Peter Mergener – Take Off
 

Peter Mergener – Take Off
CUE Records (1992/2015)
(
17 Stücke, 105:34 Minuten Spielzeit)

Im Jahr 1992 erschien das dritte Soloalbum von Peter Mergener, der lange Jahre in den Projekten Software, Mergener & Weisser und G.E.N.E. seine elektronische Musik veröffentlichte. Nach „Creatures“ und „Passage In Time“ veröffentlichte Mergener mit „Take Off“ erneut ein Konzeptalbum. Dieses Mal geht es um das Thema Luft- und Raumfahrt. Das Album konnte sich bei der alljährlichen Schwingungenwahl 1992 auf Platz 9 und der Titeltrack auf Platz 13 behaupten.

 

 


Auf der OriginalCD aus dem Jahr 1992 war auf der Rückseite folgendes zu lesen: „Take Off - Uralter Traum der Menschheit, zu fliegen, sich den Vögeln gleich aufzuschwingen und vom Wind tragen zu lassen. Lass dich vom Düsenjet höher und höher tragen, gleite wie Ikarus über Hügel und Täler, schwinge dich empor wie der Adler, König der Lüfte. Und sei gewiss, so fern du auch bist, der blaue Planet erwartet dich, und du wirst sicher wieder auf ihm landen“. Das beschreibt sehr schön, welche Idee hinter der Musik steckt und man kann diese Idee auch in den einzelnen Instrumentalstücken wiederfinden.

Im Herbst 2015 erscheint nun die remasterte Version des Elektronikalbums. Peter Mergener bietet das Album, dem er noch acht neue, bisher unveröffentlichte Stücke spendiert hat, vorwiegend als Download an. Allerdings hat er auch mit diesem remasterten Album eine CD-Version am Start, die auf 100 Exemplare limitiert ist. Man sollte sich beeilen, denn dieser Klassiker aus seinem Repertoire hat auf der zweiten CD grandiose Stücke zu bieten, bei denen Mergener zwischen traditioneller Elektronik der Marke Software, Tangerine Dream und Artrock der Kategorie Pink Floyd hin- und herpendelt.

Die erste CD, auf der sich das remasterte Originalalbum befindet, beginnt mit den Geräuschen in einer startenden Passagiermaschine, entsprechend dem Titel des Openers „Take Off“. Diese sind mit wunderbaren, atmosphärischen Elektronikharmonien unterlegt. Man möchte praktisch sagen: „Bitte anschnallen, und los geht es.“ Es dauert nur wenige Momente und man ist voll drin, im Soundkosmos von Peter Mergener, der mit seinem Stil die Musik von Software geprägt hat. Mit diesem Titelstück hat er bereits einen Klassiker geschrieben, der sofort ins Ohr geht und für Gänsehaut sorgt. Das ist Musik, die nur er in dieser Form bieten kann.

Sanft, spacig und erhaben wirkt „Icarus Flight“ (kommt einem wie eine zeitlupenartige, schwebende Flugsequenz vor). In „The Eagle“ kommt dann erstmals eine atmosphärische E-Gitarre, die von Achim Elsen gespielt ist, zum Tragen. Durch diesen Part kommt eine Spur Artrock ins Spiel. „On Wings“ beginnt zunächst spacig mit hymnischen Elektroniksounds aus denen sich dann aber eine Nummer im Stile von Software entwickelt. Peter Mergener zaubert hier wieder betörende Elektronikklänge die alles andere als steril und kalt wirken. „Between Worlds“ ist mit seinen 2:24 Minuten Länge nur ein Zwischenspiel, das aus einigen experimentellen Klängen besteht, von denen James Webb einige beisteuerte. Balladesk geht es mit Pianoklängen, die von Benedict Schweigstill eingespielt wurden, in „A Moment To Look Back“ weiter.

Weitere faszinierende Nummern, wie „Freedom Of Space“ und ein mit Klaus Schulze-Sounds verziertes „Return To The Blue Planet“, vervollständigen das positive Gesamtbild. Abgeschlossen wird die CD von der locker, fröhlichen, fast popartigen Nummer „Landing“.

Der Knaller ist aber die BonusCD, die mit acht Stücken und einer Laufzeit von 46 Minuten voll überzeugt. Diese startet mit dem Stück „Hawkings Universe“. Am Anfang ist die verzerrte Stimme von Stephen Hawking zu hören die von atmosphärischen Synthieflächen und einer Gilmour artigen Gitarre (von Achim Elsen) begleitet wird. Das vermittelt eine ähnliche Stimmung wie bei Pink Floyd’s „Wish You Were Here“. Eine weibliche Stimme sorgt für weitere Elemente, die unter die Haut gehen. Ein absolut faszinierendes Stück, das Peter da als ersten Bonustrack spendiert.

Atmosphärisch zeigt sich auch „Solarsailer“, das ebenfalls von atmosphärischen Gitarrenparts begleitet wird. Daneben gibt es aber noch Bass- und Schlagzeugrhythmen, die sehr organisch klingen. Die Orgel hört sich an einigen Stellen an, als wenn sie aus Santana’s „Black Magic Woman“ entnommen wäre. Hier verschmelzen Elektronik- und Artrock in perfekter Form. Das 5:42minütige „Strange Voices“ macht seinem Namen alle Ehre, denn hier hat Peter Mergener lediglich einige skurril wirkende Sounds verknüpft, die das Stück sehr experimentell und abgehoben klingen lassen. Melodien oder Harmonien sucht man hier vergeblich.

Das ändert sich dann aber wieder schlagartig mit „Nightflight“, das herrliche Sequenzerrhythmen als Grundlage bietet. Peter entwickelt das Stück im Verlauf immer weiter. Je länger es dauert umso fesselnder wird es, auch wenn die verwendeten Sounds nicht so vom Hocker hauen. „Sunlight“ ist eine verträumte Nummer, die zunächst etwas schnulzig wirkt, dann aber nach ca. 1:45 Minuten mit einer recht rockigen Gitarre im Stile von Maxxess aus dieser Trance reißt. „A Little Bit Of Something“ ist wieder so ein Gänsehauttrack in typischer Mergener-Manier. Vor allem in den Passagen, in denen Peter seine tollen Melodiebögen spinnt, kann man sich dem Stück nicht verschließen.

In dem vorletzten Track „When The Wind Blows“ kommen gar Sounds auf, die mich sehr stark an John Dyson’s Stil erinnern. Mit dem abschließenden „Extreme Conditions“ hat Peter dann noch einmal ein Sammelsurium an verschiedenen Sounds im Repertoire, bei dem er auf Melodien und Harmonien verzichtet. Das hat ein wenig was von Klaus Schulzes Sampling-Phase.

Die CD-Version erscheint in einem sechsseitigen Digipack mit neuem Layout (ähnlich der remasterten Versionen von „Creatures“ und „Let There Be More Light“, die als „Creatures 2020“ erschienen sind sowie „Passage In Time“).

War „Take Off“ schon ein klasse Werk des aus der Nähe von Trier stammenden Peter Mergener, so hat er mit dieser remasterten Version noch einmal eine Schippe draufgelegt. Mit diesen neuen musikalischen Perlen, die Mergener zwischen 1992 und 2015 komponiert und eingespielt hat, hat er aus dem Album ein Meisterwerk gemacht. Wer die Musik von Software, Tangerine Dream oder Pink Floyd mag, der kommt hier voll auf seine Kosten.

Stephan Schelle, Dezember 2015

 
   

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