Level Pi – Elektronische Philosophie
 

Level Pi – Elektronische Philosophie
Timezone (2020)

(
7 Stücke, 56:42 Minuten Spielzeit)

Der in Köln wohnhafte Uwe Cremer bringt seine Instrumentalmusik unter dem Namen Level Pi heraus. Bisher sind vier Alben von ihm erschienen, das fünfte Werk kommt am 27.11.2020 und trägt den Titel „Elektronische Philosophie“ auf den Markt. Uwe lässt sich allerdings zwischen den Veröffentlichungen Zeit und so sind seit dem letzten Output „This Burning Part Of Me“ auch schon wieder fünf Jahre ins Land gegangen.

 

 


Uwe‘s Musik zu klassifizieren fällt nicht ganz leicht, denn er pendelt immer wieder zwischen elektronischer Musik und Rock. Grund ist sicherlich, dass er zunächst Gitarre spielen lernte und auch zeitweise Anfang der 90’er Jahre in einer Band spielte. Das macht seine Musik allerdings auch sehr spannend und abwechslungsreich. Und genau das trifft auch auf das neue Album „Elektronische Philosophie“ zu.

Das Album beginnt mit dem 5:36minütigen Stück „Nachtfahrt“. Hier hat Uwe eine nächtliche Fahrt in einem TEE (das kommt den Elektronikfreunden von Kraftwerk bekannt vor) vertont. Allerdings agiert er keineswegs wie die Düsseldorfer Elektroniklegende sondern vermischt hier verschwurbelte Synthiesounds, wie man sie auch von den Ozric Tentacles her kennt, mit basslastigen Moog-Sounds und treibenden Schlagzeugrhythmen zu etwas gänzlich Neuem. Zunächst startet das Teil aber recht rockig und man wähnt sich in einem Postrock-Track, bis die verschwurbelten Synthies dazukommen. Die weiteren, sich ständig wiederholenden Synthiemotive erinnern dabei ein wenig an Tangerine Dream der Frühzeit. Ein absolut fesselnder Track.

Dann folgt das 14minütige „Die lange Reise“. Entstanden ist das Stück, als Uwe mit dem LoopMash in Cubase experimentierte. Dabei entstand ein hypnotischer Beat, den er mit stampfenden Triebwerken eines Ufo’s aus den Science Fiction-Filmen der 50er/60er Jahre assoziierte. Er fragte sich wie Klaatu aus „Der Tag an dem die Erde still stand“ zur Erde gekommen ist? Und so hat er dann auch einige passende Sprachsamples (sie sind aus den Filmen Horror Express und Last man on Earth), die wie aus einem alten amerikanischen Film wirken, in den Track eingebaut. Sehr futuristisch klingt dann auch dieser Track und der surrende Synthie erinnert in der Tat an die fliegenden Untertassen dieser Ära. Dazu hat Uwe einen stoischen Schlagzeugrhythmus und Gitarreneinschübe eingebaut, was dem Stück einen sehr psychedelischen, Spacerock artigen Charakter verleiht. Nach zweieinhalb Minuten legt er dann eine Melodielinie darunter, die durch die Orgelsounds recht Retro klingt und gut zu dem Thema passt. Die eingestreuten Sprachsamples und die Percussion in der Mitte des Stückes sorgen für einen hohen Spannungsbogen.

„Intermezzo“ ist mit seinen zwei Minuten ein recht kurzer Track. Eine herrliche Basslinie und atmosphärische E-Gitarre auf einem sanften Rhythmus bestimmen hier das Bild. Die cleanen Gitarrensounds werden dann um einige Verfremdungen in Richtung elektronische Musik verschoben. Dieses Zwischenspiel ist der Vorbote des folgenden, 6:47minütige Titelstückes in das es nahtlos übergeht. Das Stück basiert auf einer früheren Sequenz, die Uwe auf seiner Festplatte ausgegraben und nun zu diesem treibenden Track weiterentwickelt hat. Da pfeifen die Synthies zu Beginn munter drauf los, während eine Rhythmussequenz den Unterboden darstellt. Dann kommen herrliche Synthieharmonien auf, die hin- und herziehen. Ein klasse Track, der dieses Mal ohne Gitarre auskommt.

Nachdem Uwe den Film „The Man Who Killed Don Quixote“ des amerikanisch-britischen Regisseurs Terry Gilliam aus dem Jahr 2018 gesehen hatte, schrieb er den 8:18minütigen Track „Don Quijotes Gehirn“. Uwe schreibt dazu im Booklet: So wie der Ritter der traurigen Gestalt durch verschiedene Visionen getrieben wird, so führt einen das Stück durch seine verschiedenen Parts – von psychedelisch/atmosphärisch über treibende Breakbeats bis hin zu einem Gitarrensolo mit spanischem Flair. Besser kann man das Stück nicht beschreiben.

Bei dem 9:51minütigen Stück „Zu Hause“ lasse ich nochmal Uwe mit seinem Text aus dem Booklet zu Wort kommen: Ausgangspunkt war die getragene Akkordfolge auf dem E-Piano. Der Klang erinnerte mich an Portishead. Der Trip Hop Beat, die minimalistische Wah-Wah-Gitarre und die Mellotron-Strings verstärken die chillige Stimmung. Durch die Sequenz auf dem Mini V fließt noch etwas Berliner Schule mit ein. Der Anfang mit rauschenden Synthies erinnert mich etwas an die Stimmung der Mysterie-Serie „Twin Peaks“. Das ändert sich aber nach wenigen Momenten und geht in einen tollen sanft rockenden Part über, der von traumhaften Gitarrenlicks, Wah-Wah-Effekten und herrlichen Orgelsounds sowie Mellotronstrings bestimmt wird. Eine tolle, fesselnde Kombination.

Den Abschluss stellt dann das 9:40minütige Stück „Durch die Jahrzehnte“ dar. Den Beginn machen Sounds, die nach „Berliner Schule“ der 70’er Jahre klingen. Dann kommt eine Art Hammondorgel dazu, was das 70’er Jahre Flair noch verstärkt. Das wirkt zunächst hymnisch. In diesen Sound baut Uwe dann einige Trip-Hop-Beats ein. Auch die atmosphärischen Gitarren sorgen für einen leicht rockigen Touch. Uwe pendelt hier zwischen Rock und Elektronik sowie den musikalischen Jahrzehnten, beginnend mit dem Jahr 1975 bis in die Gegenwart hin und her.

Uwe Cremer aka Level Pi hat mit „Elektronische Philosophie“ ein hervorragendes Album veröffentlicht, das Elektronik- und Rockmusik miteinander perfekt verbindet. Damit ist dieses Album auch nicht nur für Freunde elektronischer Musik sondern auch für diejenigen, die auf atmosphärischen Instrumentalrock stehen, bestens geeignet. Klanglich veredelt wurde es darüber hinaus von Joachim „Eroc“ Ehrig. Bei mir wird das Teil jedenfalls noch oft seine Runden drehen.

Stephan Schelle, Dezember 2020

 
   

CD-Kritiken-Menue