moonbooter – Syncope 1 und 2
 

moonbooter – Syncope 1 + 2
MellowJet Records (2025)

(20 Stücke, 133:23 Minuten Spielzeit)

Gut zweieinhalb Jahre ist es recht still gewesen um Bernd Scholl, der als moonbooter seit 20 Jahren in regelmäßigen Abständen Elektronikalben veröffentlicht und der das MellowJet Label betreibt. Er gehörte leider auch zu den Betroffenen der Jahrhundertüberflutung im Jahr 2021, die die Eifel und das Ahrtal stark betroffen hatte. Nachdem er die Ereignisse, die sein Leben auf den Kopf gestellt hatten, einigermaßen verarbeitet hat, meldet er sich nach einer musikalischen Pause im Sommer 2025 mit gleich zwei Alben zurück. Da beide Alben eine Einheit bilden, beschreibe ich sie hier gemeinsam.

„Syncope 1“ und „Syncope 2“ bilden eine gemeinsame, musikalische Einheit. Bernd dazu: Die Musik entstand zwischen Dezember 2021 und September 2024. Ich verarbeitete die Geschehnisse im Sommer 2021 als die Jahrhundertflut unser Zuhause überschwemmte und dafür sorgte, dass mein Leben von einem Tag auf den anderen Tag ein vollkommen anderes war. Zu Beginn entstanden zunächst vielen Ideen, manchmal nur wenige Takte kurze musikalische Schnipsel, die ich in der Folge Stück für Stück, wie ein Puzzle, zusammensetzte. Ich sortierte die gesammelten Melodien, Sequenzen, Sounds, Rhythmen und innerhalb von 8 Wochen waren knapp 24 Songs so weit fertig. So dachte ich. Nach den Erfahrungen der Flut und des Wiederaufbaus war es für mich unumgänglich eine Auszeit vom Leben zu nehmen.

 

 


In 2024 habe ich in Ruhe und mit neuer Freude nochmals alle Songs auf „Syncope 1“ und „2“ überarbeitet und ein paar neue Songs für eben diese Alben komponiert. Und wie bei einem Puzzle, ergab das Ganze am Ende ein vollständiges Bild. Das war übrigens eine Zeit, an die ich sehr gerne zurückdenke, und die mir persönlich sehr gutgetan hat. Die Kraft der Musik ist schon unglaublich.

Die beiden Alben sind zunächst nur als digitaler Download zu bekommen. Wann und ob sie als CDR bestellt werden können, kann ich derzeit nicht sagen.

Syncope 1

Auch wenn Bernd vom Cover (vor allem auf der Rückseite) einem etwas ernst oder mürrisch entgegenblickt, so ist seine Musik alles andere als bedrückend oder dunkel ausgefallen. Das macht schon der achtminütige Opener „State Of Mind“ deutlich. Leicht sägende, industrielle Klänge eröffnen das Stück. Doch schon nach wenigen Momenten kristallisiert sich Bernds typisch rhythmische Musik. Und nach gut anderthalb Minuten schält sich eine eingängige Melodie heraus, die so typisch für den moonbooter-Stil ist. Nach der längeren Pause ist man so sofort wieder im Klangkosmos des Eifelers gefangen. Bernd entwickelt den Sound zu einem monumentalen, fast schon symphonischen Stil. Und wie gewohnt öffnet er dabei weite Klangräume, denn die Musik ist wieder sehr transparent und auf hohem Niveau produziert.

In „What Happy To Felt Like“ hat Bernd zu Beginn einen gesprochenen Text von Jake Tylor eingebaut, den er mit flächigen Sounds unterlegt und nach anderthalb Minuten dann in einen treibenden, melodischen Part überführt. Nach einigen Momenten kommt dann auch ein pumpender Beat auf, der zum Tanzen einlädt. Im Verlauf kommt dann noch eine weitere Melodielinie auf. Ein tolles Stück, das ich mir auch gut auf einer Autofahrt vorstellen kann.

Filigrane, leicht perlende Klänge sind zu Beginn von „Syncope 1“ zu hören. Diese vermischen sich dann mit Harmonien bis ein etwas dunkler Synthklang eine Wende einläutet, die von einer Melodielinie getragen wird. Insgesamt ist dieser Track etwas ruhiger angelegt, als die ersten Stücke.

Mit „Fourteen Fifteen“ scheint Bernd dann das Hochwasser und den Starkregen vertont bzw. verarbeitet zu haben, denn dieser düstere Track wird von Sounds, die nach prasselndem Regen klingen, bestimmt. Dazu hat Bernd dunkle Synthesizersounds hinzugefügt, was eine sehr bedrückende Stimmung verströmt. Erst am Ende kommen einige hellere Harmonien auf, die wie ein aufkommender Sonnenstrahl wirken. Man kann nur ansatzweiser erahnen, in welcher Not er, seine Familie und die vielen anderen Menschen sich damals befunden haben.

Danach geht es aber wieder sehr positiv, melodisch und rhythmisch mit „Borderline“ weiter. Das hebt sofort wieder die Stimmung. Und auch „Be Alive“ versprüht diese positive Aufbruchstimmung, die wieder an die alten Zeiten andockt und kraftvoll durch den Raum weht.

Sanfte Klänge ziehen zunächst bei „Dance Of The Geisha“ am Hörer vorbei. Dann kommen einige asiatische Klänge auf, die das Thema gut untermauern. Bernd vermischt hier geschickt Fragmente asiatischer Musik mit seinem Stil ohne in die esoterische Ecke abzudriften. Vielmehr hat dies was von Filmsoundtracks wie Hans Zimmers „Black Rain“.

