Blind Ego - Numb

Blind Ego - Numb
Rough Trade / Universal (2009)
(11 Stücke, 68:40 Minuten Spielzeit)

Kalle Wallner, Gitarrist der erfolgreichen süddeutschen Prog-/Artrockband RPWL, ging 2007 Solowege und veröffentlichte unter dem Projekt Blind Ego das Album „Mirror“, auf dem er Stücke versammelte, die nicht ganz auf die RPWL-Alben passten, weil sie teils zu hart waren. Eigentlich wollte Kalle damit zur Heilung seiner Seelenwunden beitragen. Das dies dann so erfolgreich wurde und ihm, sowie seinen Mitstreitern auf der darauf folgenden Tour so viel Spaß machen würde, konnte er damals wohl auch nicht vorhersehen. Dieser glückliche Umstand verschafft uns das Vergnügen, am 03.04.2009 einen Nachfolger präsentiert zu bekommen.


Das neue Album trägt den Titel „Numb“ und zeigt, dass der Erstling „Mirror“ keine Eintagsfliege war. Kalle Wallner hat sich neben Paul Wrightson (Ex-Arena), der dieses Mal den kompletten Lead-Gesang übernimmt, auch wieder Bassist John Jowitt (IQ) und seinen RPWL-Mitstreiter Yogi Lang (Backgroundgesang) an Bord geholt. Neben diesen Musikern, die schon beim Debüt dabei waren, sind Schlagzeuger Michael Schwager von der Progmetal-Band Dreamscape, Sebastian Harnack (Sylvan) am Bass sowie Sepultura-Schlagzeuger Iggor Cavalera zu hören. Letzterer kam wegen eines Konzertes ins Farmland-Studio und hörte das neue Material. Er war so angetan, dass er es sich nicht hat nehmen lassen, die Drums beim letzten Stück „Change Reprise“ einzuspielen.

Wie schon beim Vorgänger liefert Kalle Wallner mit seinem Blind Ego-Projekt eine härtere Variante von RPWL ab. Allerdings startet er mit dem Opener „Lost“ zunächst elektronisch, lässt aber nach nicht mal einer Minute schon die Gitarrenbreitseiten auf den Hörer los. Diese Breitwand stellt einen Gegenpol zur Akustikgitarre sowie Paul’s durch Vocoder verfremdeten Gesang dar. Beides passt aber ganz hervorragend zueinander. Schon in diesem ersten Track zeigt Kalle seine Stärke, rockige Gitarren und ein treibendes Schlagzeug mit eingängigen Melodien zu verbinden. In die gleiche Spur geht das folgende „Guilt“. Es fängt mit Akustikgitarre und Vocoderstimme an und erinnert sehr stark an RPWL, doch dieser Eindruck wird - wie schon beim Opener - kurz vor der Einminutengrenze durch sägende Gitarrenriffs unterbrochen und es entwickelt sich eine mitreißende Hardrocknummer.

Das Titelstück glänzt mit ausgefeilten Gitarrenlicks, bei denen Kalle sein ganzes Können zeigt. Das ist einfach faszinierend und fesselnd zugleich. Auch hier kann er seine RPWL-Herkunft nicht leugnen, denn ein ums andere Mal blitzen Sounds seiner Hauptband durch. Im balladesken „Leave“ gefällt mir besonders das Zusammenspiel von E-Gitarre und Schlagzeug. Aber was schreibe ich da, auch dieser Song hat eine gewisse Kraft, vor allem in den Instrumentalpassagen. Ansonsten klingt der Song nach einer Arena-Ballade mit unter die Haut gehendem Gesang. Und mit „Risk“ gibt es dann noch eine zweite Ballade auf dem Album. Der mit 9:38 Minuten längste Track des Albums „Death“ ist ein Song, der unglaublich unter die Haut geht, da er sehr filigran vorgetragen wird (man höre sich nur die g**** Kombination aus Gitarre und Keyboard an - Gänsehaut garantiert), ohne an Kraft oder Spannung zu verlieren. Vielleicht der Beste Track des Albums. Die restlichen Stücke halten die hohe Qualität aufrecht, so dass es auf dem Album keinen Ausfall gibt.

„Numb“ ist ein klasse Rockalbum geworden, das seinem Vorgänger in Nichts nachsteht. Kalle Wallner zeigt erneut, dass er zu den besten Gitarristen Deutschlands gehört. Wer „Mirror“ mochte, der kann hier blind zugreifen. Ich freue mich schon sehr darauf, die Stücke des neuen Albums im Mai diesen Jahres live auf der Bühne erleben zu dürfen, denn dort werden sie ihre ganze Kraft entfalten. Absolute Empfehlung !!

Stephan Schelle, Februar 2009

   

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