Sayer - 1st Encounter
 

Sayer - 1st Encounter
Invisible Shadows ISCD 100320, 2003

Das in der Nähe von Leverkusen beheimatete Label Invisible Shadows, das von Torsten Kuhn betrieben wird, hat sich auf die Fahnen geschrieben neue Talente im Bereich der Elektronikmusik zu fördern und zu produzieren. So brachte er in den letzten Jahren beispielsweise die viel versprechenden Acts Something Completely Different (aka Boele Gerkes), der sein spielerisches Können beim letztjährigen EMIL-Festival in Langenfeld unter Beweis stellte und Navigator, die einen bemerkenswerten Auftritt beim 2003’er E-Live-Festival in Eindhoven hatten, mit ihren Debüts heraus.

Mit 1st Encounter erschien im Dezember 2003 das Debütalbum des US-Amerikaners Sayer Seely aus Herndon, der nur unter seinem Vornamen firmiert. 1989 wurde er beim Hören des Albums Audion des amerikanischen Keyboarders Synergy (aka Larry Fast) von dem Gedanken getrieben, selbst elektronische Musik zu machen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er noch kein Instrument gespielt, machte sich aber umgehend zum nächsten Synthesizer-Geschäft auf.
 

 

 

Es dauerte jedoch noch Jahre, bis er die ersten kompletten Tracks fertig stellte. Seit 1997 produzierte er so eine Reihe von eher Dance orientierten Tracks. Dann kam die Zeit, wo er merkte, dass etwas in seiner Musik fehlte und er verlor erst einmal das Interesse an der eigenen Musik.

 Sayer, der vor allem die klassischen Synthesizer mag, suchte in ihnen neue Inspirationen. Er wollte die klassische Elektronik mit modernen Sounds und Stilen kombinieren, quasi das Beste aus beiden Elementen vereinen. Mit neuer Energie und einer gehörigen Portion Enthusiasmus ging er ins Studio und arbeitet ca. zwei Jahre an neuem Material.

Das Ergebnis sind neun Stücke zwischen 2:32 und 13:38 Minuten, die er auf seinem gut 70minütigen Debüt präsentiert. Ich kann sagen, er hat es geschafft die beiden Elemente der klassischen Elektronik und der Moderne mit einander zu verbinden. In den Stücken klingen irgendwo Anleihen an Künstler wie Tangerine Dream, Klaus Schulze, Jean Michel Jarre, Kraftwerk etc. durch, haben jedoch genug Eigenständigkeit.

Vieles kommt einem vertraut vor und klingt doch auf eine gewisse Art neu. Beim zweiten Track Liberation sind die Einflüsse von Jean Michel Jarre überdeutlich, genießen aber auch wieder Stilelemente, die in Richtung Kraftwerk gehen. Liebhaber der klassischen Elektronik werden ihre Freude daran haben.

Perhaps heißt der Titel Nummer drei und ist nach langsamem Beginn sehr druckvoll. Der Track geht gut ab und bietet eine sehr schöne Melodielinie. Da fetzen die Sequenzerbeats so richtig schön aus den Lautsprechern. Diese Beats haben eine hypnotische Wirkung und der Synthiesound schießt einem direkt ins Hirn.

Flächen und schnelle Sequenzen á la radio massacre international starten Track vier Ancient Dreams. Dann werden aber noch schneller als sonst die Tasten gedrückt und ein sehr flotter Track entwickelt sich.

Nach diesem schnellen Track folgt mit Precursor Legacy ein etwas ruhigeres Stück, das aber in seinem Verlauf an Dynamik gewinnt. Erstaunlich, dass Sayer den Track in nur einem Tag aufgenommen hat. Das hört man dem Stück absolut nicht an.

Zu dem Stück To The Future schreibt Sayer im Booklet, dass er hierbei von den Ereignissen des 11. September 2001 geprägt war und nach diesem in einen depressiven Zustand verfiel. Das Stück entstand in dieser Zeit allerdings zu einem Zeitpunkt, als er sich bewusst war, die Hoffnung in eine bessere Zukunft zu legen. So beginnt der Titel etwas nachdenklich, kommt aber schnell in Fahrt und verbreitet - trotz der tieferen Tonlage - doch einen gewissen Optimismus.

Der letzte Track Tradewinds ist von weiten Flächen geprägt. Sayer schreibt sinngemäß dazu: „Während du an Deck des großen Schiffes stehst, geht die Sonne am Horizont auf. Du wartest darauf mit dem aufkommenden Wind loszusegeln. Die großen Segel entfalten sich unter dem Druck des Windes und du beginnst deine Reise zu unbekannten Ländern.“ Der Text passt gut dazu, denn man kann sich bei diesem über zehnminütigen Track gut einen Segeltörn vorstellen.

Langgezogene Flächen wechseln mit rhythmischen Passagen, herrliche Melodielinien mit Soundeffekten und alles zusammen ergibt eine stimmungsvolle CD. Sie ist darüber hinaus klanglich perfekt abgemischt. Die Töne und Effekte kommen glasklar aus den Boxen geschossen. Am besten man genießt diesen Silberling mit kräftig aufgedrehter Anlage wird oder über Kopfhörer.

Mit 1st Encounter legt Sayer ein gelungenes Debüt vor. Man wird noch einiges von dem Amerikaner hören. Die CD kann all denen empfohlen werden, die melodiöse Elektronikmusik mögen.

Stephan Schelle, Februar 2004

 
   

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