Bill Bruford - Making A Song and Dance: A Complete-Career Collection
BMG/Warner (2022)

(70 Stücke, 405:20 Minuten Spielzeit)

Der Brite Bill Bruford ist einer der vielseitigsten Schlagzeuger weltweit. Von seinen Anfängen bei der Progressive Rock-Legende YES über ein Vierteljahrhundert bei King Crimson bis hin zur bahnbrechenden Jazz-Fusion, die er mit seinen eigenen Projekten Bruford und Earthworks realisierte, wollte Bill Bruford stets die Grenzen der von ihm gewählten Disziplin voll ausloten - und weiter ausreizen. Dieser Wunsch, Konventionen in Frage zu stellen, ermöglichte einige atemberaubende Momente. Bruford avancierte zu einem der gefragtesten Schlagzeuger für die Zusammenarbeit mit Top-Musikern auf der ganzen Welt.


Bill Bruford war Gründungsmitglied (1968 - 1972) der Progressive Rock-Pioniere YES und als Musiker und Komponist an deren Genre-definierenden Trilogie „The YES Album“, „Fragile“ und „Close To The Edge“ beteiligt. Als Mitglied von Anderson Bruford Wakeman Howe (ABWH) im Jahr 1989 und für das Album und die Tournee von YES „Union“ folgte in den Jahren 1991 und 1992 eine Fortsetzung dieser Zusammenarbeit. Im Jahr 2017 wurde er als Mitglied von YES in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen.

Bruford, der für seine klingende Metalltrommel, knackige Beckensounds und das Gespür für komplexe Taktarten bekannt war, suchte nach neuen Herausforderungen. Die sich ständig verändernden musikalischen Horizonte von King Crimson boten ihm die Möglichkeit, in den folgenden 25 Jahren zu forschen und zu experimentieren. Bruford vervollständigte seinen Hattrick bei den Prog-Giganten, indem er sich 1976 Genesis anschloss, für deren erste Tournee mit Phil Collins als damals neuen Sänger. Neben seiner Arbeit mit King Crimson tourte er mit National Health, war Mitglied der All Star Band UK und leitete seine Jazz-Fusion-Band Bruford.

1986 gründete er Bill Bruford’s Earthworks, um seine Liebe zum Jazz weiter zu vertiefen, ein Projekt, das bis zu Brufords Rückzug aus der Musik im Jahr 2009 andauern sollte. Nebenbei gründete Bruford die beiden Plattenfirmen Winterfold Records und Summerfold Records. Er war ein gefragter Partner von Künstlern wie Patrick Moraz und Michiel Borstlap, wirkte aber auch an Werken von Roy Harper, Al Di Meola, David Torn, Kazumi Watanabe und vielen weiteren Musikern mit. Während dieser Zeit gab er weiterhin weltweit Workshops, unterstützt von Tama Drums und Paiste Cymbals.

„Mein Interesse galt dem breiteren Diskurs über das Schlagzeug und das Schlagzeugspielen und nicht irgendwelchen Vorstellungen von Erfolg oder Ruhm“, sagt Bruford. „Auf letzteres konnte ich wenig Einfluss nehmen, aber in den 1960er Jahren war der Diskurs weit offen und ein sinnvoller Beitrag schien überall möglich. Der Kontext, in dem der erste Song des Boxsets entstanden ist (Anmerkung: hier ist der Yes-Song „I’ve Seen all Good People“ gemeint), hat fast nichts mit dem Kontext zu tun, in dem der letzte Titel (Bruford-Borstlap – „Kinship“) vier Jahrzehnte später entstanden ist.“

Bruford erklärt weiter: „Es wurde sehr viel Wert auf den Begriff des Unterschieds gelegt. Ich wollte anders klingen als Zeitgenossen wie Carl Palmer (ELP), Brian ‘Blinky’ Davison (Nice) oder John Bonham (Led Zeppelin). Ich dachte mir, wenn ich es vorher noch nicht gehört hatte, dann hatten es die anderen Jungs in der Band wahrscheinlich auch nicht. Meine Existenzberechtigung war es, mir interessante Dinge für das Schlagzeug auszudenken. Ich dachte auch, dass sie mich dafür bezahlen würden. Es war mir ziemlich egal, was die Kritiker, Kommentatoren oder Musikwissenschaftler dachten, und das sollte für viele Jahre mein Grundstein, mein Modus Operandi bleiben.“

BMG/Warner hat am 29.04.2022 eine sechs CDs umfassende Retrospektive dieses Ausnahmemusikers unter dem Titel „Making A Song And Dance: A Complete-Career Collection” veröffentlicht. Die sechs CDs sind in einer Hardcoverbox verpackt, die neben den Silberlingen, die in drei vierseitigen Papersleeves verpackt wurden, auch noch ein Poster des Covers sowie ein 52seitiges Hardcoverbook, in dem sich eine von Bill Bruford verfasste Biografie mit seltenen Fotos befinden, enthält.

Für die neue Anthologie hat Bruford Songs aus seiner gesamten Karriere ausgewählt, die Werke von 23 verschiedenen Künstlern und Bands aus einem Zeitraum von 40 Jahren umfassen. „Ich habe es bewusst vermieden, sie in Branchenkategorien wie ‘Progressive Rock’, ‘Fusion’ oder ‘Jazz’ einzuordnen“, fügt Bruford hinzu, „weil die meiste Musik, mit der ich in Verbindung gebracht wurde, nur sehr schlecht in solche Schubladen passt - ich denke da an runde Löcher und eckige Stifte.“

Die ersten beiden CDs tragen den Untertitel „The Collaborator“ und enthalten Stücke von den Bands Yes, King Crimson, UK und Anderson, Bruford, Wakeman , Howe, an denen er beteiligt war. Die CDs Nummer 3 und 4 wurden „The Composing Leader“ betitelt und enthalten Stücke von seinen Soloalben und seinen Projekten wie zum Beispiel Bill Bruford’s Earthworks und Earthworks Underground Orchestra. CD Nummer 5 hat den Untertitel „The Special Guest“ und bietet unter anderem Stücke von Roy Harper, Chris Squire, Al di Meola und Steve Howe. Der letzte Silberling trägt dann „The Improviser“ im Untertitel. Sie bietet unter anderem Stücke von Moraz-Bruford, David Torn oder Bruford-Borstlap.

Ob im Progressive Rock- Jazz- oder Fusion-Bereich, Bill Bruford zeigte in allen Spielarten eine hohe Qualität. Nicht umsonst wurden seine Leistungen unter anderem durch die Aufnahme in die Top-20-Liste der „Greatest Drummers of All Time“ des Magazins Rolling Stone gewürdigt. Von seinen Qualitäten kann man sich nun in der sehr gut gemachten Retrospektive „Making A Song And Dance: A Complete-Career Collection” überzeugen.

Stephan Schelle, Mai 2022

   

CD-Kritiken-Menue