Thomas Jung - 03
 

Thomas Jung - 03
Eigenvertrieb (2019)
(8 Stücke, 77:45 Minuten Spielzeit)

Nachdem der deutsche Elektronikmusiker Thomas Jung im Jahr 2013 sein Debütalbum „Painting The Sun“ und zwei Jahre später den Nachfolger „Seasons Of Change“ veröffentlichte, hat er sich bis zum Erscheinen seines dritten Longpayers, das den schlichten Titel „03“ trägt, etwas mehr Zeit gelassen. Die neuen Klanggemälde auf „03“ sind zwischen Dezember 2016 und Dezember 2018 im heimischen Studio des Kirchbergers (Hunsrück) komponiert und eingespielt worden. 

 

 


Thomas sagt selbst über die Musik und den Zeitraum zwischen den beiden Alben: „Die Zeit schreibt ihre eigene Geschichte, die Musik steht immer im Kontext der persönlichen Situation des Komponisten. Diese Verbindung reicht, um eine entsprechende Wirkung zu erzielen. Der kreative Prozess wird von vielen Faktoren beeinflusst, dazu zählen eben Equipment, Produktionstechnik und Rahmenbedingungen.“

Alle Stücke wurden von ihm, mit Ausnahme von „Arrival (Season Of Change Part 5)“, bei dem sich Thomas Unterstützung von Sylvia Weiand am Akkordeon geholt hat, im Alleingang eingespielt. Thomas’ musikalische Einflüsse sind nicht nur im Elektronikbereich zu finden, ist er doch auch Keyboarder der Bands Frank Out (Frank Zappa Tribute), dem Akustikduo Wich One’s Pink? und der Session Group, die sich mit Jazz Rock der 70’er und 80’er Jahre befasst. Diese unterschiedlichen Betätigungsfelder zeigen seine ganze musikalische Bandbreite und beweisen, dass er sich stilistisch nicht wirklich festlegen lässt.

Die acht Stücke auf dem Album haben Laufzeiten zwischen 2:26 und 18:18 Minuten Spielzeit. Fünf der Stücke sind Longtracks mit Laufzeiten von mehr als neun Minuten Länge.

Mit dem kürzesten Stück „Arrival (Season Of Change Part 5)“, mit dem er an sein 2015’er Album anschließt, beginnt das neue Werk. Mit Samples von vorbeifahrenden Autos auf einer Schnellstraße oder einer Autobahn beginnt das Stück. Zu diesen Klängen spielt Sylvia einige Klangmuster auf dem Akkordeon. Nach etwas mehr als einer Minute gesellt sich Thomas dann mit Flächen und einem Pianomotiv dazu, während im Hintergrund immer weitere Autos von links nach rechts und umgekehrt durch den Raum ziehen.

Nahtlos schließt sich dann der zweite, gut 15minütige Track „Autumn Children“ an, der mit mysteriösen Klangbildern beginnt. Psychedelische Soundmuster treffen auf einen ekstatischen Rhythmus/Klang-Mix der dem Hörer die Sinne vernebelt. Durch diese Klangmuster muss man sich als Hörer zunächst wie durch einen dichten Dschungel kämpfen. Aber auf eine eigentümliche Art nimmt dieses anfängliche Klangmonster gefangen. Nach gut drei Minuten entspannt sich die Situation und es kommt ein Sequenzerrhythmus auf, der den Track nun voranschiebt. Darauf setzt Thomas zunächst knarrende, knarzende Synthieklänge und überlässt dem Sequenzer dann das Feld. Nach etwas mehr als vier Minuten Spielzeit kommt ein pumpender Beat auf, der zusammen mit dem Sequenzer eine hypnotische Liaison eingeht. Dann kommen Melodiebögen auf und spätestens jetzt nimmt einen das Stück vollends gefangen. Ab Minute Sieben sorgt dann die Melodie für eine Gänsehaut. Ein klasse Track, der sich in keine Schublade stecken lässt.

