Steve Schroyder & Alien Voices – Qigong Dancing
 

Steve Schroyder & Alien Voices – Qigong Dancing
Eigenvertrieb (2012)
(9 Stücke, 62:54 Minuten Spielzeit)

Der Elektronikmusiker Steve Schroyder ist bekannt durch seine Beteilung bei Tangerine Dream und durch sein Projekt Star Sounds Orchestra. Seit nunmehr 1970 ist der gelernte Orgelbauer in der elektronischen Musikerzeugung unterwegs und hat seither eine Vielfalt an musikalischen Stilen hervorgebracht. Im letzten Jahr stand er zusammen mit dem polnischen Keyboarder Józef Skrzek und den beiden Oberton-/Kehlkopfsängern Kolja Simon und Felix Mönnich (beide firmieren als Alien Voices) beim electronic circus-Festival in Gütersloh auf der Bühne. Dort lieferten sie einen hypnotischen, umwerfenden Auftritt ab.

 


Steve hat nun zusammen mit Alien Voices die CD „Qiging Dancing“ herausgebracht. Der Titel und auch das Coverbild, auf dem die Tiere Bär, Kranich, Tiger und Schlange zu sehen sind, vermitteln zunächst, das es sich um eine Art Wellness- oder Esotherik-Platte handeln könnte. Davon sollte man sich nicht irritieren lassen, denn obwohl das Thema die Verbindung von westlichen und östlichen Denk- und Bewegungsansätzen darstellt, bietet die CD lupenreine Elektronikmusik mit ebensolchen hypnotischen Beats und Klängen, wie sie beim Auftritt in Gütersloh zu hören waren.

Neun Tracks beinhaltet die CD, deren Laufzeiten zwischen 3:41 und 9:36 Minuten liegen. Los geht es mit dem hypnotischen Stück „Sun 4 Seasons“, bei dem der basslastige, dunkle Ton am Anfang des Stückes von Alien Voices beigetragen wird. Das hat was von Didgeridoo-Klängen, ist aber wesentlich organischer. Dann setzt der Synthie von Steve ein und ein stampfender Beat kommt hinzu. Ab jetzt ist man in der Falle, denn diese hypnotischen Sounds vernebeln einem sofort die Sinne. Auch orientalische Klangmuster mischen sich in dieses Stück und transportieren es auf eine weitere Ebene. Hatte mich dieser Track schon beim electronic circus-Festival in Gütersloh umgehauen, so überzeugt er mich auf CD in gleicher Weise. Das ist Musik mit hohem Gänsehautfaktor, zum Chillen, Meditieren und Abtanzen gleichfalls geeignet. Allein dieser Track würde den Kauf der CD rechtfertigen, aber es kommen ja noch acht weitere Stücke.

Zu Beginn von „Moon On Siberia“ hört man Synthieflächen auf denen gehechelte Stimmen einen gehetzten Eindruck erwecken. Doch schnell ist diese Stimmung verflogen und die Synthieflächen und Harmoniebögen ziehen sanft durch den Raum. In diesem Stück geht es weniger melodisch zu wie im ersten Track. Steve, Kolja und Felix erzeugen hier eher eine mystische, exotisch wirkende Stimmung. Das wird durch ausländisch klingende Laute und den Einsatz von Streichinstrumenten noch verstärkt.

Wunderbare Flächen und Harmonien durchziehen zunächst bei „Tiger Rising“ den Raum, bis dann ein pumpender Beat, der technoartig aber doch recht sanft wirkt, aus den Boxen schallt. Jetzt hat Steve mich sofort wieder gepackt. Die Stimmen von Alien Voices haben das Flair eines indianischen Ritualtanzes. Beides passt perfekt zueinander, denn wieder macht sich diese hypnotische Wirkung breit.

Auch „Ju Me Snake“ ist von dieser hypnotischen Art beseelt, denn auch hier werden unter die Haut gehende Synthiesounds mit den unglaublichen Klangmotiven von Alien Voices verbunden und auf einen rhythmischen Teppich gelegt. Mit „Roots And Crown“ folgt dann wieder ein Stück, bei dem Steve den Fokus auf die Erzeugung von Stimmungen legt. Rhythmus und Melodie sucht man hier vergeblich. Es ist eine Art Ruhephase in einem Album voller rhythmischer Momente.

Bei „Sun 4 Seasons (Chilling Bear)“ weist nicht nur der Titel Ähnlichkeiten zum Eröffnungsstück auf. Man könnte sagen, dass es ein Remix des ersten Tracks darstellt. Die Hypnotik ist hier auf jeden Fall auch erhalten geblieben, auch wenn es etwas druckvoller klingt. Der hymnische Beginn von „Flight Of The Crane“ wechselt in eine einfache, aber sehr schöne Melodie, die eine Spur „Berliner Schule“ in sich trägt, dann aber durch den perkussiven Rhythmus und die Gitarrensounds recht kommerziell klingt. Ein locker leichter Track.

„Tigers From Mars“ klingt vom Titel recht düster, zeigt sich aber zunächst durch eine Kombination aus fast sakralen Gesangsmustern und spacigen Synthieklängen. Das könnte auch ein Soundtrack zu einem Science Fiction Film sein. Sobald aber ein Xylophonsound sowie rhythmische Elemente hinzukommen, ändert sich die Stimmung. Jetzt verbreitet sich wieder diese hypnotische, die Sinne vernebelnde Atmosphäre. Den Abschluss bildet dann eine Zusammenarbeit zwischen Steve Schroyder und der aus Kasachstan stammenden Sängerin Irina Mikhailova. Ihre asiatisch/orientalische Gesangsart bringt noch einmal eine ganz andere Note in die Musik von Steve. Auch dieser Track hat eine hohe Sogwirkung, denn die Synthieklänge, Melodiebögen und Irina’s Stimme verschmelzen zu einem unter die Haut gehenden, mystischen Track, der dem Hörer ein eigenartiges Gefühl von Sehn- oder Fernsucht vermittelt.

Mit „Qigong Dancing“ haben Steve Schroyder & Alien Voices ein Album herausgebracht, das einen hohen Suchtfaktor enthält. Dieser wird durch die hypnotischen Sounds und Beats erzeugt, denen man sich nicht erwehren kann. Ein klasse Album das ich nur wärmstens empfehlen kann. Ein Muss für den Elektronikfreund.

Stephan Schelle, Juli 2012

 
   

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