Sampler – Dutch Masters
 

Sampler – Dutch Masters
Groove Unlimited (2011)
(10 Stücke, 74:31 Minuten Spielzeit)

Im Frühjahr 2011 veröffentlichte das niederländische Elektroniklabel Groove Unlimited den Sampler „Dutch Masters“. Auf ihm sind zehn niederländische Elektronikmusiker mit je einem Stück vertreten, bei dem sie ein Werk eines niederländischen Malers vertont haben. Die Idee zu diesem Projekt hatte Michel van Osenbruggen, der unter dem Pseudonym Synth.NL seine Musik veröffentlicht.

Michel ist schon lange von Rembrandt’s „Nachtwache“ fasziniert. Auslöser war eine Gruppe von Schauspielern/Künstlern, die das Gemälde in echt – also mit Personen und Kostümen – nachgestellt hatten. Und so fragte sich Michel, wie denn wohl eine musikalische Umsetzung dieses Bildes klingen müsse.

 


Aus diesem Gedanken wurde dann die Idee auch andere Musiker ihre Lieblingsbilder vertonen zu lassen. Und so konnte Michel sehr schnell Ron Boots überzeugen, weitere Musiker anzusprechen, die diese Idee unterstützten und in einem sehr schnellen Zeitraum umsetzten.

Den Beginn macht Synth.NL mit dem Stück „Nachtwacht“, das – wie oben schon beschrieben, Rembrandt van Rijn’s Bild „Nachtwache“ zum Thema hat. Durch die Verwendung der Sounds, Geräusche und integrierten Marschrhythmen wurde dieses Thema sehr gut von Michel umgesetzt. Man kann sich in der Tat die Szenerie der Wächter auf dem Gemälde bildlich vor dem geistigen Auge vorstellen.

Als nächstes hat Remy sich ein Bild von M.C. Escher vorgenommen. Escher’s Bilder sorgen beim Betrachter durch seine perspektivischen Eigenheiten immer wieder für Sinnestäuschungen, scheinen doch die architektonischen Zeichnungen (wie zum Beispiel Treppen) unendlich zu sein. Und dies hat Remy durch eine lang gezogene Tonfolge (in der Art einer Tonleiter) sehr schön umgesetzt, die den Unterboden des Stückes darstellt.

Gert Emmens wählte Anton Pieck’s „Muurhuizen“ aus. Schon in den ersten Tönen ist Gert’s typischer Stil zu erkennen. Es entwickelt sich ein herrlich verträumter Track mit einer wunderbaren Melodieführung.

Eric van der Heijden hat sich den berühmten Maler Vincent van Gogh’s ausgesucht. Sein Thema im Stück „Nuit étoilée le Rhóne“ ist das Gemälde „Sternennacht über der Rhone“. Eric hat hier einen sehr romantischen und klassischen Stil gewählt, so wie wir das von seiner Musik gewohnt sind. Ein unter die Haut gehender Track, bei dem die Gedanken fliegen. Sounds, die an Akustikgitarre und Streicher erinnern, werden in diesem Stück perfekt miteinander verwoben.

Void hat sein Stück „Temptation“ ursprünglich an das Bild „The Temptation Of St. Anthony” von Mathias Grünwald, der stilistisch in die Nähe eines Hieronymus Bosch rückt, angelehnt. Da Mathias Grünwald aus Deutschland stammt, und Ron mit der Bitte kam, ein Stück zu einem Lieblingsbild, hatte Void den Track schon fertig. Er widmete den Titel dann dem niederländischen Maler Maerten de Vos, der ein ähnlich betiteltes Bild gemalt hat. Stilistisch geht Void in Richting Ron Boots & Co. Er lässt in dem rhythmischen Stück auch gerne mal die Synthies zirpen.

