Wolfgang Nachahmer - Eiszeit
 

Wolfgang Nachahmer - Eiszeit
SynGate Records (2018)
(8 Stücke, 48:24 Minuten Spielzeit)

Nach dem 2017'er Album „Hexenkessel“ des anonym bleibenden Elektronikmusikers Wolfgang Nachahmer (es soll sich um einen Musiker handeln, der bereits seit Jahrzehnten elektronische Musik macht, aber für sein neues Produkt die reinen Klänge sprechen lassen will), ist 2018 die CDR „Eiszeit“ erschienen. Sein Pseudonym assoziiert, dass hier ein Stil nachgemacht wird, was sich aber mit dem Debüt keineswegs bewahrheitet hat. Vielleicht will uns der Musiker aber auch nur ein bisschen in die Irre führen.

 

 


Aus seinem Wunsch, als Solo-Künstler seiner Leidenschaft für die Berliner Schule zu folgen, entstand das Projekt „Wolfgang Nachahmer“, über das der Musiker seinen Vorstellungen folgen kann, ohne etwaige Erwartungshaltungen an seine Person seines anderen Musikprojektes erfüllen zu müssen.

Für die Technikinteressierten hier die Listung der genutzten Instrumente: Arp Omni 2, Arp Odyssey MK3, Oberheim 2 voice, Polymoog, Micromoog, Multimoog, Moog Little Phatty, Crumar DS-2, Korg O1W/fd, Korg ER-1,Kawai 100P, Kawai K5000S, Roland JD800, Yamaha A4000 Sampler, E- und Akustikgitarren.

Sieben Stücke mit Laufzeiten zwischen 3:46 und 6:03 Minuten Spielzeit sowie ein Longtrack, der es auf 13:30 Minuten Länge bringt, finden sich auf dem Silberling, der für Elektronikverhältnisse mit 48 Minuten eher kurz geraten ist.

Nachahmer hat sich auf seinem zweiten Album dem Sound der 80'er Jahre verschrieben. Allerdings zeigt sich seine Musik nicht ganz so eisig, wie es der Albumtitel verspricht. Die „Berliner Schule“ ist aber, wie schon beim Erstling, als Grundessenz in den Stücken verarbeitet worden und um einen eigenen Sound erweitert worden.

Schon der Opener „Hermes“ weist in Richtung Tangerine Dream, allerdings nur in Form von einigen Sequenzern und Klangfarben sowie Harmonielinien. Recht flott kommt dieses Stück aus den Boxen auf den Hörer zu.

Mit verfremdeter Stimme beginnt dann das 5:28minütige „Monotaur“, während im Hintergrund rhythmische Synthiesounds langsam die Oberhand gewinnen. Ein stoischer Rhythmus aus dem Drumcomputer übernimmt dann den Grundrhythmus auf dem die Melodiefolge gelegt wurde. Ein recht melodisches Stück

Tuckernde Sounds starten dann „Zaubertrank“. Langsam entwickelt sich eine einfache Melodiefolge, die sich immer weiter in den Vordergrund schiebt, bis dann Mellotron artige Klänge einsetzen. Mystisch wandelt dieser Track dahin um dann mit Synthiechören und Streichersounds zu enden. Dass Titelstück besteht zunächst aus zerhackten, schnell aufeinander folgenden Synthieklängen, die dann durch technologisch wirkende Klänge abgelöst werden. Ich kann mir bei diesem Sounds gut die weiße Weite einer Eislandschaf vorstellen. Auch wirken die Sounds eine Spur bedrohlich, so als komme etwas auf den Hörer zu. Dieser Track eignet sich damit auch perfekt für den Spannungsaufbau eines Filmes.

„Es gibt keine mehr“ ist mit 13:30 (auf dem Cover ist der Track mit 13:15 angegeben) längste Track des Albums. Schnell kommen Sounds auf, die an Tangerine Dream der 80'er Jahre erinnern. Die Klanglandschaften und Melodielinien sind traumhaft. Hier kommen dann auch Gitarren zum Einsatz. Es klingt so ein bisschen wie die Mischung aus Tangerine Dream und Alan Parsons. Langsam entwickelt sich das Stück, steigert sich, um dann zum Ende hin zu entschleunigen.

Akzentuiert mit zunächst spärlich gesetzten Synthietupfern beginnt „Kirlian“. Fast wirkt es anfangs wie ein John Carpenter Track, doch sobald es nach etwas mehr als einer Minute rhythmischer wird, entwickelt sich ein wunderbarer, fesselnder Part, bei dem Nachahmer auf dem Rhythmus zu improvisieren scheint und die Synthies teilweise zum zirpen bringt. Ein hypnotischer Track.

Synthie-Winde rauschen in „Die einsamen Schatten“ dahin. Dazu kommen dann auch recht melancholische Klänge. Ganz anders stellt sich der Abschlusstrack „Der Mothmann“ dar. Hackende Synthiemotive, unterlegt mit echohaften Synthiesounds bestimmen zunächst das Bild. Nach und nach kommt dann aber ein Motiv in den Vordergrund und auch der Rhythmus wird angezogen. Das klingt hochgradig spannend. Vor allem im zweiten Teil, wenn der Rhythmus noch mehr an Fahrt aufgenommen hat, wird dieser Track unwiderstehlich. Ein tolles Stück, das für mich den Höhepunkt dieser Veröffentlichung darstellt.

Mit seinem zweiten Album „Eiszeit“ hat der unter dem Pseudonym Wolfgang Nachahmer agierende Elektronikmusiker ein weiteres Album mit tollen Melodien und Sounds erstellt, das den Spirit der „Berliner Schule“ der 80'er Jahre aufnimmt und sie mit einer eigenen Handschrift ausführt. Ein gelungenes Werk das die Spannung der wahren Identität weiter anheizen wird.

Stephan Schelle, April 2019

 
   

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