Connor Selby – The Truth Comes Out Eventually
Provogue Records (2025)

(10 Stücke, 46:44 Minuten Spielzeit)

Ein britischer Troubadour startet weltweit durch

Ich hatte bis Mitte Mai 2024 noch nie etwas von dem britischen Barden Connor Selby gehört oder gesehen. Dann eröffnete er aber den zweiten Tag beim 31. Internationalen Blues Festival Schöppingen und überraschte mich. Der etwas schüchtern und introvertiert wirkende junge Barde aus Essex hat schon ein bewegtes Leben an vielen Orten dieses Globus hinter sich und ist ein großer Hoffnungsträger des britischen Blues.

 


Slap-Attack-Basser Lars Lehmann aus Hannover, der wegen Ausfall eines britischen Musikers wegen Erkrankung dort in Schöppingen einsprang, meinte später zu mir: „Guter junger Musiker mit einer Menge Potential.“ Das stellten inzwischen auch sehr viele andere Kollegen weltweit fest und deshalb ist er gern gesehener Gast bei verschiedensten Veranstaltungen oder Aufnahme-Sessions. So auch beim Instrumental-Titel „Going Home (Theme From Local Hero)“, der Wohltätigkeitsaufnahme von Mark Knopfler zu Gunsten des Teenage Cancer Trust. Oder beim Lied „Make You Mine“ vom Album „No Country For Bluesmen“ von den ebenso angesagten The Cinelli Brothers aus London. Die heizten übrigens in Schöppingen 2024 auch ordentlich ein.

Connor wurde 2020, 2021 und 2022 bei den UK Blues Awards verdient zum Nachwuchskünstler des Jahres gewählt und 2025 Traditioneller Blues Artist des Jahres. Außerdem hat er in seiner kurzen Karriere bereits eine beeindruckende Liste von Auftrittsorten und Konzerten vorzuweisen. Aber Lobes-Hymnen aus allen Richtungen ist die eine Seite, die andere ist, was wird tatsächlich geliefert. Beispielsweise mit dem bei Provogue Records Ende August erscheinenden dritten Album „The Truth Comes Out Eventually“ von dem aufstrebenden britischen Troubadour Connor Selby.

Es geht lässig und entspannt mit dem 5-minütigen „Someone“ los, mit punktgenauen Gebläse und ordentlichen und dichten Hintergrundgesang und ein passgenaues Gitarren-Solo darf auch nicht fehlen. Zuletzt geht Connor volle Pulle, zusammen mit der Orgel kreischt er mit Stimme und Gitarre um die Wette. Connor explodiert förmlich am Mikrofon!! Die Band erinnert mich hier sehr stark an einige Kompositionen von Jan Hirte’s Blue Ribbon, die Klangstruktur von Connor‘s Stimme an Stef Rosen.

Mit „All Out Of Luck“ geht es in diesem Stil weiter. Diese beiden mitreißenden Lieder gleich zur Eröffnung zeigen Connor ganz im Stil eines klassischen Bandführers. Und das steht ihm, obwohl er noch so jugendlich wirkt, gut zu Gesichte. Mit der Ballade „The Truth Comes Out Eventually“ wird etwas Tempo rausgenommen, aber die musikalische Qualität bleibt auf höchsten Niveau.

„(I Am) Who I Am“, ein echt rollender Blues-Rocker mit allen vorbezeichneten Attributen, Connor zeigt was er an den Gitarren so kann, bleibt aber immer tief im Gruppengefüge, man hat wieder das Gefühl, hier musiziert eine Big-Band. Mit „I Won't Be Hard To Find“, einer gefühlvollen Country-Rock-Ballade, tragen Slide-Gitarre, Orgel, Piano ausgewogen dieses schöne Lied mit Gänsehautfaktor.

Die zweite Hälfte des Albums „The Truth Comes Out Eventually“ beginnt wieder etwas rockiger mit „I'll Never Learn“, wir sind damit vom Tempo zurück am Beginn des Albums. Mit dem ruhigen „Amelia“ nimmt er wieder etwas Tempo raus, reduziert akustisch Bass und Gitarre und Stimme im Dialog, klasse gemacht, einfach, gut und schön. Mit „It Hurts To Be In Love“ geht es zurück in den Big-Band-Modus mit phänomenalen Orgel-Solo. Daran knüpft auch „What Else Is There To Say“ an, zu Beginn und zum Schluss zwei Big-Band-Kracher. Zuletzt mit „Songbird“ eine 3-minütige atmosphärische Ballade im Stil Frau-Mann-Duo, ein echt starker Abschluss. Schon die Wiederholtaste gedrückt und es geht wieder von vorne los.

Ein durchgängig erwachsenes Rock-Album mit zehn ausdruckstarken Kompositionen, jedes einzelne Lied hat seinen eigenen Charakter, alles erstklassig produziert und von einer erfahrenen Mannschaft eingespielt. Vergleiche könnte ich nun dutzendweise nennen, aber es ist gar nicht nötig. Denn Connor Selby hat unter seiner schönen Stimme, erinnert an die frühe Zeit von Eric Clapton als Solist, einen wunderbaren Klangteppich gelegt, der jede seiner Kompositionen über das gesungene Lied trägt. Auch wenn es abgedroschen klingt, so könnte Nick Drake heute auch klingen, wenn er seine inneren Kämpfe überwunden hätte. Denn der Unterschied ist die positive Grundstimmung dieser zehn Lieder, die sich schon beim ersten Durchlauf in den Gehörgängen festklammern und sich dort gemütlichen einrichten. Wieder ein starkes Ausrufezeichen von der britischen Insel.

Roland Koch, August 2025

   

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