Lutz Rahn – Solo Trip
 

Lutz Rahn – Solo Trip
Mig / made in germany music (1978 / 2012)
(8 Stücke, 29:04 Minuten Spielzeit)

Ende der 1970-er Jahre steckte die Hamburger Formation Novalis samt ihrem charismatischen österreichischen Sänger Fred Mühlböck schwer im Stress und war kreativ wie kommerziell in der Hochzeit ihrer Karriere. 1978 war das Meisterwerk „Vielleicht bist du ein Clown?“ erschienen, im Jahr darauf das großartige erste und einzige Konzept-Werk der Band „Flossenengel“. Zur gleichen Zeit begab sich Novalis-Keyboarder Lutz Rahn auf einen „Solo-Trip“ (so der LP-Titel) mit einem Album, das sowohl Elemente klassischer atmosphärischer Klaviermusik, beschwingte Orgel-Schleifen und idyllische elektronische Klangwanderungen enthält.

 


Der zuvor aufgeführte Pressetext gibt die Stimmung auf dem ersten und einzigen Soloalbum von Lutz Rahn sehr gut wider. Und da Lutz im Pressetext einige weitere Infos gibt, die von Interesse sind, hier noch einige Auszüge: Manch Anhänger der Gruppe wunderte sich über diesen musikalischen Alleingang, befürchtete gar, es würde sich um einen Befreiungsschlag des so introvertierten wie innovativen Tastenvirtuosen von seiner Stamm-Gruppe handeln. Dem widerspricht Rahn noch heute ganz energisch, indem er feststellt: „Der ‘Befreiungsschlag’ resultierte nur aus meiner musikalischen Neugier. Als wir Novalis 1971 gründeten, war mein Basisinstrument die Hammondorgel. Durch die Entwicklung elektronischer Musikinstrumente, Sequenzer etc. ergaben sich im Laufe der Zeit viele neue Möglichkeiten, die natürlich auch Auswirkungen auf mein Songwriting und die Arrangements hatten. Genau die wollte ich möglichst umfassend nutzen.“

Und er fügt hinzu: „Ich habe im Laufe der Zeit eine gewisse musikalische Experimentierfreudigkeit entwickelt. Es hat mich neben meiner Arbeit für Novalis gereizt, auch andere Ideen zu verfolgen. Bei diesen Ausflügen hat sich einiges Material angesammelt - nicht ursprünglich mit dem Plan, ein Soloalbum daraus zu machen. Die meisten Titel sind nicht unmittelbar vor Veröffentlichung von „Solo-Trip“ entstanden, sondern bereits in den Jahren davor.“

Wenn es nach Lutz geht, steckt hinter „Solo-Trip“ kein Konzept: „Es ist schlicht eine Sammlung instrumentaler Ideen und Gedanken. Ideen, die mich begeistert haben. Außerdem wollte ich darauf, ohne auf irgendwelche Bandmitglieder Rücksicht nehmen zu müssen, meine damals aktuellsten elektronischen Instrumente und Geräte ausprobieren“, bestätigt er. Speziell in der Keyboarder-Szene wurde „Solo-Trip“ in den höchsten Tönen gelobt, man verglich die Produktion mit den frühen Werken des französischen Soundmagiers Jean-Michel Jarre oder mit denen der japanischen Far East Family Band und den nicht minder talentierten Tastenhexer Kitaro.

Erstmals ist das Album nun als CD erschienen und Ende Juli 2012 bei mig herausgekommen.

Wer glaubte, dass Lutz, der bei Novalis auch für die klassischen Momente sorgte, auf seinem Solo-Album ebenfalls klassisch angehauchte Musik bietet, der irrte. Lutz präsentiert auf Solo Trip eine Kombination aus traditioneller Elektronikmusik á la Jean Michel Jarre (wie zum Beispiel in „Yeti“) und songorientierten Instrumentalstücken, die sehr locker und teilweise funky daher kommen.

Die acht Stücke haben eine Laufzeit zwischen 2:38 und 4:50 Minuten. Im ersten Track, der auch gleichzeitig das Titelstück darstellt, kommen Erinnerungen an die Barszenen aus der Kultserie Raumpatrouille Orion in mir hoch. Nur in einem Stück, „Draculas Kuss“ (hier hören sich Sound, Rhythmus und die Klangfarbe nach Alan Parsons an), ertönt eine menschliche Stimme. Zur Verdichtung der Atmosphäre hört man anfangs eine Frau stöhnen und schreien. Das sind aber die einzigen stimmlichen Elemente, ansonsten bietet Lutz Rahn Instrumentalstücke pur. Aber auch die für Novalis typischen Sounds kann Lutz nicht ganz unterdrücken, was in Stücken wie „Galaxy Taxi“ oder „September“ deutlich wird.

Es ist schön, dass mig während der Wiederveröffentlichung der Novalis-Alben die Solowerke nicht außer acht lässt und das ansonsten in der Versenkung verschwundene Album von Lutz Rahn wieder entdeckt hat. Wer auf elektronische Musik oder der von Novalis steht, der sollte sich dieses remasterte Album unbedingt zulegen, auch wenn es mit 29 Minuten (es gibt leider keine Bonustracks) recht kurz geraten ist. Und diejenigen, die es von damals noch kennen, die werden eh zuschlagen.

Stephan Schelle, August 2012

 
   

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