Spyra – January In June
 

Spyra – January In June
FAX records (2009)
(8 Stücke, 71:29 Minuten Spielzeit)

Nachdem Wolfram Spyra’s letztes Soloalbum „Gasoline 91 Octane“ in 2008 bei Manikin Records erschienen ist, kommt das aktuelle Album „January In June“ wieder auf dem FAX Label heraus. Nun will Spyra den Januar in den Juni verlegen. Naja, bei den kühlen Temperaturen, die wir teilweise im Sommer haben, könnte man glatt auf den Gedanken kommen. Schon das Cover des neuen Albums zeigt den Unterschied der beiden Monate bzw. Jahreszeiten, denn es werden kalte und warme Farben gegenübergestellt.

 


Wolfram Spyra ist bekannt für seine glasklaren Produktionen, den vollvolumigen, räumlichen Sound und Melodiebögen, die den Projektor im Kopf des Hörers anschalten. Das hat ihm unter anderem bei der diesjährigen Schallwelle-Preisverleihung eine Nominierung für das „Beste Album des Jahres 2008“ und den ersten Preis in der Kategorie „Bester Künstler 2008“ eingebracht. Und auf diesen Lorbeeren hat er sich nicht ausgeruht, sondern legt mit „January In June“ ein Album vor, das qualitativ nahtlos an sein letztes Werk anknüpft. Dieses Mal hat er aber noch ein paar rockige und jazzige Elemente in einige der Tracks eingebaut.

Acht Titel, deren Laufzeiten zwischen 6:08 und 11:00 Minuten liegen, finden sich auf dem Silberling. Los geht es mit dem längsten Stück, das den Titel „Transitautobahn“ trägt. Autobahn? Ja richtig, so hieß doch das wegweisende Album von Kraftwerk. Wandelt Spyra jetzt auf ihren Wegen? Nein, schon die ersten Töne des Stückes machen deutlich, das er seinem eigenen Stil treu bleibt.

Im Pressetext heißt es „Emotional widmet sie sich den Themen des nordöstlichen Europas … eine Sinnesreise nach Polen und Budapest bis an die Grenzen Russlands, die den eigenen familiären Wurzeln nachspürt ist der Grundstein zu dieser CD.“ Und so hören wir gleich im ersten Stück Aufnahmen von der Transitautobahn, die Wolfram mit dem Außenmikrofon eingefangen und in seinen Track eingebaut hat. Xylophonartige Sounds eröffnen das Stück und setzen den Rhythmus, auf dem zunächst nur Straßengeräusche (von vorbeifahrenden Autos) gelegt sind. Das klingt zunächst sehr geschäftig und wird nach einiger Zeit durch eine Drumprogrammierung ergänzt. Dann setzt Spyra gezielt und akzentuiert einige Klangtupfer mit seinem Pianosound in diese Stimmung. Das Piano kommt so glasklar rüber, das es die Luft zu durchschneiden scheint, während im Hintergrund immer noch der Rhythmus weiterläuft. Es kommen weitere Elemente hinzu, so wie man es von Spyra kennt und der Track nimmt an Intensität und Spannung zu. Wow, was für ein Eröffnungsstück.

Weitere Geräusche finden sich dann im nächsten Stück „Budapest“. Wolfram hat sie in Budapest aufgenommen, so bringt er immer einen authentischen Bezug in die Titel. Erstmals kommen hier auch Gitarrensounds zum Einsatz, die stellenweise eine gewisse Rockatmosphäre aufkommen lassen. Aber keine Angst, Wolfram behält seinen bekannten Stil weiter bei. Gut gefällt mir in diesem Stück auch das Schlagzeug, das echt klingt.

Futuristisch/elektronisch mit einem jazzigen Schuss (vor allem in der zweiten Hälfte) geht es in „Bytom“ zu. Diese Jazzrockelemente wechseln sich aber immer wieder mit den herrlichen elektronischen Klanggebilden ab, die so typisch für Spyra sind. „Schneekoppe“ hat nichts mit dem aus Funk- und Fernsehen bekannten Werbeprodukt zu tun, vielmehr zaubert Wolfram eine Stimmung die recht Österreichisch klingt, so als würde ein Hackbrett oder eine Gitarre auf einer Almhütte bearbeitet (könnte aber auch in die griechische Ecke passen). Das wird dann durch Spyrasounds die Mal jazzig, Mal klassisch/symphonisch/sakral klingen zu einer stimmungsvollen Downtemponummer verbunden.

Das Titelstück beginnt mit einem sehr schönen Pianomotiv, zu der sich weite Harmonieflächen und Synthietupfer gesellen. Dieser sehr sanfte Anfang geht spätestens im Mittelteil in eine Rocknummer über, die wir so von Wolfram noch nicht zu Gehör bekommen haben. Das klingt, als sei eine Rockband am Werk (mit Gitarre und Schlagzeug). Cool daran ist, dass auch hier der typische Spyra-Stil nicht unter den Tisch fällt.

„XyloCity VI“ ist die Fortsetzung der Tracks, die Wolfram auf „Invisible Fields“ begonnen und auf „Orphan Waves“ fortgesetzt hat. Allerdings ist die Nummer „V“ irgendwie an mir vorbei gezogen (oder Wolfram hat den Part auf einem Sampler herausgebracht?). Jedenfalls bestimmt hier ein Xylophon artiger Sound das Bild, mit dem Wolfram die Melodie spielt. Dazu werden wieder einige Sounds beigesteuert, die im Straßenverkehr aufgenommen wurden (hier könnte es S-Bahn oder Zug sein).

Etwas bedrückend, mit jazzigen Formen gibt sich „Grenzgebiet“. Hölzerne Xylophone treffen zunächst auf Flöten bzw. Mellotron, was zunächst bedrückend klingt. Nach einigen Momenten wird der Stil recht hart, weil Schlagzeug und kräftigere Synthies hinzukommen. Die Stimmungen wechseln mehrfach und lassen den Track recht trist wirken, obwohl er die hohe Spannungsdichte von Spyra’s Musik hat. Mit dem tollen „Eschatology“ das wieder Piano mit zarten Rhythmussequenzen verbindet, die sich später mit einem voluminösen Xylophonsound und einer Art E-Gitarre paaren, endet diese hervorragende CD.

Wolfram Spyra gehört ohne Zweifel zu den besten und wichtigsten Musikern der elektronischen Musik, das beweist er mit seinem neuen Album „January In June“ aufs neue, kann er doch den hohen Standard, den er mit jedem neuen Album vorlegt, halten. Wer die Musik von Spyra mag, kommt an dem neuen Album nicht vorbei, alle anderen sollten es unbedingt antesten.

Stephan Schelle, September 2009

 
   

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