René Splinter hat sich Peter Bruegel’s bekanntes Bild „Turm von Babel“, das auf eine mythische Erzählung aus der Bibel zurückzuführen ist, angenommen. Zunächst startet das Stück mit einem Pianomotiv noch sehr verträumt und wirkt auch in den ersten Momenten recht erhaben. Dann wechselt das Stück in Richtung Tangerine Dream der 80’er. Durch den rhythmischen Wechsel kann man auch die Zerstrittenheit beim Turmbau gut nachempfinden, auch wenn das Stück nichts an Harmonie verliert.

Bas Broekhuis nennt sein Stücke „Forrest Machines (Wuivend Riet)“. Welchem Künstler es nachempfunden ist, kann ich aus dem Booklet leider nicht erkennen. Musikalisch hat es zumindest mit Johannes Schmoellings Album „Wuivend Riet“ nichts zu tun. Das etwas mehr als zehnminütige Stück ist das längste des Albums. Bas ist ein sehr schöner schwebender und harmonischer Track gelungen, in dem die Perkussion / Drumprogrammierung sehr schöne Rhythmusmotive in sich vereint.

Ron Boots hat sich den verstörenden Werken eines Hieronymus Bosch gewidmet. Sein Stück „Tuin der Lusten“ ist die Vertonung des Bildes „Garten der Lüste“. So verstörend wie die Bilder von Hieronymus Bosch auf den Betrachter wirken, so verstörend klingt auch Ron’s Musik an einigen Stellen. Da geht es zunächst recht experimentell zu und er erweckt mit seiner Musik eine etwas bedrohliche Stimmung. Das passt aber sehr gut zu dem Gemälde. Ein für Ron eher ungewöhnlicher, dem Bild aber sehr angepasster Track.

René van der Wouden nahm sich Carel Willink’s Gemälde „De Zeppelin“ an. Durch die elektronischen Rhythmussounds bzw. Effekte erweckt René sehr schön den Eindruck, als würde man Propeller hören, die von einem noch weit entfernten Zeppelin stammen. Allerdings wirkt das auch in den ersten zwei Minuten etwas futuristisch und ich frage mich von wo aus wird diese Szenerie beobachtet. Vom Boden aus oder aus dem Zeppelin selbst? Dann wird es aber recht harmonisch und Rhythmus- und Melodiestrukturen schälen sich aus den Stimmungsbögen heraus. Eine Mixtur aus „Berliner Schule“ á la Klaus Schulze und den Düsseldorfer Kraftwerk (letzteres aber nur Ansatzweise) entwickelt sich und der Track nimmt an Faszination zu.

Den letzten Track steuert Meesha bei. Er hat sich den Künstler Piet Mondrian (eigentlich Pieter Cornelis Mondriaan), dessen Werke oftmals aus farbigen Quadraten und Rechtecken zusammengestellt sind („Victory Boogie Woogie“), ausgesucht. Und so wie ein Puzzle aus verschiedenen bunten Teilen, so wirkt auch die Musik von Meesha. Was an der Rhythmik und den flirrenden Synthies liegt. Ein sehr schöner, melodischer Abschluss dieses qualitativ hochwertigen Samplers. Hier wurden nicht einfach Stücke von Musiker aneinandergereiht, sondern sehr schön thematisch zusammengestellt, sodass ein in sich stimmiges Werk entstanden ist.

Die Niederlande haben eine Anzahl sehr guter Elektronikmusiker aufzuweisen, was der Sampler „Dutch Masters“ sehr eindrucksvoll beweist. Zehn unterschiedliche Künstler (sowohl was die Musik, als auch die Gemälde angeht) sind auf dem Sampler vertreten. Und trotz der unterschiedlichen Herangehensweise und Interpretationen der Kunstwerke wirkt der Sampler doch in sich sehr geschlossen und homogen. Man merkt ihm an, dass sich die Protagonisten mit einem Thema befasst haben. Eine klasse CD, die ich jedem Elektronikfreund wärmstens ans Herz legen kann.

Stephan Schelle, Juni 2011

 
   

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