Das dritte Stück „State Of Affairs“ bringt es auf gut zwölf Minuten Länge und beginnt mit ruhigen Synthieklängen. Ab Minute Eins kommt dann ein akzentuiert gesetzter Rhythmus auf, dessen Bassklänge zunächst eingestreut werden. Darauf folgen weitere Rhythmusstrukturen und flirrend wirkende Synthiesounds, die zunächst einen Spannungsbogen aufbauen und sich stetig weiterentwickeln. Das ist hochgradig spannend und strahlt eine hypnotische Wirkung aus. Thomas platziert in den Track einige Soli, die unter anderem eine leicht jazzige Note entfalten. Es folgen weitere herrliche Melodiepassagen, die nicht nur den Elektronikfreund ein Lächeln ins Gesicht treibt, sondern sich auch gut in einem Rocksong als Soli machen würden. Stoisch trabt dieser Track über die volle Spielzeit dahin ohne dass einen Moment Langeweile aufkommt.

Schwurbelnde Synthiesounds eröffnen das neuneinhalbminütige „Dance“. Klangtupfer addieren sich nach einer Weile dazu und ein Rhythmus, der mich an Vangelis „Albedo 0.39“ erinnert kommt auf. Immer mehr Sounds und Rhythmusmuster werden nach und nach dazu addiert und nach gut dreieinhalb Minuten schält sich eine Harmonie aus dieser Soundcollage heraus und wird um einige jazzige Klänge ergänzt. Ein außergewöhnliches Stück.

Das dreiminütige „Nadir“ ist ein ruhiges Stück, bei dem Thomas Harmonien aneinandereiht und somit ein sanftes Stimmungsbild erzeugt. „Motion Part 1 – Walking“ (18:18 Minuten) und „Motion Part 2 – Running“ (11:07 Minuten) sind zwei Stücke die Thomas nahtlos ineinander gemischt hat. Während „Part 1 – Walking“ eher ruhig angelegt ist, kommt „Part 2 – Running“, dem Titel entsprechend rhythmischer daher. Mit piepsenden Elektronikklängen und der sanften Melodie hat man das Gefühl einen Spaziergang in der Natur zu unternehmen, bei dem die Vögel von den Bäumen zwitschern. Der Track entwickelt sich aber immer weiter und sorgt durch den Orgelsound und dem langsam dahintrabenden Rhythmus für ein entspanntes Feeling. Klangfarben und Harmonieführung lassen darüber hinaus ein Retrofeeling aufkommen.

„Part 2 – Running“ geht sofort rhythmisch los. Auch hier sind die zirpenden Synthiekänge zu hören, erinnern mich aber in ihrer Art und Weise an den Sound von Nattefrost. Dazu sorgt ein treibender Sequenzerrhythmus für den Drive. Nach etwas mehr als einer Minute kommt dann eine sehr schöne Melodielinie auf, die den Nostalgiefaktor erneut anschwellen lässt. Ein sehr schöner, abwechslungsreicher Track.

Den Abschluss bildet dann das 6:11minütige Stück „Onward Day By Day“. Eine von kühlen Synthiesounds bestimmte Rhythmik wirkt zunächst recht mechanisch. Dann kommt aber ein hinreißendes Keyboardsolo mit Gitarren ähnlichen Klangfarben auf, die einem Rocksong gut zu Gesicht stehen würden. Das Ganze hat Thomas aber nicht clean angelegt, sondern er hat auch einige schräge Klänge hinzugefügt, die dem Track die ganz besondere Note verleihen.

Wie schon auf seinen Vorgängeralben, so lässt der Elektronikmusiker Thomas Jung sich auch auf „03“ nicht in irgendeine Schublade stecken. Herausgekommen ist erneut ein faszinierendes Werk, das durch eine ungeheure Klangvielfalt glänzt.

Stephan Schelle, März 2019

 
   

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