Michael Brückner – One Hundred Million Miles Under The Stars
 

Michael Brückner – One Hundred Million Miles Under The Stars
(The Supplementary Volume)
Eigenvertrieb (2012)
(34 Stücke, 373:05 Minuten Spielzeit)

Neben der CDR „100 Million Miles Under The Stars“, die bei SynGate erschienen ist, hat der Elektronikmusiker Michael Brückner auch noch eine 5CD-Box unter dem ähnlichen Titel „One Hundred Million Miles Under The Stars“ in Eigenregie veröffentlicht. Lediglich vier Stücke, die aber in anderen, ausufernderen Versionen in dieser Box enthalten sind, finden sich auch auf der EinzelCD.

 


Bestach „100 Million Miles Under The Stars“ schon durch die unterschiedlichsten Stilrichtungen, die außer Michael Brückner wohl kaum ein anderer Elektronikmusiker in dieser Qualität kreieren kann, so setzt er bei dieser Box noch einen drauf.

Allein die Tatsache, dass Michael neben der regulären EinzelCD auch noch diese Box veröffentlicht, zeigt seinen quantitativen Output. Wenn man dann noch weiß, dass er daneben auch noch mindestens drei weitere Alben herausgebracht hat, dann wird deutlich, dass er die Musik lebt. Das unglaubliche daran ist aber, dass die Masse sich nicht negativ auf die Qualität der Musik auswirkt.

Im Untertitel trägt die Box den Zusatz „(The Supplementary Volume)“. Auch in der Innenseite der CD, in der die einzelnen Stück aufgeführt sind, hat Michael Hinweise zur Musik gegeben. So ist beispielsweise zu erfahren, dass die gesamten Stücke in der Zeit zwischen März und Juni 2012 entstanden sind. Was für ein Output!! Daneben hat Michael die Tracks in Sektionen unterteilt.

CD 1 befasst sich mit der Sektion „Lively And Sequences“. Sechs Stücke sind hier enthalten, deren Laufzeiten zwischen 8:07 und 24:53 Minuten variieren. Begonnen wird mit „Tomorrow Starts Today (Version 2)“ einer sehr melodischen zugleich sphärischen und durch Einsatz von Sequenzer recht rhythmischen Angelegenheit. „Flicker“ zeichnet sich durch eine herrliche Melodie und schnelle Rhythmen aus. Das Stück wird von Michael über mehr als 11 Minuten variiert. Ein klasse Track.

„Birds On A Blue Cage (Pure Version)“ ist eine wunderbar verträumte Nummer, bei der man die Seele baumeln lassen kann. Sanft und melodisch, mit einer Prise Jean Michel Jarre ziehen die Klangkaskaden durch den Raum. Asiatisches Flair kommt dann stellenweise im Stück „Fly He Said (Disciplined Version)“ zum Tragen. Dieser Track ist ebenfalls sehr melodisch und abwechslungsreich.

Sequenzerlastig zeigt sich das mit mehr als 24 Minuten längste Stück der ersten CD „Shut Your Eyes And Walk“. Und doch schreitet dieses Stück gemächlich voran und bietet ungewöhnliche Sounds. Den Abschluss von CD 1 bildet dann „Those Who Left Were Flight“. Das ist ein fröhlicher, melodischer Track, der Spaß macht. Durch die flotten Sequenzerrhythmen und die Melodiebögen sowie die Klangfarben verbreitet dieses Stück einfach Lebensfreude. Allein diese erste CD rechtfertigt den Kauf dieser Box.

Die zweite CD trägt den Zusatz „Slightly Dark And Sequenced“ und beinhaltet ebenfalls sechs Stücke, darunter zwei abweichende Versionen von Tracks der ersten CD. Sie beginnt mit „Werchnaja Psychma“, das ebenfalls mit Sequenzerrhythmen versehen ist. In der Tat wirkt dieses erste Stück düsterer als die Tracks der ersten CD. Michael wechselt in diesem Stück die Stimmungen, was wie die Musik zu einem spannenden Thriller anmutet. Als nächstes kommt „The Shiao Principle“, das zunächst mit einer rhythmischen Synthieabfolge beginnt, die mich an Kraftwerk erinnert, aber schließlich doch nichts mit der Düsseldorfer Band zu tun hat. Das klingt technoid und kühler, auch wenn Michael warme Sounds verwendet. Im späteren Verlauf setzt Michael schöne Harmonielinien auf den stoischen Rhythmus, der das Grundgerüst dieses Tracks bildet. Das ist nicht ganz so düster wie beim ersten Stück der zweiten CD.

Hochgradig spannend zeigt sich dann „Tomorrow Starts Today (Version 1 – Mix 3)“, denn es weicht soundmäßig doch sehr von der Version auf CD 1 ab. Herrliche Synthiesounds wehen dann rhythmisch im Stück „The Glimpse Of The Sun“ aus dem Sequenzer. Was hieran düster sein soll, muss ich erst noch suchen, denn das Stück geht wunderbar ins Ohr und lässt meine Gedanken fliegen. Dazu bietet es an einigen Stellen noch einen sehr schönen Rhythmus, der mich in Bewegung bringt. Es folgt eine zweite Version von „Birds In A Blue Cage“, dieses mal als „Berlin Version“ betitelt. Und in der Tat weist dieses Stück in Richtung Schulze & Co. behält sich aber immer noch genug eigenen Spielraum. Den Abschluss bildet hier das fast 24minütige „The Dark Mirror“, das zunächst durch seine mysteriösen Klangfetzen düstere Stimmungen heraufbeschwört. So langsam gesellt sich dann ein pulsierender Sequenzerrhythmus dazu der, je länger er andauert an Dynamik gewinnt. Michael lässt bei diesem Stück nur wenige und sanfte Veränderungen zu, so dass sich dieses Stück nur gemächlich verändert.

Die dritte CD trägt dann den Zusatz „Odd Tracks“, bei denen Michael Stücke versammelt hat, die laut seinen Angaben keinem richtigen Stil zuzuordnen sind. Auf diesem Silberling finden sich atmosphärisch, schwebende Sounds wie in „Unused Intro“, symphonische Zwischenspiele mit Soundtrackcharakter wie in „This Fading Memory (Part 1)“, technoid wirkende Sounds wie in „This Fading Memory (Part 3)“ oder experimentelle Klangcollagen wie in „This Fading Memory (Part 4)“ bis hin zu fast Song orientiertem Material wie in der psychedelischen Version von „Fly He Said“ und schon tanzbarem Material wie in „Dweling“. CD 4 und 5 sind dann mit „(More) Alternative Versions And Mixes“ überschrieben.

„One Hundred Million Miles Under The Stars“ ist eine prall gefüllt Box mit unterschiedlichen Sounds und Stilen die Michael Brückner aber sehr gelungen zusammengestellt hat. Die CDs bieten harmonische Stücke, die oft schnell ins Ohr gehen oder beim Hörer eine wohlige Stimmung erzeugen. Aber auch experimentelle Klänge und düstere Klangkollagen finden sich auf den Silberlingen. Trotz dieser Masse an Musik zeigt sich noch nicht die ganze Bandbreite von Brückner’s musikalischem Verständnis, dazu hätte es sicherlich noch fünf weitere CDs benötigt. Wer den melodischen Ansatz von Michael Brückner mag, der bekommt hier die volle Ladung geliefert. Eine CD die sich wirklich lohnt und die ich jedem Elektronikfreund ans Herz legen möchte.

Stephan Schelle, August 2013

 
   

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