Moonbooter – Beyond The Neon Lights
 

Moonbooter – Beyond The Neon Lights
MellowJet Records (2020)
(
11 Stücke, 68:15 Minuten Spielzeit)

Bernd Scholl aka Moonbooter ist ein Kind der 80’er Jahre. Da er in diesem Jahrzehnt groß geworden ist, hat ihn auch die Musik dieser Zeit geprägt. Auf seinem neuen Album „Beyond The Neon Lights“ erinnert er sich an diese Zeit und hat stilistisch einiges aus dieser Epoche in seine neuen Stücke eingebaut. Dabei hat er aber auf jegliche Presets, Samples oder Loops verzichtet, sondern alles von Hand eingespielt und alle Sounds und Beats selbst programmiert. Herausgekommen ist ein sehr abwechslungsreiches und stimmiges Album. 

 

 


Elf Stücke, deren Laufzeiten zwischen 3:53 und 7:30 Minuten Spielzeit liegen, hat Bernd auf das neue, sein mittlerweile 22. Studioalbum, draufgepackt. Und jeder Hörer, der die 80’er ebenfalls erlebt hat, der wird den ein oder anderen musikalischen Hinweis auf diese Zeit auf Moonbooters Album finden. Bernd hat Elemente der 80’er entlehnt und in die heutige Zeit transformiert.

„Zeittunnel“ heißt der erste 5:42minütige Track, der den Hörer in den richtigen Flow versetzt und gedanklich in die 80’er beamt. Damit schickt Bernd die Hörer durch einen Zeittunnel (wer kennt noch die Kult-Fernsehserie aus den 60’er Jahren?) 40 Jahre in die Vergangenheit. Neben ein paar klassischen Tranceelementen in Form eines treibenden 4tothefloor Beats, hat Bernd am Ende noch eine Sequenz aus einer bekannten Terminator Endzeitszene eingefügt. Ich muss zugeben, dass ich die nicht erkannt habe.

Wie ein Popsong wirkt dagegen „Alone In Neon Light“, was durch den pumpenden Beat, der eingängigen Melodie und dem durch Vocoder verfremdeten Gesang erzeugt wird. So ein bisschen Melancholie scheint aber auch durch.

Zu „First Time At Kings Castle“ schreibt Bernd: 1987, ich war gerade 16 Jahre alt, hatte ich durch Zufall die Gelegenheit die Königsburg in Krefeld zu besuchen. Dies war mein erster Besuch einer richtigen Disco. Zu dieser Zeit war die Königsburg einer der heißesten Acidhouse-Clubs in der BRD. Ich tanzte die ganze Nacht durch. Diese Nacht, dieser brutale 303-Sound und die dort herrschende Euphorie der Crowd habe ich nie vergessen. Diese einmalige Erfahrung hat mich bis heute musikalisch geprägt. Und das hört man diesem Track auch deutlich an.

Der Titel des Stückes „Big Disgrace“ kommt nicht von ungefähr. Rockfreunde werden die Worte aus dem bekannten Queen-Song „We Will Rock You“ kennen. Bernd hat hier den Rhythmus von Queen mit seinen Synthesizerklängen verbunden und daraus etwas ganz Neues entstehen lassen. Eine witzige Idee, die hier gut funktioniert. Ob die Elektronikfreunde bei einer Liveversion genauso klatschend mitgehen wie bei einem Queen-Konzert? Es wäre Bernd zu wünschen.

Auch „Sequential Moments“ wartet mit pumpenden Beats auf. So ein bisschen klingt der Synthie auch nach 80’er Jahre. Eine Melodiefolge erinnert mich einen Hauch an „Silent Running“ von Mike & The Mechanics. Aber Bernd macht hier sein ganz eigenes Ding. Wieder so ein klasse Track mit Ohrwurmcharakter.

Das Stück „Einschlaf“ ist mit einem Freund aus „alten Tagen“ entstanden, er nennt sich XANAA. Der in deutscher Sprache gesungene Track klingt sowohl vom Flair wie auch von der Gesangsstimme wie Schiller’s „Die Nacht ... Du bist nicht allein“, gesungen von Thomas D.

