Moonbooter – Fast Reflections
 

Moonbooter – Fast Reflections
MellowJet Records (2009)
(11 Stücke, 65:45 Minuten Spielzeit)

Wer sich mit der Musik von Bernd „Moonbooter” Scholl beschäftigt, der weiß, dass Bernd nicht nur seine rhythmische Elektronik mit Anleihen an die traditionelle Elektronikmusik macht, sondern auch eine Ader für Dance orientierte Musik hat. Bereits im Jahr 2008 hatte er das Album „Faster“ herausgebracht, auf dem er die bpm angezogen und die kommerzielleren Melodien in seinen Tracks in den Vordergrund gestellt hat. Damit entfernt er sich aber nur ansatzweise von seinem bisherigen Stil, denn seine Handschrift war auch bei den tanzbaren Tracks deutlich herauszuhören.

 


Im September 2008 erscheint nun das zweite „Dance-Album“ von Moonbooter, das – in Anlehnung an seine letztjährige Veröffentlichung – „Fast Reflections“ betitelt ist. Und Moonbooter führt den Stil von „Faster“ hier konsequent fort, was auch nicht verwundert. Das Cover ziert einen sehr nachdenklich wirkenden Bernd Scholl, was bei der fröhlichen Musik, die das Album bietet, doch sehr verwundert, aber egal.

Neben elf Songs bietet das Album als Bonus noch zwei weitere MP3-Stücke sowie ein Video zum Titel „Dancefloor Lady“. Zunächst startet die CD aber mit einer herrlichen Melodie im Stück „I Am“. Das ist Musik, so wie man sie von den letzten Moonbooter-Veröffentlichungen kennt. Eine eingehende Melodie und ein Midtemporhythmus bestimmen hier das Bild.

Beim nächsten Stück geht es dann auf die Tanzfläche, das vermittelt auch schon der Titel des Stückes „Dancefloor Lady“. Hier vermischt Bernd den typischen Moonbooter-Stil mit Dance-Elementen und spendiert ihm noch eine Prise Schiller. Für den tollen Gesang sorgt Sophie Merry, die hier unglaublich cool wirkt. Der elektronisch erzeugte Gitarrensound im Mittelteil ist eine zusätzliche Nuance, die das Stück zusätzlich aufwertet. Das hat wirklich Radioqualität. Es ist aber auch kein Wunder, dass Bernd’s Stücke förmlich nach einem Radioeinsatz schreien, haben sich doch einige Stücke bereits sehr erfolgreich an der Spitze verschiedener Underground Dance-Charts platzieren können.

„Let There Be Music“ beginnt zunächst mit Sounds, die man auch von neueren Tangerine Dream Produktionen kennt, schwenkt aber schnell in eine andere Ecke um. Mit verfremdeter Stimme wird der Titel mehrfach wiederholt, was ähnlich wie der Vocodergesang klingt, der durch Cher bekannt geworden ist. „Let There Be Music“ ist aber eine sehr schöne Midtemponummer. Technokratischer wird es bei „Desire For More“ in dem Bernd die bpm anzieht. Bedrohliche Basstöne und ein pumpender Beat führen in diesen Track ein, der aus dem Off langsam Flächen und Akkorde bringt, die mich wieder an Musik á la Schiller erinnern. Das ist ein mitreißender Sound, der Spaß macht. „Progression“ ist wieder eine Midtemponummer im typischen Moonbooter-Stil mit Schiller-Anleihen.