„Lost“ versprüht dann eine Spur Schiller-Feeling, was vor allem an den verwendeten Sounds und Harmonien liegt. Bernd bleibt aber nicht nur auf den Spuren von Schiller sondern würzt dies mit eigenen Klangfarben und Rhythmen. „Falling Faster“ besitzt einen Techno/House-Sound, der wieder gut ins Ohr geht. Auch hier hat Bernd wieder einige Sprachfetzen eingebaut, die recht witzig klingen, so als wären sie aus einer amerikanischen Talkshow entnommen. Das sanfte, von einer Pianomelodie getragene „Aegidian Sea (Pre-Prise)“ beendet dann „Syncope 1“ und lässt die Hörer verträumt zurück. Dabei handelt es sich um eine Hommage an Aphrodite’s Child’s gleichnamiges Stück, von dem Bernd die Stimmung übernommen hat.

Syncope 2

„Syncope 2“ hat das gleiche Coverartwork wie „Syncope 1“, allerdings sind Bernds Köpfe spiegelverkehrt zum ersten Teil zu sehen.

Der zweite Teil von „Syncope“ beginnt mit „Total Confussion“. Die totale Verwirrung verbreitet das Stück aber nicht, denn es hat zwar eine etwas dramatische Note, beginnt aber gleich recht rhythmisch. Dieser Rhythmus ist dann auch die Grundlage auf der sich das Stück weiter entwickelt. Bernd hat hier tolle Rhythmusmuster und einen kraftvollen Synthesizersound hinzugefügt, der einem streckenweise fast das Hirn wegbläst. Da empfehle ich das Stück unter dem Kopfhörer zu genießen.

Mit „Bob, Dave And Tom“ hat Bernd den Synthesizerpionieren Bob Moog, Dave Smith (Sequential) und Tom Oberheim eine Referenz erwiesen. Das Stück beginnt fast schon wie Vangelis „Chariots Of Fire“, hat aber auch Klangfarben die mich an Emerson, Lake & Palmer erinnern. Eine wahre Synthesizerhymne, die nach anderthalb Minuten durch einen treibenden Rhythmus ergänzt wird.

Es folgt „Syncope 2“, das recht spacig mit Sprachsamples und flächigen Klängen beginnt. Dann setzt nach wenigen Momenten ein fetter, pulsierender Rhythmus ein. Auch Sirenen erklingen, was auf mich wirkt, als hätte Bernd die derzeitige Weltlage mit ihren Kriegen vertont. Musikalisch greift er dabei auf für ihn typische Klangbilder zurück. Über weite Strecken ein sehr besinnlicher Track, der in der zweiten Hälfte durch einen Synthesizerklang, der vom Sound her fast wie eine E-Gitarre wirkt, weitere Akzente und eine leicht rockige bekommt. Die Stimmsamples erinnern darüber hinaus an Acts wie Pink Floyd (zur „Division Bells“-Zeit). Ein grandioser Track.

„Fading Shades“ startet mit einem herrlichen Sequenzerrhythmus auf den sich dann ein weiterer Rhythmus (wie bei Kraftwerk & Co.) sowie Harmonielinien legen. Das bringt weitere Abwechslung ins Album. Ein weiteres Stück, das die Flutkatastrophe behandelt ist „Within The Flood“. Das Stück beginnt ruhig mit einem pulsierenden Rhythmus und steigert sich dann langsam. Es ist nicht so bedrückend wie „Fourteen Fifteen“ von „Syncope 1“, aber ich kann mir doch sehr gut bei der Musik vorstellen, wie langsam der Wasserpegel steigt.

„Rendezvous“ beginnt zunächst besinnlich und verträumt, startet dann aber nach gut anderthalb Minuten mit einem druckvollen Rhythmus durch, dem dann nach gut der Hälfte eine Melodielinie folgt und das Ganze dann auch noch eine Prise New Wave/Synthpop bekommt.

„Even Higher State Of Consciousness“ bietet daraufhin dramatische Klänge und vermischt diese mit einem pumpenden, kraftvollen Beat. Das Ganze nimmt nach einigen Minuten dann auch technoide Ausmaße an.

Nach „Aegidian Sea (Re-Prise)“ kommt auf „Syncope 2“ nun „Aegidian Sea“, das die Stimmung – mit den Pianoklängen – aufnimmt aber mit einem sehr schönen Rhythmus unterlegt wurde, was eine loungige Stimmung verbreitet. Das ist definitiv die perfekte Musik für einen Sommertag am Strand.

„In The Air“ hat etwas von Harold Faltermeyers Soundtrack zum Film „Axel F“, ohne diesen aber zu kopieren. Und mit „A New Day“ endet dann der zweite Teil von „Syncope“ recht hymnisch und soundtrackartig. Das mündet dann in eine Art Klangcollage, bei denen sich flirrende Synthiesounds mit flächigen Klängen verbinden.

Es ist schön, dass Bernd Scholl aka moonbooter endlich wieder auf der musikalischen Bühne zu finden ist und er gleich mit zwei Alben („Syncope 1“ und „Syncope 2“) wieder ein Füllhorn dynamischer und rhythmischer Elektronikmusik herausgebracht hat. Ich muss sagen, dass ich ihn und seine Musik vermisst habe und froh bin, wieder unter anderem ein musikalisches Zeichen von ihm bekommen zu haben. Wer seine Musik, oder die rhythmische Variante der Elektronikmusik mag, der bekommt hier wieder besten Stoff. Meine Empfehlung: gleich beide Alben ordern.

Stephan Schelle, Juli 2025

 
   

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