Leben sehen können.
Sie könnte sich noch umdrehen, aber das ist keine Option mehr für sie.
Ihr Schicksal ist besiegelt. Am nächsten Tag erreichen die schrecklichen
Nachrichten unsere Wohnzimmer und lassen uns mit quälenden Fragen und der
Suche nach Verantwortung zurück. Hätte diese Tragödie verhindert werden
können? ... Warum hat niemand etwas bemerkt? Jetzt liegen nur noch
Erinnerungen auf dem Boden. Wir machen weiter mit unserem Leben und schließen
das Fenster ... wir sind immer noch da ... Das
Album beginnt mit der 2:48minütigen Einleitung „126 Steps“. Dieser
Track ist sehr keyboardlastig, atmosphärisch und cineastisch und bereitet
sehr gut auf die Thematik des Albums vor. Nahtlos geht es dann in den nächsten
Song, dem 8:53minütigen „Leaving This Land“ über. Hier kommen neben
den Keyboardsounds vor allem druckvolle Gitarren und Schlagzeug auf. Nach
gut einer Minute entwickelt sich dann ein Rocksong, der sich im
Neoprog-Umfeld bewegt. Das machen Crystal Palace auf hohem Niveau. Dabei
wechseln sie Struktur, Rhythmus und Melodie, so dass der Spannungsbogen
hoch bleibt. Dann
geht es nahtlos weiter in das 9:48minütige „A Plan You Can’t
Resist“, bei dem sie sehr ruhige Passagen mit kraftvollen Riffs ergänzen.
Cellosounds und Keyboardflächen sorgen für die dramatischen Momente, die
mehrmals in die druckvollen Passagen einbrechen. Das Stück „Planned
Obsolenscence“ weist in Richtung RPWL und „Shadows“ verbindet
proggige Elemente der Marke Galahad mit heftigen Metalriffs. Der
Konzeptcharakter wird durch eingeflochtene gesprochene Passagen (in
„Dear Mother“ und „Planned Obsolenscence“ sowie einem
Herzschlagrhythmus mit eindringlich gesprochenem Text in „Unquite
Window“) noch verstärkt. Crystal
Palace haben durch die ineinander fließenden Songs ein kompaktes Werk
geschaffen, das vor Intensität, Dichte und Komplexität nur so strotzt.
Sie haben mit ihrem Konzeptalbum „Still There“ ihr bisher bestes Werk
erschaffen. Die Musik auf dem Album ist stilistisch im Neoprog verortet
und mit kraftvollen Elementen verwebt. Ein klasse Album. Stephan Schelle, Juni 2022 |
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