Einziger Halb-Ausfall des Albums, wenn ich es mal so formulieren kann, ist für mich „Where Do You Sleep Tonight?“. Sehr kommerziell gibt sich Moonbooter hier, was nicht weiter schlimm ist. Technoartiger Beat und eine Melodie, die sofort ins Ohr geht, dazu weiblicher Gesang (wahrscheinlich wieder von Sophie Merry) bieten Musik, die ich mir absolut in den Dance-Hitparaden vorstellen kann. Der große Schwachpunkt ist aber die nach etwa zweieinhalb Minuten erstmals auftauchende, nach Mickey Maus klingende, verzerrte Gesangsstimme. Das ist für mich leider ein „no go“. Ohne diese Verzerrung würde ich sofort meine Tanzschuhe anziehen (falls sich die noch finde). Und wie unterschiedlich die Geschmäcker sind zeigt, dass dieser Track in den Dance-Charts sehr erfolgreich war. Das ist aus meiner Sicht aber auch das einzige Manko dieser Scheibe.

Mit „Illusion“ befindet sich ein Remix eines Stückes von der „Faster“-CD auf dem Album, das von Klangexperte und Elektronikmusiker Erik Seifert erstellt wurde. Während das Original, mit fast schon an Kraftwerk erinnernden Passagen, rhythmischer klang, hat Erik diesen Remix wesentlich spaciger angelegt. Er klingt in dieser Version fast schon so wie Erik’s Album „Astronomical Unit“, weist aber immer noch das Flair von Moonbooter auf. Ein gelungener Mix, der vor allem den Freunden der traditionellen Elektronikmusik gefallen dürfte.

Auch wenn vor einigen Monaten Michael Jackson verstorben ist und der Titel „Beat It“ auf einen seiner Megahits hinweist, so hat dieses Stück doch nichts mit dem vorgenannten zu tun. Vielmehr zeugt der Titel davon, dass Bernd hier den Beat wieder anzieht. Stampfend kommt er aus den Boxen, dazu lässt Bernd die Synthies aus den Boxen flirren und fliegen und spendiert dem Ganzen noch eine eingängige Melodie. Sehr schön. „Welcome To The New World“ ist ursprünglich vom Moonbooter-Album „Cosmoclimax“ und liegt hier im Sternwarte-Mix vor. Dabei scheint es sich um eine Aufnahme vom Livekonzert zu handeln. Mit „Eureka“ hat sich Bernd dann selbst dem Remixen zugewandt, handelt es sich doch um ein Stück des belgischen Elektronikers Godfried Stockmans. Dem Original hat Bernd vor allem durch den zündenden Perkussion-Rhythmus eine gehörige Portion Pep eingehaucht. Das könnte auch eine Dance-Version eines Kraftwerkstückes sein. Mit dem sehr schönen, getragenen „Reaching The Sun“ beschließt Moonbooter dann sein Album.

Als Bonus hat Moonbooter dann noch MP3-Files der Stücke „Out Of Silence (New Generation Mix)“ und „The First Time (LIVE Ragae MIX)“ sowie ein Video zu „Dancefloor Lady“ beigefügt, die man sich über einen Computer anhören bzw. ansehen kann. In dem Video ist eine tanzende Person vor einer Sonnenuntergangsszenerie am See oder Meer zu sehen, die verfremdet wurde. Durch die Verfremdung wirkt das sehr comichaft, passt aber gut zur Musik.

Auch wenn „Fast Reflections“ genügend Stoff für die Tanzfläche hat, so bietet die Musik doch genug Melodien und ansprechende Elektroniksounds, die den Elektronikfreund befriedigen wird. Aus meiner Sicht überwiegen sogar die Stücke, die stilistisch in seine bisherigen „normalen“ Alben passen. Besonders gut eignet sich die Musik auch im Auto auf einer längeren Fahrt (konnte das auf der Heimreise vom Electronic Circus-Festival sehr gut testen). Bernd hat wieder mal eine sehr gute CD veröffentlicht, die als Missing Link zwischen traditioneller EM und Dancemusik verstanden werden kann. Mir macht das Album jedenfalls Spaß. Wer die bisherigen Alben von Moonbooter oder auch die Instrumentalstücke von Schiller mag, der kann hier bedenkenlos zuschlagen.

Stephan Schelle, September 2009

 
   

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