Martha Rabbit - Pyrrhogaster
 

Martha Rabbit - Pyrrhogaster
Eigenvertrieb www.martharabbit.de (2008)
(6 Stücke, 69:52 Minuten Spielzeit)

Es ist schon komisch, dass einem Musik, je nach Gemütslage, unterschiedlich gefällt. Als vor vier Jahren das Debüt des Elektronikduos Martha Rabbit mit dem Titel „Akaba“ bei mir eintraf, war ich gar nicht so von der Musik angetan, da sie mir zu stark an der Berliner Schule orientiert war. Es fehlte mir die Eigenständigkeit. Im Herbst 2008 erscheint mit dem recht schwer zu schreibenden und auszusprechenden Titel „Pyrrhogaster“ das zweite Album des Norddeutschen Duos und schon beim ersten Hördurchgang konnte mich die Musik von Michael J.J. Allert und Wolfgang Rohdenburg überzeugen, obwohl auch sie die Berliner Wurzeln nicht verleugnen kann.

 

 


Sechs Stücke mit Laufzeiten von 6:04 bis zu epischen 16:10 Minuten bieten die beiden dem Hörer. Neben Synthesizer, Sequenzer und Drumcomputer kommen auch das Memotron und der Schrittmacher-Sequenzer aus dem Hause Manikin Electronic zum Einsatz.

Los geht es mit dem 16minütigen Titelstück, das mit sehr schönen Flächen und einem Synthiesound der eine Mischung aus Spinett und Gitarre zu sein scheint, sehr Schulze-lastig beginnt. Dann kommt aber der Sequenzer hinzu, der im Hintergrund eine faszinierende Arbeit leistet. Darauf gebettet werden Mellotron-Sounds (wahrscheinlich vom Memotron) die ein sehr warmes Soundkleid ausbreiten. Wieder einen Moment später geht der Sequenzer dann stampfend ab und es kommen immer mehr Klänge in diesen Track. Das finde ich absolut faszinierend. Der Track ist schon mal richtig nach meinem Geschmack, sollte also nichts mehr schief gehen.

Es folgt das gut zwölfminütige „Mars Canyon Railway“, das recht spacig und mysteriös beginnt. Da flirrt und rauscht es am Anfang und dann kommt schon eine Tastenfolge auf dem Synthie, die wieder genau meinen Nerv trifft. Die zweite Synthiestimme gesellt sich sehr verspielt hinzu und dann kommt aus dem Hintergrund wieder ein stampfender Beat, der den Zug vorantreibt. Michael und Wolfgang steigern sich in diesem Stück, das zwar seine Wurzeln in der „Berliner Schule“ hat, aber viel moderner klingt, immer mehr. „Calcalong Creek“ ist aus etwas anderem Holz geschnitzt. Es beginnt zunächst viel reduzierter, um dann aber - ebenfalls durch einen stampfenden Beat - an Fahrt zu gewinnen. Hier bieten die beiden eine simple Melodie, die auf dem hypnotischen Rhythmus gebettet ist.

Wieder führen Mellotronsounds bei „Transmediators“ zunächst in die Historie der Elektronik, um kurz darauf durch frische moderne Sounds, die mich auch an Mind~Flux erinnern, eine neue Richtung einzuschlagen. Nachdem das Stück fast drei Minuten ohne Rhythmus ausgekommen ist, schiebt sich danach eine Art Perkussion in den Track ein, der gut passt. Samples, die andeutungsweise wie auf einem Bahnhof oder bei einer Großveranstaltung aufgenommen klingen (oder wie wurden die verfremdet), vervollständigen den Sound. Sobald dann wieder ein stampfender Rhythmus einsetzt, wird dieses Stück unwiderstehlich.

Sehr sphärisch geht es zunächst bei dem 15minütigen „Pathfinder’s Secret“ zu, der nach etwa drei Minuten mit einer langsam dahintrabenden Melodiefolge erst so richtig beginnt. Diesen behäbigen Fluss behält das Stück bei, auch wenn nach einigen weiteren Minuten der Rhythmus anzieht. Für mich vielleicht der schlechteste unter sechs guten bis hervorragenden Titeln. Wie auf einem arabischen Bazar lassen es die Bremer beim abschließenden „Home Of The Gods“ durch den Einsatz von Perkussion und asiatisch anmutenden Synthiesounds klingen. Dazu kommen noch sakrale Chöre und ein treibender Beat, der dieses Stück wieder außergewöhnlich macht. Zum Ende hin wirkt allerdings die Melodielinie etwas holprig gespielt, was aber nicht ganz so ins Gewicht fällt.

War ich von „Akaba“, dem Erstling des Duos Martha Rabbit nicht überzeugt, so haben sie mich mit dem Nachfolgewerk „Pyrrhogaster“ sofort auf ihre Seite gezogen. Mit diesem Album stellen sie für mich eine der Neuentdeckungen des Jahres 2008 dar.

Stephan Schelle, November 2008

 
   

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