Atmosphärisch und etwas düsterer (wie bei Moonbooter’s Album „Schwarzmond“) wird es dann im Stück „Planet VHS“. Rabenähnliche Klänge sorgen dabei für eine herbstlich/winterliche Stimmung, was gerade gut zur aktuellen Jahreszeit passt. In der zweiten Hälfte des siebeinhalbminütigen Stückes klart die Stimmung durch hellere Klangfarben und offenere Rhythmusmuster auf und man ist wieder im typischen Moonbooterklangkosmos verortet. Vocoderstimme und Computerklänge, die man von Atari- oder Commodore-Spiele der 80’er kennt, werden dann noch untergehoben.

Bekanntermaßen macht Moonbooter ja keine „Berliner Schule“-Musik. Doch einige seiner Helden aus dem Elektronikbereich waren u. a. Harald Grosskopf, Robert Schroeder, Bernd Kistenmacher und Klaus Schulze, die er in den 80’ern in der Sendung Schwingungen entdeckte. Mit „Magic Of Heroes“ hat er einen Track eingespielt der diesen huldigt. Ein eher untypischer Moonbooter-Track bei dem es Sequenzerrhythmen und Flächen gibt, wie in der „Berliner Schule“. Allerdings hat Bernd diesem Stück dann doch wieder einen seiner unwiderstehlichen, druckvollen Rhythmen spendiert.

„Fernweh“ ist auch wieder eine Trance-/Dance-Nummer mit einem pumpenden Beat. Durch den Einsatz von Streichersounds bekommt der Track darüber hinaus etwas Hymnisches. Die Melodie ist aber wieder unverkennbar Moonbooter.

„Gods Melody Part II“ ist eine Variation des Stückes „Gods Melody“ von Moonbooters 2008’er Album „Faster“. Hier lasse ich Bernd nochmal zu Wort kommen: Der erste Song, den ich zu Beginn meines musikalischen Schaffens als moonbooter produziert habe, war ‚Gods Melody‘. Er basierte auf einem Preset aus einem der ersten VST-Synthesizer überhaupt. Der Song wurde erst ein paar Jahre später auf meinem Album ‚Faster‘ veröffentlicht. Das Besondere an diesem Song war, das er der erste war, der zu 100% amtlich klang und so war, wie ich ihn haben wollte. Sofort erinnerte ich mich an die 80er zurück, als ich mit Atari, Amiga, PSS-680 und SK-5 bewaffnet, meine ersten Demosongs auf Kassette aufgenommen hatte. Als ich mich in den letzten Monaten daran zurück erinnerte, wollte ich eine neue Interpretation eben dieses Song mit auf diesem Album haben. Während das Original mit einem Rhythmus wie bei Donna Summer’s „I Feel Love“ daherkommt, hat Bernd die neue Version etwas vom Speed entschlackt und so kommt die Melodie in der neuen Version wesentlich besser zur Geltung.

Ans Ende des Albums hat Moonbooter das 7:20minütige Stück „Don’t Cry My Young Boy“ gestellt. Hier hat er erneut etwas melancholische Klänge eingespielt. Die Melodie und der Sound, versetzt mit eingestreuten Percussionelementen auf einem tuckernden Beat, sind traumhaft. Es erinnert mich so ein bisschen an die Neuzeit von Tangerine Dream. Ein sehr schönes Ende des neuen Albums.

Mit „Beyond The Neon Nights“ ist Moonbooter (Bernd Scholl) mal wieder ein klasse Album gelungen, bei dem er sich an stilistischen Merkmalen der 80’er Jahre bedient hat und dies in seinem eigenen, modernen Stil transformiert hat. Ein ums andere Mal sagt man sich, „ja, das kenne ich“ um dann festzustellen, das es doch ganz anders klingt. Vertraut und doch neu.

Stephan Schelle, November 2020

 
   

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