Morpheusz – Chapter One: Days Of Delirium & Nocturnal Nightmares
 

Morpheusz – Chapter One: Days Of Delirium & Nocturnal Nightmares
Groove Unlimited (2010)
(6 Stücke, 63:45 Minuten Spielzeit)

Das niederländisch/deutsche Powerquartett Morpheusz, das sind Ron Boots, Erc van der Heijden (beide Keyboards), Harold van der Heijden (elektronisches Schlagzeug) und der aus Deutschland stammende Gitarrist Frank Dorittke, stellen eine neue Formation der rockigen Elektronikmusik dar. Dabei wandeln sie auf den Pfaden von Ron Boots & Friends (hier waren unter anderem auch die beiden van der Heijden-Brüder und Ron Boots am Werk).

 


Ihren ersten Auftritt hatten die vier Musiker im Juli 2010 bei der Schwingungen Gartenparty in Hamm. Und zu ihrem weiteren Auftritt beim diesjährigen electronic circus-Festival in Bielfeld am 25.09.2010 wurde ihre erste CD veröffentlicht, die den Titel „Chapter One: Days Of Delirium & Nocturnal Nightmares“ trägt.

Das Cover ziert eine Grafik einer Ruine im Mondlicht. So kann man das Album vom ersten Eindruck her sowohl in die Fantasy- wie auch in die Horrorecke schieben, zumal im Titel auch das Wort Albtraum enthalten ist. Doch ganz so düster zeigt sich Morpheusz nicht, auch wenn mit „Prophecies Of A Pagan“ ein für Elektronikverhältnisse außergewöhnlich dunkler Track enthalten ist.

Zunächst sei aber gesagt, wer die Musik von Ron Boots & Co. mag, der wird auch mit diesem neuen Projekt nicht enttäuscht, denn der Spirit seiner Musik bzw. seine Handschrift ist deutlich aus den Stücken herauszuhören.

Mit dem Opener „Between The Barriers Of Reality”, das fast elf Minuten lang ist, geht es los. Und hier zeigen die vier gleich in welche Richtung sie ihre Musik entwickeln. Was zunächst wie ein typischer Ron Boots-Track anmutet, entwickelt sich schnell zu einem treibenden von Schlagzeug und E-Gitarre untermauerten Stück, das in dieser Form zwischen der Elektronikmusik und dem Progressiverock hin- und herpendelt.

Fast sakral und mystisch beginnt „Daylight In A Nocturnal Scarescape“. Sphärische Synthiesounds leiten in den 13minütigen Track ein. Der Sequenzer gibt nach ca. einer Minute den Startschuss für ein mitreißendes Stück, das unterschiedliche Elemente enthält. So tauchen in der Mitte des Stückes gar klassische Komponenten auf, die mich auch an Werke wie Geoffrey Downes „The New Dance Orchestra / The Light Program“ erinnern. Aber auch der typische niederländische Elektroniksound („Eindhovener Schule“) gepaart mit den E-Gitarren von F.D. Projekt aka Frank Dorritke kommen deutlich zum tragen.

Mit „Prophecies Of A Pagan“ kommt das wohl ungewöhnlichste Stück, das die traditionelle Elektronikmusik in den letzten Jahren gehört hat. Das liegt vor allem an seiner düsteren Stimmung, die durch Ron’s Stimme, die in dieser Form dämonisch klingt, erzeugt wird. Aber schon der Beginn ist recht düster gehalten und man hat als Hörer das Gefühl, das jeden Moment etwas Unheimliches passieren müsste. Sounds und Rhythmus schließen sich dieser düsteren Stimmung zunächst an. Es entwickelt sich im weiteren Verlauf aber ein umwerfendes Stück. Mit diesem Sound eröffnen Morpheusz der Elektronikmusik neue Wege.

„Sandman’s Journey Through Sanity“ beginnt spacig und hat auch einige psychedelische Momente. Ein weiteres umwerfendes Stück, bei dem floydige Gitarren auf herrliche Flächen und houseartige Rhythmen stoßen. Auch dieser 14minüter entwickelt sich ständig und nimmt an Dynamik und Faszination von Moment zu Moment zu. „Drowse At Dawn“ ist ein atmosphärisches Stück, bei dem man durchatmen kann, das aber gegenüber den anderen Tracks abfällt. Es geht ohne Unterbrechung in den Abschlusstrack „Fearful Awakening“ über, das wieder rockiger aus den Boxen kommt. Das liegt vor allem an Schlagzeug und der Dominanz von Frank’s Gitarre. Dazu klingen die Keyboards mehr nach Hammondorgel, was dem Track ein gewisses 70’er-Jahre Flair verleiht.

Wer die damaligen Werke von Ron Boots & Friends oder BAH mag, der kommt hier voll auf seine Kosten, denn die vier schaffen es einen Gruppendynamischen Sound zu entwickeln, der sofort gefangen nimmt. Ein tolles Album eines Projektes, von dem ich mir noch weitere Alben wünsche. Und live, davon konnte man sich in diesem Jahr schon zweimal überzeugen, ist dieses Projekt auch ein absoluter Genuss. Mit diesem Album schließen die vier einen Pakt, bestehend aus Elektronik und Progressive-Rock.

Stephan Schelle, Dezember 2010

 
   

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